«China ist für uns zweiter Heimatmarkt»

Audi wird den A3 auch in Zukunft in Ingolstadt produzieren. Für den Boommarkt China erwartet Audi-Vorstand Ralph Weyler mittelfristig «eine Verdoppelung bis Verdreifachung» der heutigen Absatzzahlen, wie er der Autogazette sagte.

Audi wird das elfte Jahr in Serie mit Rekordzahlen abschließen. «Wir wollen in diesem Jahr 890.000 Fahrzeuge verkaufen, was einem Wachstum von rund 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Wir werden in den nächsten Monaten noch einmal an Dynamik zulegen. Das liegt auf der einen Seite an dem neu eingeführten TT, an dem sensationell gut laufendem A3 und der hohen Nachfrage nach dem Q7», sagte Audi-Vorstand Ralph Weyler. Im Interview mit der Autogazette äußerte sich Weyler, der bei dem Ingolstädter Autobauer den Vertrieb und das Marketing verantwortet, unter anderem zum Boommarkt China und dem Produktionsstandort des A3.

Diesel statt Hybrid

Autogazette: Herr Weyler, Audi hat den Autosalon in Paris wieder zur Leistungsschau genutzt und den 420 PS starken R8 vorgestellt. Was man jedoch vermisst, sind alternative Antriebe. Hat der Konzern das Thema verschlafen?

Ralph Weyler: Nein, keineswegs. Wir werden ja den Audi Q7 mit Hybrid auf den Markt bringen. Doch man muss sich anschauen, was der Markt will. Es ist ja nicht so, dass die Menschen das Thema Verbrauchsreduzierung beziehungsweise Ressourcenschonung nicht ernsthaft in ihre Überlegungen einbeziehen und nur High-Performance-Fahrzeuge wollen. Ganz im Gegenteil, deshalb haben wir bereits heute einen großen Dieselanteil in unserer Produktpalette. Sie können bei uns von einem A3 bis zu einem A8 mit 8-Zylinder-Diesel eine breite Fahrzeugpalette erhalten. Den A3 mit der 1,9-Liter-TDI-Maschine können Sie unter fünf Liter fahren. Doch ohne Frage ist Paris auch eine Leistungsschau: man zeigt, was man kann.

Autogazette: Wann werden Sie den Q7 mit Hybridantrieb bringen?

Weyler: Er wird 2008 kommen.

Autogazette: Muss sich Audi den Vorwurf gefallen lassen, dass das Thema Hybrid zu spät erkannt wurde?

Weyler: Natürlich sollte man immer bestmöglich aufgestellt sein und das im Portfolio haben, was der Markt nachfragt. Doch es gibt nun einmal noch ein paar andere Unternehmen und einen Wettbewerb bei technologischen Konzepten. Von daher ist es normal, dass sich Japaner, die das Dieselthema lange komplett vernachlässigt hatten eher auf das Thema Hybrid konzentrierten. Die Europäer - und hier allen voran Audi und VW - haben sich auf die Weiterentwicklung des Diesels und den Turbodiesel fokussiert - und das mit großem Erfolg. Von daher haben wir nichts verschlafen, sondern lediglich andere Prioritäten gesetzt. Das Thema Diesel ist nach wie vor immer noch nicht ausgeschöpft.

US-Markt vor Trendwende

Der Audi R10 Foto: Werk

Autogazette: Auch mit Blick auf den US-Markt....

Weyler:....natürlich! Viele sagen nach wie vor, dass das Thema Diesel auf dem US-Markt keine Rolle spielt. Doch das ist falsch - es wird zukünftig eine größere Rolle spielen. Die Amerikaner wenden sich all dem zu, was den Verbrauch senkt. So werden verbrauchsarme Fahrzeuge nachgefragt und vor allem nicht mehr so große und schwere Pick-Ups gekauft.

Autogazette: Stellen Sie einen signifikanten Trend hin zum Diesel in den USA fest?

Weyler: Ja, bei unseren Kollegen von Volkswagen ist feststellbar, dass der Jetta mit Dieselmotor sehr stark nachgefragt wird. Natürlich ist der Gesamtmarkt, das muss man konstatieren, weiterhin noch sehr klein. Doch das wird nicht so bleiben. VW verkauft bereits Diesel, Mercedes kommt mit dem Bluetec, BMW wird auch kommen. Wir haben den Diesel in den USA bei der Rennserie Amercian Le Mans positioniert und mit dem Sieg unseres R10 mit 12-Zylinder-TDI einen großen Erfolg erzielt. Nicht nur für Audi und den R10, sondern gerade auch für den Dieselmotor, seine Leistungsfähigkeit, seine Laufruhe, seinen niedrigen Verbrauch und die niedrigen Emissionen.

