Zetsche: Mit besserer Stimmung allein können wir privaten Konsum ankurbeln

Zetsche: Mit besserer Stimmung alleinkönnen wir privaten Konsum ankurbeln
Dieter Zetsche © Foto: dpa

Die Stärke des amerikanischen Marktes liegt in der Fähigkeit zum Optimismus. Die Einstellung kann Fortschritt befördern, auch für den deutschen Markt, sagte Chrysler-Chef Zetsche im Interview mit der Netzeitung.

Dieter Zetsche hat einen Stimmungswandel in Deutschland angemahnt. «Wir sollten versuchen, einfach daran zu glauben, dass wir vorankommen werden. Mit besserer Stimmung allein können wir den privaten Konsum ankurbeln und damit Wachstum erzeugen», sagte der Chef der Chrysler-Gruppe im zweiten Teil des Interviews mit der Netzeitung.

Verblüfft vom Bild Deutschlands im Ausland

Netzeitung: Wenn Sie gelegentlich noch fernsehen oder die Zeitungen lesen in Amerika, dann sehen Sie wahrscheinlich immer die gleichen Bilder: Nämlich Demonstranten, die rufen: Weg mit Hartz IV! Wie beurteilen Sie die deutsche Debatte mit Ihrer Kenntnis der amerikanischen Realitäten?

Dieter Zetsche: Ich habe viele Jahre mit meiner Familie im Ausland verbracht und war immer etwas verblüfft von dem Bild, das man im Ausland von Deutschland bekommen kann. Wir verstehen uns immer sehr viel kritischer und schlechter außen darzustellen, als es die Realität bestimmt. Bei all den Schwierigkeiten, die es zu überwinden gilt, und bei all den notwendigen Veränderungen und Restrukturierungen glaube ich, dass die tatsächliche Lage in Deutschland sowohl für die Menschen wie auch für die Industrie deutlich besser ist, als es die Lautstärke des Klagens vermuten lässt.

Fähigkeit zum Optimismus

Netzeitung: Wobei das Klagen ja in den letzten Monaten deutlich zugenommen hat in Deutschland...

Zetsche: Es ist natürlich keine Frage, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, die Perspektive zu sehen, insbesondere wenn sie über einen längeren Zeitraum keine Arbeit finden können. Das ist gar keine Frage, dass das eine extrem schwierige Situation ist. Ich glaube, dass eine wesentliche Stärke des amerikanischen Marktes in der Fähigkeit zum Optimismus liegt, und die Menschen auch in schwierigen Situationen wissen: «Wir können es packen». Diese Einstellung schafft Fortschritt. Insofern glaube ich - noch einmal anerkennend, wie schwierig die Lage gerade in den neuen Bundesländern ist: Wir sollten versuchen, einfach daran zu glauben, dass wir vorankommen werden. Mit besserer Stimmung allein können wir schon den privaten Konsum ankurbeln und damit Wachstum erzeugen.

Netzeitung: Woran liegt es, dass die amerikanische Unternehmenskultur so anders ist? Liegt es daran, dass die Gesellschaft insgesamt nicht so auf soziale Ruhekissen gebettet ist?

Zetsche: Man sollte einfach realisieren, dass der Wohlstand, den wir uns alle gemeinsam leisten können, im globalen Wettbewerb erarbeitet werden muss und nicht als gegeben angesehen werden kann. Gegebenenfalls müssen auch Abstriche gemacht werden, um dann auch wieder jene Wettbewerbsfähigkeit zu erzielen, die uns weitere Wohlstandsschübe erlauben kann.

«Wir brauchen Reformen»

Netzeitung: Das heißt, die Regierung ist grundsätzlich auf dem richtigen Weg. Reichen die Reformen?

Zetsche: Die Überzeugung, dass wir Reformen brauchen, dass wir da durchgehen müssen, ist absolut richtig.

Netzeitung: Wenn Sie ein Werk in den USA mit einem in Deutschland vergleichen: Wo sind Sie lieber Chef?

