Reich trifft arm

Die Stände der Hersteller

In der einen Ecke der Messehalle jubeln hunderte von Besuchern Audi-Chef Rupert Stadler und Justin Timberlake entgegen. 250 Meter weiter herrscht am Stand von Saab und Mitsubishi gähnende Leere. Der 80. Genfer Salon ist eine Messe der Gegensätze.

Von Stefan Grundhoff

Der renommierte Automobilsalon in Wurfweite des Genfer Flughafens hat gerade erst seine Türen geöffnet, da strahlt das Opel-Messeteam mit den gleißend hellen Deckenscheinwerfern um die Wette. General Motors will 1,9 Milliarden in die Marke Opel stecken. Wer interessiert sich da noch für den schmucken Meriva und die sehenswerte Studie des GT/E Flextreme? Ein Auftakt nach Maß auf der diesmal wohl wichtigsten Automesse des Jahres – für Opel sowieso. Doch GM-Milliarden hin und Steuergelder her - die Schere zwischen einzelnen Herstellern geht immer weiter auseinander. Nirgends sieht man das deutlicher als auf dem Genfer Automobilsalon.

Drei-Klassen-Gesellschaft

Die Stimmung im Messezentrum Palexpo ist besser als bei den weltweiten Veranstaltungen der letzten zwei Jahre. Niemand jubelt, aber es geht spürbar wieder aufwärts nach einem Jahr der Entbehrungen. Zwar wird 2010 weltweit betrachtet für die meisten Hersteller kaum viel besser als das Vorjahr werden; aber die Talsohle sehen die meisten Genf-Aussteller von A wie Alfa Romeo bis Z wie Zagato erreicht. Doch wie bei kaum einer Messe zuvor bildet sich eine Drei-Klassen-Gesellschaft heraus. Die Unterschiede in der Außendarstellung sind gigantisch.

In der Klasse eins ist an sich kaum mehr als der Volkswagen-Konzern zu finden. Die Seriensieger aus Wolfsburg machen derzeit scheinbar alles richtig. Markenaufteilung, Produkte, Design, Budget und Technologie sind den meisten Konkurrenten weit voraus – das Selbstbewusstsein sowieso. Das gefällt den Verantwortlichen im Hause Volkswagen, deren Mitarbeiter nicht zuletzt wegen der Konzernheimat im wenig ansehnlichen Niemandsland von Niedersachsen belächelt wurden. Richtung München, Köln, Frankfurt oder Stuttgart stehen die Wolfsburger mit einem breiten Lächeln da. Nicht erst, seitdem der lokale Fußballverein im vergangenen Jahr deutscher Meister wurde – nicht zuletzt mit tatkräftiger Unterstützung von Hauptsponsor VW.

Popstars als Anziehungspunkte

Hübsche Anblicke beim Skoda Foto: Autosalon Genf

Auch in der Schweizer Metropole haut der Volkswagen-Konzern mächtig auf den Putz und regiert in einer eigenen, ersten Klasse. Wer die Messestände von ehemals ähnlich positionierten Volumenmarken wie VW und Opel vergleicht, dem tränen nicht nur auf dem Messegelände Palexpo die Augen. Während es bei Opel mit ein paar eng gedrängten Ausstellungsfahrzeugen und dem Messe-Evergreen Ampera vergleichsweise zurückhaltend zugeht, strahlt der VW-Stand rund 150 Meter gegenüber so sehr, dass man sich als Besucher fast die Sonnenbrille aufsetzen muss. Dabei sind Stand und Messeauftritt der Wolfsburger nur der zweite Aufguss. Die echte Party hat Volkswagen mit allen seinen Konzernmarken bereits am Vorabend des Automobilsalons gefeiert. Als die Genfer Messeführung vor Jahren muckte und den VW-Marken nicht die besten Präsentationszeiten zusichern wollte, organisierten die Niedersachsen ihre eigene kleine Messe. Die konzerneigene Leistungsschau in einer großen Halle - rund einen Kilometer vom Genfer See entfernt - erscheint seither wie eine eigene, längst nicht kleine Messe. Wer erinnert sich nicht an Motorama, den automobilen Wanderzirkus von General Motors in den 50er und 60er Jahren?