Elftes Rekordjahr in Folge

Der neue Audi TT Foto: Werk

Autogazette: Von Stagnation kann bei Audi keine Rede sein. Wird das Unternehmen in 2006 den elften Rekordabsatz hinlegen?

Weyler: Mit Sicherheit.

Autogazette: Und das bedeutet in reinen Absatzzahlen ausgedrückt was?

Weyler: Wir wollen in diesem Jahr 890.000 Fahrzeuge verkaufen, was einem Wachstum von rund 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Wir werden in den nächsten Monaten noch einmal an Dynamik zulegen. Das liegt auf der einen Seite an dem neu eingeführten TT, an dem sensationell gut laufendem A3 und der hohen Nachfrage nach dem Q7. Darüber hinaus verzeichnen wir auf verschiedenen Märkten, wie beispielsweise in China, eine hohe Dynamik. Wir sind auch mit dem A6 sehr zufrieden, mit dem wir Weltmarktführer in diesem Segment noch vor BMW und Mercedes sind. Dynamik also auf allen Märkten mit allen Modellen.

Autogazette: Absatzzahlen sind das eine, Umsatz und Gewinn das andere. Wird man auch hier zulegen?

Weyler: Wenn Umsatz und Gewinn nicht mit dem Absatz Schritt halten würden, würden wir etwas falsch machen. Wir können unsere Fahrzeuge ausgesprochen werthaltig und mit stetig steigenden Mehrausstattungen verkaufen. Ein Q7 wird beispielsweise besonders mit gehobener Ausstattung nachgefragt. Wir sprechen hier dann von 70.000 bis 80.000 Euro pro Fahrzeug. Zudem können wir uns über ein ausgesprochen gut laufendes China-Geschäft freuen und haben in den ersten drei Quartalen diesen Jahres in 41 Märkten neue Absatzrekorde erzielen können..

Von Steigerung in China nicht überrascht

Der Audi A8 Foto: Press-Inform

Autogazette: Mit welchem Auto verdient Audi das meiste Geld, mit dem A8?

Weyler: Wir geben keine Informationen über Deckungsbeiträge nach außen. Doch das wir mit einem A8 mehr verdienen als mit einem A4 ist klar.

Autogazette: Sie haben China bereits angesprochen, wo sie mit 52.100 Fahrzeugen in den ersten acht Monaten des Jahres ein Wachstum von 74 Prozent erzielen konnten. Hat Sie diese enorme Steigerung überrascht?

Weyler: Überrascht nicht. Wenn wir überrascht worden wären, hätten wir diese Stückzahlen nicht liefern können. Dass es so kommt, ist natürlich sehr erfreulich. Und das nicht nur mit Blick auf den A6, dessen Vorgängermodell bereits sehr gut lief. Auch der A4 läuft sehr gut. Das ist deshalb so erfreulich, weil der chinesische Markt bisher ein Chauffeurmarkt war. Jetzt gelingt es uns jedoch, mehr jüngere Menschen aus der nachwachsenden Business-Elite als Kunden zu gewinnen.

Autogazette: Derzeit laufen also der A6 und der A4 am besten?

Weyler: Ja, aber auch der A8 und der Q7 werden sehr stark nachgefragt. Wir haben seit Beginn des Jahres eine Vereinbarung mit unserem Joint-Venture-Partner, nach der auch die Händler, die bisher nur lokal produzierte Fahrzeuge verkaufen konnten, nun auch importierte Fahrzeuge ins Programm genommen haben. Dadurch hat sich unser Händlernetz für importierte Fahrzeuge wie den A8 und den Q7 mit einem Schlag von vormals 10 auf 120 Betriebe ausgeweitet.

Zweiter Heimatmarkt

Der Audi Q7 Foto: Werk

Autogazette: Welche Absatzerwartungen haben Sie mittelfristig für China, also in den nächsten fünf Jahren?

Weyler: China ist für uns zu einem zweiten Heimatmarkt geworden. Von daher stellen wir uns mittelfristig vor, dass wir dort zwischen 160.000 bis 240.000 Fahrzeuge pro Jahr verkaufen können, also eine Verdopplung bis Verdreifachung gegenüber den heutigen Zahlen.

Autogazette: Was sind für Sie neben China die Märkte, wo Audi mit ähnlichen boomenden Absatzzahlen rechnen kann, beispielsweise Indien oder Russland?

