Patrick Schnell glaubt, dass das Thema Brennstoffzelle sehr bald an Fahrt aufnimmt und gegen den Elektrohype antreten kann. Der Vorsitzende der Clean Energy Partnership spricht im Interview mit der Autogazette über Explosionsgefahren beim Wasserstoff und schöne Tode.
Am Donnerstag konnte sich Patrick Schnell freuen. Mit dem Land Hessen trat ein weiterer Vertreter der Clean Energy Partnership (CEP) bei. «Wir wachsen stetig», sagt der amtierende CEP-Vorsitzende im Interview mit der Autogazette, «zu Beginn der CEP waren nur deutsche Hersteller vertreten, jetzt stoßen auch internationale Firmen dazu.»
Dass die CEP in der Öffentlichkeit noch nicht ganz stark präsent ist, schiebt der Franzose, der bei Total zugleich Leiter der Tankstellen Netzentwicklung ist, dem vorherrschenden Elektrohype zu. «Gegen einen Hype ist es immer schwer, zu hypen.» Allerdings werde das Thema Brennstoffzelle immer präsenter. «Das Thema wird in Zukunft wieder an Fahrt aufnehmen, wenn auch das Thema erneuerbare Energien an Fahrt aufnimmt, vor allem bei den Fragen um die Speicherung der Energien. Wasserstoff wird als Speichermedium für das Gelingen der Energiewende eine bedeutende Rolle spielen.»
«Zusammenarbeit unbedingt erforderlich»
Die Zusammenarbeit von Herstellern wie Opel, Daimler, VW, BMW oder Honda und Toyota sowie Versorgern wie Vattenfall und Linde oder Shell und Total ist für Schnell enorm wichtig, um das Thema Wasserstoff voranzutreiben. «Es kann nur funktionieren, wenn man zusammenarbeitet. E10 ist das beste Beispiel. Hätte man da zusammengearbeitet, wäre E10 ein Erfolg geworden.»
Ab 2015 rechnet der 42-Jährige mit dem Einsatz von Serienfahrzeugen, die von Brennstoffzellen befeuert werden. Dann wird auch die Partnerschaft enden. «Dann wird der Wettbewerb einsetzen mit den üblichen Streitereien zwischen Automobilherstellern und Kraftstoffanbietern. Ab dem Punkt wird man sehen, dass CEP nicht mehr funktioniert, weil auch die Bereitschaft der Partner nicht mehr gegeben ist. Der Tod der CEP ist also vorprogrammiert. Aber wenn das passieren würde, wäre es ein schöner Tod.»
«Wahrnehmung für Wasserstoff gesunken»
Autogazette: Herr Schnell, führen Sie als Vorsitzender der Clean Energy Partnership einen Inner Circle, eine Freimaurerloge der Alternativen Antriebe an?
Patrick Schnell: In jedem Fall sind es Firmen, die an dem Thema Wasserstoff schon sehr lange arbeiten. Und wir wachsen stetig. Mittlerweile sind wir 15 Unternehmen, nachdem Honda dazu gestoßen ist. Hyundai und Kia werden folgen. Der Kreis wird immer größer. Zu Beginn der CEP waren nur deutsche Hersteller vertreten, jetzt stoßen auch internationale Firmen dazu. Das Land Hessen ist heute beigetreten.
Autogazette: Wieso gibt es den Zusammenschluss?
Schnell: Wir haben ein gemeinsames Ziel Wasserstoff als Kraftstoff zu etablieren und wissen, dass es einer allein nicht schafft.
Autogazette: Trotzdem ist die CEP ein geschlossener Kreis, der nicht in die Öffentlichkeit tritt.
Schnell: Wir sind schon in der Öffentlichkeit vertreten, aber durch den Hype bei den batterieelektrischen Fahrzeugen ist die Wahrnehmung für Wasserstoff gesunken. Die Brennstoffzellentechnologie hat den Nachteil, dass sie komplizierter zu erklären ist, als es bei einem Batteriefahrzeug der Fall ist. Diesen Nachteil werden wir immer haben. Der Vorteil der gesunkenen Wahrnehmung besteht darin, in Ruhe weiter arbeiten zu können.
«Brennstoffzelle bei Nutzfahrzeugen unentbehrlich»
Autogazette: Ist der Hype um das Elektroauto der Totengräber für den Wasserstoff-Antrieb?
Schnell: Wir werden in der Zukunft einen Mix aus mehreren Antrieben haben. Welcher Antrieb dann bevorzugt wird, da müsste man die Kristallkugel bemühen.