Nicht ganz unabsichtlich dreht die Volkswagen-Gruppe den Fremdfabrikaten gerade mit kostenintensiven Messen und Events eine schmerzhafte Nase. Mercedes und BMW stehen allenfalls in Klasse 1b, können sich mit durchaus ansehnlichen Messeständen noch ganz redlich aus der Affäre ziehen, aber danach sieht es zumeist düster aus. Zu allem Überfluss belassen es Konzernmarken wie VW, Audi, Seat, Skoda, Porsche oder Lamborghini kaum bei dem imageträchtigen Vorab-Event und imposantesten Messeständen. Der ein oder andere Star bringt einen Messeauftritt schließlich noch mehr zum Strahlen. Lässt es Porsche mit der Rallye-Legende Walter Röhrl im 918 Spyder noch recht dezent angehen, schaut Shakira singend und die Hüften schwingend bei Seat vorbei und Überflieger Audi geht einmal mehr in die Vollen. Popstar Justin Timberlake fährt zusammen mit Rupert Stadler im neuen A1 auf die Bühne. Kein Wunder, dass angesichts eines avisierten Kurz-Auftritts des Teeniestars die meisten anderen Stände während der Audi-Pressekonferenz verwaist waren. Hunderte von ebenso schönen wie schmuckvoll ausstaffierte Hostessen verließen panisch den sicheren Arbeitsplatz, um einen Blick auf den US-Sänger zu erhaschen. Leider lächelte dieser nur gewohnt spitzbübisch; verzichtete jedoch auf einen erhofften Gesangsauftritt. Nicht zum ersten Mal holten Marken wie VW oder Audi einen Megastar auf eine Autoshow. Pink, Brian Adams oder Seal sind nur einige, die die Markenlogos noch tiefer in die Wunden der taumelnden Konkurrenz bohren. Das erinnert an alte Daimler-Zeiten.

Miniwood am Lac Leman

Originelle Marketing-Aktion von Mini Foto: press-inform

Die Gegenwehr der anderen Firmen in der zweiten Liga ist gering – zumeist gar nicht vorhanden. Eine Ausnahme ist noch BMW-Ableger Mini. Die Trendmarke macht auf den Automobilmessen dieser Welt seit Jahren eine kleine, aber feine Figur. So auch in Genf mit dem gewohnt schwarz-weißen Messearrangement rund um den neuen Mini Countryman. Es geht eben auch einfallsreich. Zeitgleich mit der Premiere des neuen Mini-SUV gibt es am Lac Leman eine ungewöhnliche Marketingaktion. Mini holt Hollywood nach Genf. Die überdimensionale Projektion eines „MINIWOOD“-Schriftzugs am Mont Salève auf französischem Boden ist mit eine Höhe von 30 Meter und einer Breite von knapp 200 Metern pfiffig und eindrucksvoll. In der Abenddämmerung ist sie hoch über dem Genfer See kilometerweit sichtbar. Nett gemacht – ohne Millionen auszugeben.

Trotzdem - das, was der Volkswagen-Konzern in Genf bietet, davon können andere Hersteller nur träumen. Eben eine völlig eigene Liga. Das sieht bei den Marken in der zweiten Reihe wie Seat oder Skoda übrigens kaum anders aus. Auch hier sind die Stände groß genug und luftig gestaltet, damit die Messehighlights stilecht in Szene gesetzt sind. Dagegen sehen selbst die Auftritte von automobilen Schwergewichten wie Toyota / Lexus, Ford oder Peugeot / Citroen kaum besser aus als eine kurzfristig anberaumte Vorort-Veranstaltung, bei der als Höhepunkt der lokale Bezirksvorsteher vorbeischaut. Eine kleine Bühne, gequält lächelnde Hostessen und plakative Schriftzüge sind heutzutage einfach zu wenig. Gerade wenn andere auf der großen Bühne tanzen, jonglieren und Feuer speien.

Die nächste Messe kommt bestimmt

In der dritten Klasse geht es noch schlimmer. Denn wenn sich die wirtschaftliche Lage in den nächsten Jahren nicht grundlegend verbessert, dürften einige Autohersteller komplett außen vor bleiben. Auf immer mehr weltweiten Topmessen gibt es Lücken bei der Standvergabe. Selbst etablierte und wichtige Volumenhersteller wie Nissan, Mitsubishi oder Honda ließen in der Vergangenheit große Messen ausfallen – Sparmaßnahmen. Das könnte für den ein oder anderen Hersteller langfristig verheerende Auswirkungen haben – gerade weil zumeist zeitgleich das Marketing zurückgefahren wird. Abschreckende Beispiele gibt es genug. Derweil warten viele in der eigenen Höhle, dass der VW-Konzern einen Fehler macht. Sieht derzeit jedoch nicht so aus. Die nächste Messe kommt schon Ende April – in Peking. Volkswagen ist hier übrigens Autohersteller Nummer eins. Mal sehen, wer dann singt.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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