Die neue Harley-Davidson Road Glide kann zwar auch Schräglage, ist aber für lange Touren gedacht. So oder so wollen 380 Kilo bewegt werden.
Das Infotainmentsystem der jüngsten Tourer-Generation von Harley-Davidson macht was her: Beherrscht 30 Sprachen, schickt 50 Watt an jeden der beiden Kanäle, und das gewaltige Touch-TFT-Display misst volle 31,2 Zentimeter in der Diagonalen. Diese Finessen stellt der Hersteller als mindestens so bedeutsam heraus wie Fahrwerk, Bremsen oder Assistenzsysteme. Die Road Glide des Jahres 2024 erscheint in vielerlei Hinsicht als Hammer. Auch beim Preis: Das Vergnügen beginnt bei knapp 32.000 Euro.
Gegenüber der Vorgängerin hat das US-Monstrum knapp acht Kilogramm angespeckt, allerdings sind die verbliebenen 380 Kilogramm immer noch weitaus mehr, als man gemeinhin auf zwei Rädern zu sehen bekommt. Für Vortrieb sorgen 105 PS aus knapp zwei Litern Hubraum. Damit kann der Brocken beschleunigen, dass die Arme lang und länger werden, fast egal aus welcher Drehzahl.
Bis 32 Grad Schräglage
Die Road Glide kommt neuerdings mit einem deutlich geglätteten Design und ohne die Heckantennen früherer Generationen. Gemacht ist sie mit aller Konsequenz fürs entspannte Touren durch die Weiten Amerikas. Natürlich kann sie auch Kurven, liefert sogar willig und problemfrei 32 Grad Schräglage, aber um eine Befahrung des Stilfser Jochs mit seinen Haarnadelkurven würde sich wohl niemand reißen.
Straßen und Sträßchen dritter oder vierter Kategorie sind nichts für die Road Glide. Daran ändern auch die neuen, einstellbaren Federbeine nicht viel. Freilich sind die Federwege, vorne knapp 12 und hinten noch nicht mal 8 Zentimeter, auch nicht geeignet, um Fahrer und Sozia einen fliegenden Teppich auszurollen. Da stellt sich die Frage, warum es anno 2024 noch kein semiaktives Fahrwerkssystem in den Spitzmodellen von Harley-Davidson gibt? Und noch einen Wunsch hätten wir: Eine Rückfahrhilfe wäre in manchen Situationen hochwillkommen!
Fast 400 Kilometer ohne Nachtanken
Die neuerdings installierten drei Fahrmodi vergrößern die Spielwiese des Schwergewichts deutlich: Rain wirkt als Wattebausch, Road sehr ausgewogen und Sport versprüht fast schon Nervosität. Nebenbei ist erfreulich, dass sich der Normverbrauch von ohnehin bescheiden anmutenden 5,3 Litern pro 100 Kilometer bei vorausschauender, keineswegs langsamer Fahrweise sogar leicht unterschreiten lässt. Damit ermöglicht der 22,7 Liter-Tank fast unglaubliche 400 Kilometer ohne Nachtanken.
Die zuvor üblen Turbulenzen am Helm sind dank viel Windkanal-Feinschliff der neuen Frontpartie und einer wirksamen Scheiben-Hinterlüftung verschwunden; bis etwa 150 km/h herrscht nun relative Ruhe. Gewonnen haben Einlenkverhalten und Lenkpräzision, obwohl die Dunlop-Serienpneus nicht gerade dem Prinzip des aktiven Fahrens frönen, sondern Langlebigkeit über alles stellen.
Eine echte Schau ist das Cockpit: Zwischen den beiden virtuellen, bestens ablesbaren Runduhren erscheint im Riesen-Display nach Knopfdruck ein Navigationssystem auf Kartenbasis, darüber hinaus liefert das System alles, was Herz und Hirn eines Info-Nerds begehren. Freilich erfordert die Bedienung sämtlicher Schalter, Knöpfe und Tasten am Lenker eine durchaus längere Eingewöhnungsphase. (SP-X)