Autogazette: Die Regierung ist zwar an CEP beteiligt, doch die Richtung ist klar auf Marktführerschaft Elektroauto ausgelegt. Im Wirtschaftsministerium scheint Brennstoffzelle eher ein Fremdwort zu sein?
Schnell: Ein Brennstoffzellenauto ist auch ein Elektroauto, aber die Thematik wird sehr häufig auf Batteriefahrzeuge reduziert. Dabei ist die Technologie gerade bei Bussen alternativlos, Busse ohne Brennstoffzellen wird es nicht geben. Wir dürfen das Feld nicht nur auf den Pkw-Bereich minimieren.
Autogazette: Das heißt, die Brennstoffzelle wird zuerst in der Nutzfahrzeugsparte eingesetzt werden?
Schnell: Auf jeden Fall ist sie dort unentbehrlich. Aber es gibt von vielen Herstellern wie Daimler, Opel und Toyota die Absichtserklärung, Brennstoffzellenautos ab 2015 serienmäßig einzuführen. Die Technologie ist schon sehr weit, die Hersteller haben ihren Hausaufgaben gemacht, auch wenn es länger gedauert hat, als man ursprünglich gedacht hatte.
Autogazette: Was fehlt noch?
Schnell: Gleichzeitig mit der Einführung der Brennstoffzellenautos muss auch die Infrastruktur eingerichtet werden. Das kann nur miteinander gehen und das ist der Vorteil der CEP.
«Keine Unfälle beim Tanken»
Autogazette: Ein Problem ist, dass der Wasserstoffantrieb so gut wie nicht bekannt ist. Das Einzige, was bekannt ist, ist die Explosionsgefahr des Wasserstoffs.
Schnell: Das ist natürlich auch ein Thema bei der CEP. Es gab auch Vorfälle beim Tanken, aber diese Vorfälle sind ohne Unfälle ausgegangen. Es hat sich keiner verletzt. So war die Erprobungszeit aber wichtig. Wir haben ein paar Millionen Tankvorgänge durchgeführt und haben so aufgezeigt, dass das System funktioniert und sicher ist. Die BZ-Fahrzeuge in unserem Projekt haben inzwischen mehr als 1 Million km zurückgelegt. Es gab Kollisionen, die alle glimpflich und wohlgemerkt ohne Explosion ausgegangen sind. Die Fahrzeuge haben ebenso wie herkömmliche Autos Crashtests absolviert, die Tanks sind vom TÜV abgenommen.
Autogazette: Können Sie Unfälle ausschließen?
Schnell: Wasserstoff ist – wie auch die anderen Kraftstoffe - ein Energieträger. Auch bei konventionellen Kraftstoffen kommt es immer wieder zu Unfällen. Aber auf technischer Seite ist alles im Griff und somit sicher. Und menschliches Versagen kann man nie ausschließen.
«Thema Wasserstoff wird an Fahrt aufnehmen»
Autogazette: Sehen Sie denn überhaupt eine Chance für den Wasserstoffantrieb?
Schnell: Das Thema wird in Zukunft wieder an Fahrt aufnehmen, wenn auch das Thema erneuerbare Energien an Fahrt aufnimmt, vor allem bei den Fragen um die Speicherung der Energien. Wasserstoff wird als Speichermedium für das Gelingen der Energiewende eine bedeutende Rolle spielen. Aber klar ist auch, dass es nur funktionieren kann, wenn man zusammenarbeitet. E10 ist das beste Beispiel. Hätte man da zusammengearbeitet, wäre E10 ein Erfolg geworden.
Autogazette: Müsste die CEP aber nicht von sich aus an die Öffentlichkeit gehen?
Schnell: Das machen wir. Aber gegen einen Hype ist es immer schwer, zu hypen. Wir hoffen, dass unsere Aktivitäten in nächster Zeit mehr Aufmerksamkeit erhalten. Wir werden unseren Standort am Flughafen BBI in Schönefeld nutzen, um bekannter zu werden. Und demnächst wird ein weiterer Standort in der Hafencity in Hamburg eröffnet werden. Wir wenden uns seit Anfang des Jahres verstärkt an die breite Öffentlichkeit, um Akzeptanz für die Technologie zu schaffen. Die Reaktionen auf die Wasserstoffautos sind durchweg positiv.
Autogazette: Wann beginnt für Sie das Wasserstoffzeitalter?
