Peugeot-Chef Veyrier: Vertriebs-Politik der Hersteller verunsichert Verbraucher

Olivier Veyrier rechnet nicht mit einer schnellen Erholung in der Automobilbranche. «Die Leute haben das Geld, aber sie wissen nicht, was ihnen die Zukunft bringt», sagte der Deutschland-Chef von Peugeot der Netzeitung.

Olivier Veyrier glaubt nicht an eine Markterholung der Automobilindustrie in naher Zukunft. Der Geschäftsführer von Peugeot Deutschland sieht für 2005 zwar eine Verbesserung, «aber von Markterholung kann man nicht sprechen», sagte der 47-Jährige der Netzeitung.

Für die zögerliche Haltung der Kunden beim Autokauf macht Veyrier auch die Politik verantwortlich. «Die Leute haben eigentlich das Geld, aber sie wissen nicht, wie sich ihre Zukunft gestaltet. Deshalb warten sie ab.» Zugleich macht der Deutschland-Chef auch die Vertriebspolitik einiger Hersteller für die Kaufzurückhaltung verantwortlich. Sie führe zu einer Vereunsicherung des Kunden, «weil er abwartet, bis die Preise immer weiter fallen».

Dass immer mehr Hersteller die Rußpartikel-Technologie anwenden, freut Veyrier, dessen Unternehmen in diesem Bereich Trendsetter war. «Eine Innovation, die nicht kopiert wird, ist keine Innovation», so Veyrier. Während deutsche Unternehmen versuchen, Euro 4 auch ohne Filter zu erreichen, sei Peugeot bereits für «Euro 5 technisch bereit». Zudem werde Peugeot im kommenden Jahr ein Hybrid-Fahrzeug kombiniert mit einem Dieselmotor entwickeln, kündigte der Manager an.

Keine Markterholung in Sicht

Soll Marktanteil steigern: Der Peugeot 407 SW

Netzeitung: Der Absatzmarkt in Deutschland ist rückläufig, doch Peugeot peilt eine Verbesserung seines Marktanteils auf 4,3 Prozent an. Wieso glauben Sie, entgegen dem Markttrend wachsen zu können?

Olivier Veyrier: Aufgrund unserer Produktpolitik. Wir haben in diesem August den gleichen Marktanteil wie im Vorjahr, 3,9 Prozent. Wenn wir unsere neuen Produkte in großen Mengen bekommen, die 407 Limousine und der 407 SW, dann werden wir die Vier-Prozent-Hürde überschreiten.



Netzeitung: Die 4,3 Prozent werden Sie in diesem Jahr also nicht erreichen?

Veyrier: An 4,3 Prozent glaube ich heute nicht mehr, aber an 4,1 Prozent sicher.

Netzeitung: Der Verband der Automobilindustrie hatte bereits nach der IAA mit einer Markterholung gerechnet. Davon kann jedoch keine Rede sein. Rechnen Sie im kommenden Jahr mit einer deutlichen Erholung?

Veyrier: Ich glaube nicht daran. Ich glaube auch nicht daran, dass der Markt in diesem Jahr 3,2 Millionen verkaufte Fahrzeuge erreichen wird. Wir rechnen mit einem leichten Wachstum im Jahr 2005 mit ungefähr 3,3 Millionen. Aber von Markterholung kann man nicht sprechen.

Netzeitung: Woran liegt das?

Veyrier: Ich glaube ganz einfach, dass die Laune der Verbraucher nicht da ist. Zum anderen führt die Vertriebspolitik von einigen Herstellern dazu, dass der Kunde sich verunsichert fühlt, weil er abwartet, bis die Preise immer weiter fallen.

Netzeitung: Sie meinen die Rabattpolitik?

Veyrier: Ganz klar. Das ist wie im PC-Bereich. Wie bei den Computern wissen die Leute ganz einfach nicht, ob sie den richtigen Preis für ein Auto bezahlen. Darum bin ich davon überzeugt, dass die Ankurbelung des Marktes nur durch neue Produkteinführungen stattfinden kann.

Regierung muss positive Signale senden

Netzeitung: Aufgrund von Hartz IV gibt es einen wahren Proteststurm in der Bevölkerung, vor allem in Ostdeutschland. Kann sich der Automarkt denn überhaupt erholen, solange seitens der Politik keine klaren Signale bezüglich einer konjunkturellen Erholung gesendet werden?

Veyrier: Es gibt keine positiven Signale für den Kunden, damit sich seine Laune ändert und er mehr verbraucht. Die Leute haben eigentlich das Geld, aber sie wissen nicht, wie sich ihre Zukunft gestaltet. Deshalb warten sie ab.

Netzeitung: Was erwarten Sie persönlich von der Regierung?

Veyrier: Im Automobilbereich klare Regelungen. Man hat über Steuerbefreiungen geredet. Egal, ob sie stattfinden oder nicht: Der Kunde will genau wissen, wie viel wird ihm ein Auto kosten und welche Regeln er einzuhalten hat.

