VW wieder hart auf Piech-Kurs

Der geschasste VW-Markenvorstand Wolfgang Bernhard war auf der Bilanz-Pressekonferenz bereits Geschichte. Die Ernte fährt nun Martin Winterkorn ein, die Saat scheint aber immer noch ein anderer zu legen.

Von Kai Makus

Im zurückliegenden Jahr hat sich bei VW viel geändert: Porsche übt als neuer Großaktionär de facto die Kontrolle aus und hat den Einfluss des Landes Niedersachsen zurückgedrängt. Der finanzielle Abwärtstrend wurde nicht nur gestoppt, sondern in Teilen sogar umgekehrt. Der Absatz des Autoherstellers

wuchs zugleich ebenso kräftig wie der VW-Anteil an den wichtigsten Märkten. Und ein runderneuertes, wenn auch angesichts offener Personalfragen noch nicht ganz vollständiges Management steht an der Spitze des Vorstandes, der an diesem Freitag zur Bilanz-Pressekonferenz auf dem Podium Platz nimmt.

Dass das Jahrestreffen mit der Presse erstmals im Kundenzentrum der Wolfsburger Autostadt stattfindet, soll durchaus «symbolische Bedeutung» haben, stellt der neue Vorstandschef Martin Winterkorn klar. Er meint damit zwar die Bedeutung, die die Kunden für den Autohersteller haben sollen. Recht hat er aber vor allem deswegen, weil der Ortswechsel weg vom eigentlichen Werksgelände ins Bild passt: Ferdinand Piech hat die Macht in Wolfsburg nicht nur gegen alle Anfeindungen verteidigt - er sitzt fester im Sattel als je zuvor. Sein Name fällt zwar nicht ein einziges Mal. Dennoch scheint der langjährige Vorstandschef und Chef-Kontrolleur scheinbar präsent.

Die Autostadt ist Piechs Kind

Passend ist das Symbol, weil es Piech war, unter dessen Ägide entlang des Kanalufers am Firmensitz die Autostadt errichtet wurde, zu der auch das Kundenzentrum gehört. Unter seinem inzwischen von ihm zu Gunsten Winterkorns geschassten Nachfolger Bernd Pischetsrieder war das Projekt eher unbeliebt: Es kostete viel Geld für einen zweifelhaften Imagegewinn. Geld, das der Konzern angesichts einer eher schwachen Autokonjunktur und hohen Kosten nicht hatte.

Und noch ein Symbolwert weist Kommunikationschef Stephan Grühsem dem Standortwechsel zu: Die Glasfassade des Gebäudes und der Blick auf das schöne Wetter sei so «hell und freundlich» wie die Stimmung im Unternehmen - zweifelhaft angesichts des noch weit gehend ausstehenden Abbaus von 20.000 Stellen, die in den kommenden Jahren verschwinden sollen.

Koketterie mit Minz-Pastille

Die Vorstandsriege auf dem Podium verbreitet diese Botschaft rein optisch zumindest nur eingeschränkt: Als der übliche Fototermin vorbei ist, wirken die Gesichter der Manager eher angestrengt als fröhlich. Personalvorstand Horst Neumann etwa sieht stets ein bisschen magenkrank aus, so als müsste er jeden einzelnen Arbeitsplatz persönlich abbauen. Auch sein Chef Winterkorn wirkt eher nervös: Zwar gilt wie üblich das «gesprochene Wort». Dennoch liest er die schriftliche Vorlage mit seiner sonoren Bass-Stimme wortwörtlich ab, so als wollte er auf gar keinen Fall einen Fehler machen.

Etwas lockerer wird Winterkorn erst später, als Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch die Zahlen detailliert wie immer erläutert. Er steckt sich eine Minz-Pastille in den Mund und kokettiert sogar ein bisschen mit den Fotografen vor dem Podium, wenn er die Zunge leicht herausstreckt und kreisen lässt. Richtig lachen kann er aber erst, als aus dem Saal die Frage kommt, ob der noch gesuchte neue Vertriebsvorstand möglicherweise unter den Anwesenden sei: Wenn dem so wäre, könne er sich ja melden, entgegnet Winterkorn schlagfertig.

Schlagfertigkeit schadet nicht

Ex-Chef der Kernmarke VW, Wolfgang Bernhard Foto: dpa

Schlagfertig auch seine Antwort, wie er es denn mit dem Einstieg von Porsche

halte. «Hat dem Unternehmen nicht geschadet», gibt Winterkorn knapp zurück. Aus seiner Sicht eine nahe liegende Antwort - hat der Coup doch ihn an die Spitze des Vorstands gebracht und nicht seinen Rivalen Wolfgang Bernhard. Den früheren VW-Markenchef hatte Pischetsrieder an das Unternehmen binden wollen, indem er ihn inoffiziell zum Kronprinzen machte.

An Bernhard erinnert Winterkorn unfreiwillig, wenn er die Augenlider zusammenkneift und starr nach vorne blickt. Der Ex-Manager von DaimlerChrysler

gab sich so häufig einen scharfen, stechenden Blick, wenn Kameras in der Nähe waren. Das sollte wohl sein Image als harter Sanierer unterstreichen.

Kein Saniererblick von Winterkorn

Winterkorn kriegt diesen Saniererblick allerdings nicht hin. Vielleicht liegt es an der Brille mit dem dünnen Goldrand, die er erst abnimmt, als er nach Ende der Veranstaltung für seine Statements vor die Kameras der TV-Sender tritt. Grund dafür, dass der Vorstandschef bei dem Versuch eher genervt als hart wirkt, ist aber eher seine Angewohnheit, den Kopf dabei etwas nach hinten zu neigen und das Kinn mit leicht hängenden Mundwinkeln vorzustrecken.

Richtig aus sich heraus zu kommen scheint Winterkorn erst, als die Rede auf ein weiteres Lieblingsprojekt seines Ziehvaters Piech kommt: «Der Phaeton-Nachfolger hat für mich hohe Priorität», sagt er - trotz der finanziellen Katastrophe mit dem Luxus-Flop und der aktuellen Debatte um Spritverbrauch und CO2-Ausstoß.

Putin grüßt Wolfsburg

So wie Winterkorns Augen dabei leuchten, scheint er sich jetzt schon auf den Nachfolger zu freuen. Unterstützt wird das vom Personalwechsel. Nicht umsonst hat Winterkorn alle wichtigen Positionen mit Vertrauten besetzt, die er von der Konzerntochter Audi aus Ingolstadt in die Zentrale nach Wolfsburg mitgebracht hat - allen voran der neue Produktionsvorstand Jochen Heizmann, aber auch viele Mitarbeiter etwa der Kommunikationsabteilung.

Das erinnert an etwas, was sich der putinschen Machtvertikale in Russland durchaus annähern könnte. Nur dass bei VW nicht ein Präsident, sondern ein Aufsichtsratsvorsitzender das Regiment führt. Es mag sich viel verändert haben im letzten Jahr in Wolfsburg. Eins ist aber gleich geblieben: Den Kurs von VW gibt allein Ferdinand Piech vor - nur sitzt er eben noch fester im Sattel als je zuvor.

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