Weyler: In Russland haben wir ein stürmisches Wachstum. Allein in diesem Jahr werden wir dort 9000 Fahrzeuge verkaufen. Vor ein paar Jahren waren es gerade einmal 2000 bis 3000 Einheiten, die wir dort auf den Markt brachten. Wir verzeichnen dort große Quantensprünge und sind insbesondere im Hochpreisgeschäft mit A8 und Q7 gut aufgestellt. Wir bauen unsere Handelsorganisation bis Wladiwostok aus und sind damit landesweit präsent.

Blühende Zukunft in Asien

Der neue Audi R8 Foto: Werk

Autogazette: Und weitere Märkte?

Weyler: Sicherlich Südkorea, der Mittlere Osten oder auch der mittel- und osteuropäische Markt. Auch Indien wird wachsen. Wir sind dort gerade dabei, eine Nationale Sales Company aufzubauen. Wir werden uns auch auf eine Produktion vorbereiten.

Autogazette: Ist Indien der wichtigste Markt?

Weyler: Natürlich herrscht dort eine enorme Dynamik, doch das wird noch dauern. In den nächsten fünf Jahren wird man dort eine hohe prozentuale Dynamik haben, aber eine niedrige mit Blick auf die absoluten Absatzzahlen. Doch man muss dabei sein. Das war bei der Entwicklung des Premiummarktes in China nicht anders. Das waren am Anfang auch niedrige Volumina.

A3 bleibt in Ingolstadt

Bleibt in Ingolstadt: Der Audi A3 Foto: Werk

Autogazette: Sie sprachen den A3 an, von dem kürzlich der 1,5-millionste vom Band gelaufen ist. Wie lange wird er denn noch in Ingolstadt produziert?

Weyler: Wenn Sie darauf abzielen, ob wir außerhalb unserer eigenen Audi-Werke den A3 produzieren lassen, dann ist das kein Thema. Der A3 wird weiter in Ingolstadt produziert werden.

Autogazette: Da interessiert es Sie auch nicht, dass Porsche-Chef Wendelin Wiedeking als größter Shareholder sagt, er sei mit der Auslastung des Stammwerkes in Wolfsburg nicht zufrieden?

Weyler: Die Kollegen bei Volkswagen lösen ihre Aufgaben auf ihre Art, sie werden sicher ein zusätzliches Potential für den Standort Wolfsburg finden.

Autogazette: Wird die Mehrwertsteuererhöhung zum Ende des Jahres hin zu einem Anstieg der Absätze führen?

Weyler: Hier geht es primär um den Privatkunden, den Geschäftskunden oder Selbstständigen interessiert dies nicht so sehr, da hier die Mehrwertsteuer ein durchlaufender Posten ist. Doch generell muss man sehen, dass dem gesamten Markt Kaufkraft entzogen wird und daher haben wir auf jeden Fall Effekte. Wenn diese Effekte beim Wirtschaftsgut Auto wirklich stark wären, müssten die Auftragseingänge jetzt explodieren, doch davon kann keine Rede sein. Man kauft sich nicht mal so eben ein Auto für 25. bis 30.000 Euro. Wir haben zwar einen guten Auftragseingang, aber nicht wegen der Mehrwertsteuererhöhung.

Gutes Großkundengeschäft

Autogazette: Audi hat einen Anteil von 40 Prozent Privatkunden zu 60 Prozent Geschäftskunden. Sind Sie mit dieser Verteilung zufrieden?

Weyler: Oftmals hört man die falsche Meinung, dass das Großkundengeschäft ein ertragsschwaches Geschäft sei. Doch wir verstehen darunter beispielsweise Mitarbeiter von großen Unternehmen, die die Berechtigung haben, ein Firmenfahrzeug auf Unternehmenskosten zu kaufen oder den selbstständigen Arzt oder Rechtsanwalt, der sein Fahrzeug auch beruflich nutzt. Dieses Großkundengeschäft ist ein gutes und ertragsreiches Geschäft. Das Geschäft, über das oft diskutiert wird, ist das Mietwagengeschäft. Wenn man dort große Mengen in den Markt drücken wollte, dann müsste man es mit Bedacht tun. Auch wir machen Geschäfte mit Mietwagen-Verleihern, weil wir denken, dass das eine glänzende Gelegenheit zur «Probefahrt» ist und viele Autofahrer mit unseren Produkten in Kontakt bringt. Doch nach Ablauf der Einsatzzeit kommen diese Autos zu uns zurück, denn wir verkaufen diese Fahrzeuge mit einer Rücknahmegarantie. Doch wir passen hier genau auf, dass für uns am Ende das Geschäft stimmt.

Das Interview mit Ralph Weyler führte Frank Mertens

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