Es sind im Abgasskandal für VW die entscheidenden Tage. Am Donnerstag läuft in den USA das Ultimatum von Richter Brewer aus, bis zu dem der Konzern eine Einigung mit den US-Behörden erzielen muss.
Am Wochenende vor den Tagen der Entscheidung hat Matthias Müller Ablenkung beim Tennis gesucht. In Rumänien schaute der VW-Konzernchef der deutschen Damen-Mannschaft beim Fed Cup zu - er hat private Verbindungen zum Weißen Sport. Diese Verschnaufpause dürfte Müller gebrauchen können: Im April, dem Monat der Wahrheit in der Abgas-Affäre, stehen für VW diese Woche die wichtigsten Tage an.
Am Donnerstag läuft in den USA bereits das zweite Ultimatum des Richters aus, der über nahezu alle US-Klagen gegen VW entscheidet. Richter Charles Breyer - Markenzeichen akkurater Seitenscheitel und Fliege - verlangt eine Einigung mit den US-Behörden: «Fast 600 000 Fahrzeuge sind bis zum heutigen Tag auf den Straßen unterwegs - ohne gültige Zulassung», sagte Breyer im Februar beim Auftakt des Mega-Verfahrens. Die Autos müssten die Abgas-Grenzwerte einhalten oder aus dem Verkehr gezogen werden. Das heißt für die Wolfsburger: Nachbessern oder Autos komplett zurückkaufen
Einfluss auf die Bilanz
Wie die Einigung mit den US-Behörden aussieht, wird maßgeblichen Einfluss auf die Bilanz haben, die dem VW-Aufsichtsrat diesen Freitag vorgelegt werden soll. Muss VW viel Geld für die weiteren Folgen des Abgas-Skandals zurücklegen, dürfte das dem Konzern einen Verlust einbrocken - möglicherweise den größten in der Firmengeschichte. In den vergangenen Jahren veröffentlichte VW die wichtigsten Kennzahlen in der Regel unmittelbar, nachdem der Aufsichtsrat den Jahresabschluss abgenickt hatte. So dürfte es auch diesmal laufen.
Experten werden vor allem auch darauf schauen, wie viel Geld VW noch auf der hohen Kante hat, um mögliche Milliardenstrafen und Schadenersatzforderungen zu begleichen. Kunden, Händler, Konkurrenten - und nicht zuletzt die USA selber - haben Volkswagen verklagt.
Die Vorwürfe sind heftig - auch, weil es bei der Betrugs-Software in den Fahrzeugen aus dem VW-Konzern um Vorsatz geht, nicht um Versehen. «Dieser Fall hat seinen Ursprung in einem der unverschämtesten Unternehmensverbrechen der Geschichte», heißt es in einer 700 Seiten starken Kundensammelklage aus den USA. «Die ganze Zeit über pries sich Volkswagen gegenüber der amerikanischen Öffentlichkeit als der vorderste Innovator der «sauberen» Diesel-Technologie, und übertölpelte damit Hunderttausende umweltbewusster Verbraucher, die bereit waren, für "saubere" Dieselfahrzeuge einen Preisaufschlag zu zahlen», lautet der Kern des Vorwurfes an die Wolfsburger.
Strafforderungen in Höhe von 40 Milliarden Euro
Auch über diese Ansprüche entscheidet Richter Breyer. Für VW geht es um enorm viel. Alleine in der im Januar eingereichten Klage des US-Justizministeriums werden Strafen von über 45 Milliarden Dollar (40 Mrd. Euro) gefordert. Dass VW wirklich zur Zahlung einer solchen Summe verdonnert wird, ist zwar unwahrscheinlich. Doch beim Feilschen um einen Vergleich legen die US-Regulierer die Latte damit hoch. Ein Kompromiss mit der US-Umweltbehörde EPA muss rasch her, um Richter Breyer milde zu stimmen. VW-Anwalt Robert Giuffra beteuerte, dass der Konzern «rund um die Uhr» an Lösungen arbeite.
Was droht, wenn Breyers Frist nicht eingehalten wird? Der Richter könnte unter Androhung von Strafen anordnen, die VW-Diesel, deren Schadstoff-Ausstoß die zulässigen US-Grenzwerte übersteigen, aus dem Verkehr zu ziehen. Zudem würde das Gericht dann ernsthaft erwägen, bereits in diesem Sommer mit dem Prozess zu beginnen. Durch ein beschleunigtes Verfahren würde die Zeit für einen Vergleich knapp. Trotz der drohenden Milliardenbelastungen schwelt bei VW auch noch immer ein Streit über die Boni für den Vorstand. Betriebsrat und das Land Niedersachsen dringen auf einen merklichen Verzicht der Manager. Gleichzeitig wollen die Arbeitnehmervertreter eine möglichst hohe Anerkennungsprämie für die 120 000 VW-Tarifmitarbeiter herausholen.
Bangen um Dividende
Und die Aktionäre? Die bangen um ihre Dividende. Die Zeit üppiger Gewinnbeteiligungen dürfte vorerst vorbei sein. Unklar ist, ob in diesem Jahr überhaupt mehr fließt als ein Minimalbetrag. Laut Satzung müsste VW nur knapp 38 Millionen Euro an seine Aktionäre ausschütten, um keine Nachzahlungspflichten für die Jahre danach anzuhäufen.
Wenn der Vorstand und die Tarif-Mitarbeiter dennoch größere Prämien erhalten, dürfte die Hauptversammlung im Juni, wo Anleger dem Konzern die Meinung sagen können, recht stürmisch werden. Vieles ist bei VW also in den tollen Tagen im April eine Frage der richtigen Balance. (dpa)