Das Vertrauen zwischen VW-Chef Diess und der Arbeitnehmervertretung ist gestört. Betriebsratschefin Cavallo griff den Manager scharf an.
Bei einer Betriebsversammlung am Wolfsburger Stammsitz warf sie ihm am Donnerstag laut Redemanuskript ein Spiel mit den Ängsten der Belegschaft vor neuem Jobabbau sowie Konzeptlosigkeit in der Bekämpfung der Chipkrise vor.
Cavallo nannte Mutmaßungen über die Streichung Zehntausender Stellen bei der Volkswagen-Kernmarke, die Diess in den vergangenen Wochen angeheizt hatte, „inhaltlichen Unfug“. Wenn der Vorstandsvorsitzende dennoch öffentlich das Thema immer wieder befeuere, sei das „ziemlich traurig“, kritisierte sie. „Hier ist nicht ein Mensch zu viel an Bord. Nicht eine Stelle können Sie zusätzlich mit uns verhandeln!“
Cavallo attackiert Diess
Jeder bei VW wisse, dass das Unternehmen im Zuge der Transformation der Autobranche grundlegend umgebaut werden müsse. Aber es gebe schon zahlreiche Begleitprogramme dafür – und die Beschäftigungsgarantie bis 2029 habe grundsätzlich Bestand. „Das einzige, was unsere Beschäftigten die letzten Wochen von Ihnen hören konnten, waren leichtfertige Spekulationen über Arbeitsplatzabbau“, so Cavallo.
Diess sei offensichtlich nicht klar, was das mit der Motivation der Kolleginnen und Kollegen mache: „Mit einem Federstrich, als wäre es nichts, stellen Sie einfach eine Zahl von 30 000 in den Raum. Und brauchen fast 48 Stunden, um sich endlich mal dazu zu äußern – und dann zu sagen: Ach, war alles nicht so gemeint!“ Das verunsichere die Beschäftigten – viele seit Beginn der Corona-Krise ständig in Kurzarbeit – zusätzlich. Die Menschen hätten „Angst um ihre Arbeit, ihre Familien, ihre Existenz.“
Cavallo: Halbleitermangel ist Armutszeugnis
Während sich Diess mit PR-Aktionen beschäftige oder ausgerechnet mit Tesla-Chef Elon Musk als großem Konkurrenten öffentlichkeitswirksam posiere, lasse auch das Management der Versorgungsengpässe im eigenen Haus zu wünschen übrig, schimpfte Cavallo: „Das, was wir bei den Halbleitern sehen, ist ein Armutszeugnis. (…) Sie versorgen uns zwar regelmäßig mit netten Fotos von Ihren Ausflügen, nur mit Halbleitern leider immer noch nicht.“
Es stimme zudem nicht, wenn suggeriert werde, VW sei in Wolfsburg verglichen mit Tesla weniger produktiv – pro Kopf würden im Hauptwerk noch „sehr viel mehr Fahrzeuge“ gebaut. „Die Wahrheit ist: Nicht das Werk oder die Beschäftigten sind ineffizient“, so Cavallo. „Uns fehlen schlicht die Teile, mit denen wir unsere Autos bauen können.“
Diess: Wolfsburg Speerspitze für Umbau
Diess will den Stammsitz Wolfsburg zu einem zentralen Motor für den Konzernumbau machen. Auf der Betriebsversammlung am Donnerstag bekräftige er die Ziele zum elektrisch und autonom fahrenden Modell Trinity, das voraussichtlich 2026 starten soll.
«Gerade Wolfsburg ist wichtig für den Konzern, muss die Speerspitze sein», betonte Diess seinem Redetext zufolge. Er verwies aber auch darauf, dass die Konkurrenz genau im Blick behalten werden müsse: «Der nächste Golf darf kein Tesla sein! Der nächste Golf darf nicht aus China kommen!»
Auf Sorgen vor einem weiteren Arbeitsplatzabbau ging Diess ein – griff die drastische Zahl von bis zu 30. 000, die er zur Irritation vieler Beschäftigter zuletzt ins Spiel gebracht hatte, aber nicht auf. «Ich möchte, dass Ihre Kinder und Enkelkinder auch 2030 noch einen sicheren Job hier bei uns in Wolfsburg haben können», sagte er. Aber: «Die heute bestehenden Jobs werden innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahren sicher weniger – vor allem in der Verwaltung auf Konzernebene, aber auch in der Produktion und in der Entwicklung.» Gleichzeitig komme neue und andere Arbeit hinzu.
Der Vorstandschef sagt: «Wir müssen miteinander reden.» Er stellte zu den Zukunftschancen von Volkswagen speziell in Niedersachsen jedoch auch klar: «Nicht Herbert Diess oder Daniela Cavallo entscheiden darüber. Die Kunden entscheiden.»
Projekt Trinity zum Erfolg verdammt
Diess hatte seine Teilnahme an der Informationsveranstaltung zunächst abgesagt, nach Intervention Cavallos dann aber doch eine stattdessen geplante Reise zu US-Investoren verschoben. «Nur gemeinsam machen wir Volkswagen zukunftssicher», meinte er. Dafür müsse man den Konzern «rechtzeitig zum Umsteuern bewegen». Mit Blick auf den Konkurrenten Tesla, der kurz vor dem Start seines neuen Werks in Grünheide bei Berlin steht, heiße das: «Wir dürfen uns unseren Standort, unsere Konzernzentrale, nicht von Tesla kaputtmachen lassen!»
Aus Sicht von Diess hat die VW-Zentrale gute Chancen, «wieder zum Aushängeschild für Auto-Produktion» zu werden. Doch dazu müsse das Projekt Trinity unbedingt ein Erfolg werden. Für E-Autos wird insgesamt deutlich weniger klassische Arbeitskraft gebraucht, dafür sind viele neue Kompetenzen nötig. Diess: «Wir planen schnellere Produktionszeiten und effizientere Formen der Zusammenarbeit.» (dpa)