Zetsche: Die Rahmenbedingungen und die Herausforderungen sind unterschiedlich, und man muss in jedem Umfeld versuchen, den Weg erfolgreich zu gehen. Es geht nicht darum, was mir besser gefällt, sondern da wo ich bin, den Erfolg zu suchen. Unabhängig davon lebe ich gerne in den USA. Aber ich lebe auch sehr gerne in Deutschland.

Modellcharakter für Deutschland

Netzeitung: Ist die außertarifliche Einigung bei DaimlerChrysler ein Modell für die Zukunft?

Zetsche: Ich glaube, Flexibilität und Lösungen maßgeschneidert auf die jeweilige Situation im einzelnen Unternehmen sind wichtig und markieren den richtigen Weg. Das heißt nicht, dass man deshalb nicht den Gesamtrahmen gemeinsam in bundesweiten Verhandlungen miteinander suchen kann. Aber dieser Rahmen sollte möglichst weit geschnitten sein, um eben möglichst viel Raum für spezifische Lösungen zu schaffen. In dem Sinne glaube ich, dass das, was bei uns bei Daimler-Chrysler erreicht worden ist, durchaus Modellcharakter für den Standort Deutschland hat.

Netzeitung: Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die deutsche Diskussion über die Gehälter der Manager?

Zetsche: Ich möchte mich in diese Diskussion nicht einbringen, da ich in den USA in einem anderen Umfeld stehe und an dieser Diskussion weniger beteiligt bin.

Netzeitung: Woher kommt denn die Debatte in Deutschland?

Zetsche: Sicherlich muss man für jede Berufsgruppe eine Balance zwischen Leistung und Entlohnung suchen. Wo diese Balance richtigerweise liegen soll, ist viel schwieriger zu definieren. Ob das Thema das vordringlichste Thema und schwierigste Thema ist, was uns in Deutschland derzeit beschäftigen sollte, weiß ich nicht.

Netzeitung: Sie führen Ihr Unternehmen sehr kollegial. Unabhängig von den Gehältern: Muss gerade in schwierigen Zeiten das Management noch enger mit den Mitarbeitern zusammenarbeiten? Ist es nicht noch wichtiger, dass alle das Gefühl haben, wir ziehen an einem Strang?

Zetsche: Sie können in einem Unternehmen nicht erfolgreich sein, wenn Sie versuchen, nur von Ihrem Schreibtisch aus die Richtung vorzugeben. Sie müssen selbstverständlich die Fähigkeiten und die Ideen des ganzen Unternehmens berücksichtigen und die Menschen einbeziehen. Das gelingt ihnen umso besser, je offener die Strukturen sind und je enger Sie unabhängig von Hierarchien zusammenarbeiten.

Weniger Hemmschwellen

Netzeitung: War Ihr Führungsstil für die Mitarbeiter hier überraschend? Ich meine, gerade in amerikanischen Unternehmen ist Kollegialität ja nicht gerade das oberste Prinzip...

Zetsche: Ja und Nein. Auf der einen Seite haben sie sicherlich hier eine Unternehmensführungskultur, die etwas stärker auf den CEO zugeschnitten ist. Auf der anderen Seite ist hier doch ein offenes Miteinander sehr gebräuchlich. Insofern gibt es hier weniger Hemmschwellen im Umgang miteinander. In der Kombination von beidem glaube ich nicht, dass es auf diesem Gebiet grundsätzliche Unterschiede zwischen Deutschland und den USA gibt.

Netzeitung: Sie glauben also, dass Ihr Managementstil auch in Deutschland ohne Probleme praktizierbar ist?

Zetsche: Ich habe den größeren Teil meiner beruflichen Laufbahn in Deutschland zugebracht.

Netzeitung: Vermissen Sie es? Ich meine, es ist doch ein Unterschied in der Kultur, in der Unternehmenskultur?

Zetsche: Ich fühle mich hier in den USA sehr wohl und ich habe mich in Deutschland ebenfalls sehr wohl gefühlt. Sollte ich wieder einmal in Deutschland arbeiten, wird das auch wieder der Fall sein. Ich nehme jede Situation so, wie sie gegeben ist, und suche in ihr den Erfolg.

Das Interview mit Dieter Zetsche führte Michael Maier

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