Schnell: Mit dem Zeitpunkt, an dem die Hersteller ihre Produkte auf den Markt bringen plus weitere zehn Jahre. Auch bei den Erdgasfahrzeugen hat es sich lange hingezogen. Ab 2015 wird die Erprobungsphase abgeschlossen sein, eine Markeinführung ist für diesen Zeitraum angestrebt, danach benötigt man die Glaskugel um zu wissen, wie lange es dauern wird, bis die Technologie sich etabliert . . . Die Kosten für den Nutzer müssen vergleichbar mit denen der konventionellen Antriebe sein. Und auch bei der Steuer muss der Staat dann ansetzen.
9,50 Euro für 100 Kilometer
Autogazette: Auch der Preis für ein Kilo Wasserstoff schreckt ab.
Schnell: Zur Zeit haben wir einen Preis von 9,50 Euro für ein Kilo Wasserstoff. Damit kommen Sie 100 Kilometer weit. Und das ist vergleichbar mit einem konventionellen Fahrzeug, das sieben Liter verbraucht.
Autogazette: Die Kosten für 100 Kilometer mit einem Elektrofahrzeug sind aber wesentlich günstiger.
Schnell: Noch sind Elektrofahrzeuge günstiger, aber es ist davon auszugehen, dass das Finanzamt in Zukunft tätig werden wird. Zudem muss man auf die Gesamtkosten schauen, dann gleicht sich das alles wieder an. Wenn Sie zudem Außendienstmitarbeiter sind und 300 Kilometer pro Tag fahren müssen, haben Sie keine Freude am Batteriefahrzeug. Die Brennstoffzelle ist ideal in größeren Fahrzeugen, die weite Strecken zurücklegen. Und das sind die Fahrzeuge, die heute am meisten CO2 emittieren. Strecken über 200 km werden Sie nicht mit einem Batteriefahrzeug bewältigen.
Autogazette: Also ist Wasserstoff der Brennstoff der Zukunft?
Schnell: Die Welt von morgen wird anders aussehen. Früher hatte man ein oder zwei Kraftstoffe, es werden aber immer mehr werden. Und Wasserstoff wird ein Teil davon sein. Wie groß der Anteil ist hängt von vielen Faktoren wie den Kosten ab. Die Welt von morgen wird komplizierter.
«Der Tod der CEP ist vorprogrammiert»
Autogazette: Wie viele Tankstellen werden nötig sein, damit der Wasserstoff verbreitet werden kann?
Schnell: Beim Erdgas waren 1000 Tankstellen das erste Ziel. Dabei hatten die Kollegen viele Hinterhoftankstellen, die den Begriff Tankstelle nicht verdient hatten. Diesen Fehler werden wir nicht machen. Wir werden zwischen 800 und 1000 Tankstellen benötigen, die gut erreichbar sind.
Autogazette: Wer trägt die Kosten dieser Infrastruktur?
Schnell: Da müssen wir intelligente Lösungen finden und die ersten Anbieter müssen einen gewissen Mut zeigen, da zu Beginn nicht oder kaum Geld verdient werden kann. Es ist aber noch ein wenig zu früh, an diesem Punkt zu Lösungen zu kommen. Es muss aber ein privates Invest sein. Aber die politische Unterstützung muss auch dabei sein, sonst kann es keine Wende geben. Die H2 Mobility erarbeitet derzeit eine Machbarkeitsstudie, die Aufschluss bringen wird, wie der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur aussehen kann. Die Tankstellen werden den Standards entsprechen, die die CEP definiert.
Autogazette: Sehen Sie denn eine politische Unterstützung für das Thema Wasserstoff?
Schnell: Wenn man ein vernünftiges System anbieten kann in Verbindung mit der Speicherung erneuerbarer Energien wird die politische Unterstützung auf jeden Fall präsent sein.
Autogazette: Wir haben mit der Partnerschaft innerhalb der CEP begonnen. Wo endet die Partnerschaft der einzelnen Partner?
Schnell: Zeitlich wird sie etwa 2016 enden. Mein Ziel ist es, bis dahin die Technologie so weit zu haben, dass sie eingeführt werden kann. Dann wird der Wettbewerb einsetzen mit den üblichen Streitereien zwischen Automobilherstellern und Kraftstoffanbietern. Ab dem Punkt wird man sehen, dass CEP nicht mehr funktioniert, weil auch die Bereitschaft der Partner nicht mehr gegeben ist. Der Tod der CEP ist also vorprogrammiert. Aber wenn das passieren würde, wäre es ein schöner Tod. Denn dann haben wir unser Ziel erreicht.
Das Interview mit Patrick Schnell führte Thomas Flehmer