Gleicher Marktanteil in neuen Bundesländern

Netzeitung: Bundespräsident Horst Köhler hat gesagt, dass wir in Deutschland nicht einen vergleichbaren Standard halten können. Bemerken Sie einen Schnitt zwischen Westdeutschland und Ostdeutschland?

Veyrier: Die Nachfrage ist nicht die Gleiche in den neuen Bundesländern. Aber Peugeot hatte früher eine schwache Händlerstruktur im Osten. Das haben wir peu à peu ausgeglichen. Ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft den gleichen Marktanteil in den neuen Bundesländern haben wie in den alten Bundesländern. Allerdings mit einer Konsumstruktur, die völlig anders ist.

4,5 Prozent angestrebt

Der Peugeot 1007

Netzeitung: Ist Deutschland angesichts seiner hohen Personalkosten und seitens der Unternehmensverbände als zu starr erachteten Tarifverträge überhaupt noch konkurrenzfähig?

Veyrier: Das ist für uns keine Frage: Zum einen produzieren wir nicht in Deutschland. Zum anderen muss der Vertrieb ganz nah am Kunden sein. Und da ist für uns Deutschland als Standort gar keine Frage. Wir müssen unbedingt in Deutschland angesiedelt sein.

Man sollte auch nicht die Arbeitskosten überschätzen. Die Kosten eines Autos liegen auch bei der Logistik und der Nähe zwischen dem Kunden und uns. Auch sollte man nicht zu schwarz sehen: Jedes Land hat seine eigenen Trümpfe. Und auch Deutschland hat seine eigenen Trümpfe. Deutschland ist europaweit immerhin das größte Verbraucherland.

Netzeitung: Die Steigerung des Marktanteils haben wir bereits angesprochen, doch wie sehen darüber hinausgehend die Ziele Ihres Hauses aus?

Veyrier: Im kommenden Jahr wollen wir mit drei neuen Produkten sowie Facelifts und neuen Motoren 4,5 Prozent Marktanteil erreichen. Die neuen Modelle sind der 107, 1007 und 407 Coupé.

In China rentabel wachsen

Erfolgsmodell Peugeot 206

Netzeitung: Der 107 soll in Zukunft den 206 ablösen. Wie sinnvoll ist es, seinem eigenem Erfolgsmodell Konkurrenz zu machen?

Veyrier: Wir peilen noch ein sehr langes Leben für den 206 an. Der 107 wird keine Konkurrenz sein. Er wird deutlich unter der 9.000 Euro-Marke sein. Der 206 fängt derzeit bei 9.890 Euro an.

Netzeitung: China gilt schlechthin als der Wachstumsmarkt. Welche Rolle spielt dieses Land in Ihrer Strategie?

Veyrier: Wir haben vor ein paar Monaten die neue 307-Limousine eingeführt. Wir wollen peu à peu rentabel wachsen. Die Aussichten sind sehr gut.

Netzeitung: Treten Sie nur mit dem 307 in China an?

Veyrier: Bisher haben wir nur die 307 Limousine. Diese Version ist in Europa nicht bekannt. Wir werden auch in der Zukunft andere Modelle einführen. Aber es ist zu früh, darüber jetzt zu reden.

Diesel bei Kleinwagen selten gewünscht

Dieselmotoren ab 100 PS sind serienmäßig mit Partikelfilter ausgestattet

Netzeitung: Peugeot hat selbst für einige Verwirrung gesorgt. Ihr Markenvorstand Frederic Saint-Geours hatte in einem Interview erst gesagt, dass er nur Modell ab 100 PS mit Partikelfilter ausrüsten will, jetzt sollen alle Modelle damit ausgestattet werden. Was stimmt denn nun?

Veyrier: Wir schließen nicht aus, dass wir andere Motoren mit weniger Leistung mit einem Rußpartikelfilter ausstatten, wenn die Nachfrage da ist und wenn die Regelungen klarer werden.

Netzeitung: Sie hatten aber auch gesagt, dass sich ein Einbau des Filters bei kleineren Modellen aufgrund des Preises von ca. 500 Euro Aufpreis nicht lohne.

Veyrier: Das stimmt. Aber, wenn die Nachfrage es verlangt, werden wir es tun. Technisch sind wir bereit. Aber wir spüren derzeit nicht, dass die Nachfrage so groß ist. Im Kleinwagensegment liegt der Dieselanteil bei lediglich bei 10 Prozent.

Filter in Frankreich kein Kaufargument

Erstes Fahrzeug mit Partikelfilter: Der Peugeot 307

Netzeitung: Gibt es Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich bezüglich der Nachfrage von Partikelfiltern?

