Mit dem Auslaufen des offenen T-Roc geht die lange Cabrio-Tradition bei VW zu Ende. Obdachlose Nachfolger sind derzeit nicht in Sicht.
Als das Auto erfunden wurde, stand es oben ohne da. Das Automobil kam einst als Cabriolet mit zumeist dürftigem Wetterschutz auf die Welt. Viele Jahre zählten die offenen Schönheiten wie selbstverständlich zum Inventar jedes großen Herstellers. Doch der Wind hat sich gedreht. 2023 wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) deutschlandweit gerade noch 51.984 Cabrios neu zugelassen. In der Blütezeit 2008 lag die Zahl bei 131.329.
Laut „Spiegel“ geht das Cabrio-Sterben weiter. Im nächsten Jahr soll mit dem offenen VW T-Roc Deutschlands zweitbeliebteste Cabrio (8449 Neuzulassungen 2023) in Rente geschickt werden. Der deutlich höhere Aufwand bei geringen Stückzahlen lohnt sich für einen Massenhersteller einfach nicht mehr. Einen Nachfolger soll es nicht geben. Damit endet beim größten deutschen Autobauer eine Ära, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg begann.
Als das Wirtschaftswunder langsam Fahrt aufnahm, bewarb sich Karosseriehersteller Hebmüller bei Volkswagen um einen Produktionsauftrag für sein Cabriolet auf Käfer-Basis. Der Deal klappte. Für sündhaft teure 7.500 DM wurde der elegante, nur 24,5 PS starke 2+2-Sitzer ab 1949 offiziell über VW-Händler vertrieben. 696 Fahrzeuge fertigte Hebmüller, bis ein Großfeuer das komplette Werk im Bergischen Land zerstörte und der Karossier 1953 Konkurs anmelden musste.
Dem Käfer folgte der Karmann Ghia
Parallel zu Hebmüller entwickelte Karmann aus Osnabrück Ende der 1940er-Jahre seinen ersten offenen Käfer. Das “Vierfenster-Modell” hatte im Gegensatz zum Hebmüller eine “echte” Rückbank, für mehr Platz im Innenraum lag das Verdeck auf der Karosserie. VW orderte 1949 exakt 1000 Fahrzeuge, bis 1952 wurde die Produktion auf 10.000 Stück gesteigert. Auch der Nachfolger, der „offene Ovali“, kam 1954 aus Osnabrück. Auf Basis des Export-Modells fertigte Karmann bis 1965 rund 26.000 Exemplare.
Als die ganze Welt gerade nach und nach das süße offene Käferchen ins Herz schloss, gesellte sich mit dem Karman-Ghia Typ 14 Cabriolet ab 1957 ein weiterer Luftikus dazu. Der sah deutlich sportlicher aus, als er tatsächlich war, und holte deshalb kaum Männer hinters Steuer. Der Damenwelt war’s egal. Ihr reichten anfangs 30, später 50 PS zum gefühlten Sportwagenglück. Mit 80.881 Stück konnte Karmanns Frauenheld aber nie am Käfer kratzen.
Der offene Kurierwagen Typ 181 mit Steckscheiben und PVC-Verdeck ohnehin nicht. Ob der Bundeswehr-Ersatz für den DKW Munga überhaupt in der Ahnengalerie mitfahren darf, ist ein Grenzfall. In der Surfer-Szene indes erreichte “The Thing”, wie die Amis ihn nannten, Kultstatus. Es folgte der Iltis (1978-1988), ein offener Geländewagen für den Bund und für Zivilisten, der später auch bei der Rallye Paris-Dakar startete.
Mit Bügel zum Erdbeerkörbchen
Derweil lief und lief der offene Käfer. Als 1300 Cabriolet (1965 – 1966), als 1500 Cabriolet (1966-1970), als 1302 Cabriolet (1970-1972) und schließlich als 1303 Cabriolet (1972-1980). Die letzte Ausbaustufe hatte keine Schraube mehr gemeinsam mit dem ersten Käfer. Als 1303 LS Cabrio leistete der Boxer im Heck 50 PS aus 1.600 ccm und wurde rund 160.000 Mal gebaut. Am 10. Januar 1980 lief dann das letzte Exemplar bei Karmann vom Band, insgesamt 331.847 in 31 Jahren.
Die Fanszene organisierte Protestfahrten nach Wolfsburg, doch es nützte nichts. Der Golf I übernahm am 14. Februar 1979 die Lufthoheit im Konzern. Das kantige Kind aus dem Hause Karmann musste aus Sicherheitsgründen einen Überrollbügel tragen, was ihm schnell den Spitznamen Erdbeerkörbchen einbrachte. Bis 1993 avancierte der offene und bis zu 110 PS starke Golf I zum Volkswagen unter allen Cabriolets und wurde mit 392.000 Einheiten die erfolgreichste Sonnenbank der Welt.
Mit deutlich mehr Platz aber immer noch gebügelt, versuchte ab 1993 der Nachfolger auf Golf III-Basis an den Erfolg anzuknüpfen. Er konnte alles besser. Das auf Wunsch elektrisch öffnende Dach gab in weniger als 20 Sekunden den Blick zum Himmel frei, der Kofferraum war größer (plus 50 Liter) und die Crashsicherheit deutlich optimiert – doch den klassischen Charme seines Vorgängers erreichte weder er, noch die folgende Generation, die auf dem Golf IV fußte.
Beetle und Eos waren eher ein Flop
Wegen mäßigem Erfolg beendete VW 2002 seine Open-Air-Aktivitäten – und ließ sich fast zehn Jahre Zeit, um mit dem Golf VI wieder in die Himmelfahrt einzusteigen. Statt eines Bügels sollten nun Überrollmodule im Fall der Fälle für Sicherheit sorgen. Aber selbst der Golf R konnte das Ende nur noch herauszögern. 2016 ließ VW den offenen Golf sterben. Nach 770.039 Exemplaren.
Was dann mit dem New Beetle folgte, war der Versuch, ein Gefühl zu reanimieren, das längst nur noch in den Garagen der Käfer-Fans existierte. Das als designierter Retro-Käfer apostrophierte Rundstück auf Golf-Basis aber war kaum mehr als ein zu großer und wenig charmanter Erbschleicher. Zumindest in den Augen vieler VW-Kunden. Kult lässt sich eben nicht kopieren. Der große Erfolg blieb aus.
Das galt noch mehr für den viersitzigen Eos (2006-2015), benannt nach der griechischen Göttin der Morgenröte. Doch göttlich war an dem Cabrio-Coupé nur wenig. So ging dem freudlosen Klappdach-VW bereits zur Mitte seines Lebens die Puste aus. Am Ende standen immerhin 230.000 verkaufte Eos zu Buche. An diese Zahl wird das T-Roc Cabriolet nicht annähernd herankommen, wenn es 2025 nach nur gut drei Jahren wieder abdankt. Das Konzept der aufgeschnittenen SUVs dürfte später einmal als miese Laune des Zeitgeists in die Geschichtsbücher eingehen. (SP-X)