Veyrier: Rußpartikelfilter haben nicht eine so große Resonanz in Frankreich wie in Deutschland, aber die Motoren sind die gleichen. Wenn wir also in Deutschland ein Auto mit Filter verkaufen, ist das gleiche Modell auch in Frankreich mit der neuen Technologie ausgestattet. Und de facto verkaufen wir mehr Rußpartikelfilter in Frankreich, weil die Nachfrage nach Dieselmotoren stärker ist. Aber das Argument Rußpartikelfilter ist in Frankreich nicht so stark. Verkaufsargument in Frankreich ist der Dieselmotor. Der Prozentsatz an Modellen mit Dieselaggregat liegt - ähnlich wie in Deutschland - bei knapp 60 Prozent.

Netzeitung: Worin sehen Sie die Gründe, dass sich so viele Kunden für Dieselmotoren entscheiden?

Veyrier: Jeder, der sein Vermögen auf gutem Niveau behalten möchte, entscheidet sich leichter für einen Diesel als für einen Benziner. Zweites Argument ist die Reichweite. Mit einem Diesel können sie heute bis über 1000 Kilometer mit einem Tank fahren. Ein drittes Argument ist der Verbrauch. Ein Diesel verbraucht weniger und ist auch im Stadtverkehr nicht so sensibel wie ein Benziner. Last but not least kommt der Wiederverkaufswert hinzu. Der Diesel ist zu Anfang teurer, lässt sich aber zwei, drei Jahre später leichter auf dem Gebrauchtwagenmarkt wieder verkaufen.

Technisch für Euro 5 bereit

Olivier Veyrier mit Finanzminister Hans Eichel

Netzeitung: Wie erklären Sie sich, dass gerade Ihre Mitbewerber wie beispielsweise VW den Trend zum Partikelfilter verschlafen haben und erst jetzt zögerlich diese Technologie anbieten?

Veyrier (lacht): VW sollte diese Frage beantworten. Ich kann nicht für VW antworten. Wir freuen uns, dass die Konkurrenz die Rußpartikelfilter-Technologie als eine gute Technologie anerkennt. Wir sagen bei uns im Haus: Eine Innovation, die nicht kopiert wird, ist keine Innovation. In diesem Sinne freuen wir uns, dass die Konkurrenz auch in unserem Bereich auftritt.

Netzeitung: Was sagen Sie zu Aussagen wie der von VW-Chef Pieschetsrieder, der immer wieder betont hat, dass man auf innermotorische Maßnahmen zur Reduktion der Partikelemissionen setzt und damit die Euro 4-Norm auch ohne Filter erreicht hat?

Veyrier: Wir warten auf Euro 5. Da müssen wir so schnell wie möglich eine Antwort erhalten, damit wir wissen, wo die Reise hingeht.

Netzeitung: Wenn Euro 5 kommt, müsste Peugeot dann die Technologie auch wieder umgestalten?

Veyrier: Wir wissen schon, dass wir auf technischer Ebene die 2,5 Milligramm -Grenze erreichen können. Das kostet etwas, aber technisch sind wir bereit.

Beste Lösung: Hybrid mit Diesel

Netzeitung: Wie sieht überhaupt die Zukunft der Antriebsaggregate aus. In Frankreich bietet jede Tankstelle Autogas, die ersten Hybrid-Motoren fahren auf den Straßen, an der Brennstoffzelle wird gearbeitet. Welche Technologie wird sich Ihrer Meinung nach durchsetzen?

Veyrier: Wir sehen keine Zukunft für die Brennstoffzelle in den kommenden 15 bis 20 Jahren. Wir sind der Meinung, dass die beste Lösung eine Kombination aus Dieselaggregaten und Hybridmotor wäre. Nächstes Jahr werden wir ein Experiment mit dieser Kombination in Großbritannien mit einem Partner beginnen. Dann werden wir entscheiden, ob wir weiter in diese Richtung gehen. Aber schon unsere neueste Diesel-Technologie, die mit dem System 'Start und Stop' kombiniert werden, werden für viel weniger Geld die gleichen Ergebnisse erzielen wie Hybridmotoren, die mit Benzinaggregaten kombiniert sind.

Netzeitung: Nach den großen Ausstellungen blieb die große Nachfrage aus. Wo liegt eigentlich noch der Sinn der Autosalons?

Veyrier: Es ist sehr wichtig, diese Neuheiten auszustellen. Ich glaube, dass der Kauf eines Autos emotional bleibt. Wir müssen das Auto feiern, egal, ob in Frankfurt, Genf oder Paris. Das ist die beste Richtung. Wir können nur den Markt beleben, wenn der Kunde sieht, dass wir in den Bereichen Design oder Technologie etwas Neues anbieten. Und dass der Kunde sieht, dass die Preise stimmen. Und wenn die Preise stimmen, braucht man keine promotionale Maßnahmen mehr.

Das Interview mit Olivier Veyrier führte Thomas Flehmer

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