Plug-in-Hybride: Der Mark Twain unter den Antrieben

Hat die Technologie noch eine Zukunft?

Plug-in-Hybride: Der Mark Twain unter den Antrieben
Der Mercedes-Benz C 300 e an einer Schnellladestation. © Daimler

Nach dem Wegfall der Kaufprämie ist die Nachfrage nach Plug-in-Hybriden eingebrochen. Spielt der Antrieb keine Rolle mehr?

Die Zulassungszahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes sprechen eine eindeutige Sprache: Im Vorjahr wurden gerade einmal 175.724 Fahrzeuge mit Plug-in-Hybrid neu zugelassen. Das ist ein Einbruch von 51,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Grund für den Einbruch ist klar: es liegt am Ende der Kaufprämie für PHEVs. Spielt der Antrieb angesichts dieser Zahlen für die Kunden und Hersteller keine Bedeutung mehr?

Doch, wie man an immer neuen PHEVs feststellt, die jetzt auf den Markt kommen und teilweise Reichweiten von 100 Kilometer und mehr aufweisen.

PHEVs wurden kaum geladen

Bis heute müssen sich die PHEVs nach wie vor indes Kritik gefallen lassen. Trotz niedriger Normverbrauchswerte wurden sie in der Praxis allerdings oft als ziemlich spritdurstige Verbrenner genutzt. In den Kofferräumen von Leasingrückläufern fanden sich Ladekabel zudem oft noch originalverpackt.

Warum umständlich an die Ladesäule, wenn der Stromvorrat ohnehin nur wenige Kilometer reicht? Auch deshalb gerieten PHEVs in die Kritik, denn ihr Beitrag zum Klimaschutz schien so vernachlässigbar wie der elektrische Fahranteil. Neue Förderrichtlinien verlangten deshalb größere E-Reichweiten, welche die Autoindustrie lieferte.

Erinnerungen an Mark Twain

Das Aus der Umweltprämie für PHEVs in Deutschland Ende 2022 verhinderte dies jedoch nicht mehr, was die Zulassungszahlen 2023 einbrechen ließ. Erreichten PHEVs 2022 mit über 362.000 Neuzulassungen in Deutschland eine historische Rekordmarke, hat sich ihre Zahl vergangenes Jahr mehr als halbiert. Nicht wenige Auguren munkelten schon vom Ende des PHEV. Doch vielleicht gilt hierzulande bald für die PHEVs wie einst für den Autor Mark Twain: „Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben.“

Gegen ein baldiges Ende der PHEVs sprechen sogar gleich mehrere Faktoren. In 2023 erreichten Plug-in-Hybride trotz der eingestellten Kaufprämie in Deutschland einen Marktanteil von immerhin sechs Prozent. Die 175.700 vergangenes Jahr neuzugelassenen Teilzeitstromer sind damit ein nicht gerade kleines Stück vom Kuchen, das auch in den kommenden Jahren attraktive Absatzchancen verspricht.

Chancengleichheit bei Förderung

Viele Neuwagenkunden und Flottenbetreiber haben sich 2023 aufgrund des veränderten Förderregimes zwar verstärkt für BEVs und gegen PHEVs entschieden, weil für Vollblut-Stromer weiter üppige Preisnachlasse lockten. In dieser Hinsicht waren PHEVs benachteiligt. Angesichts der seit Ende 2023 ebenfalls eingestellten staatlichen Subventionen für BEVs herrscht nun jedoch wieder Chancengleichheit.

Finanziell attraktiv bleiben PHEVs zumindest in Hinblick auf die Dienstwagenbesteuerung, denn für sie wird noch bis 2030 die günstige 0,5-Prozent-Regelung gelten. Um allerdings von dieser Förderung zu profitieren, werden ab 2025 E-Reichweiten von 80 Kilometer verlangt, was die Attraktivität der Gattung durchaus beflügeln dürfte.

Schwerer Abschied vom Verbrenner

Ebenfalls für eine Zukunft der Teilzeitstromer spricht die Tatsache, dass vielen Autonutzern der Abschied vom Verbrennungsmotor weiterhin schwer zu fallen scheint, wie etwa jüngste Umfragen andeuten.

Laut einer Ende 2023 veröffentlichten Studie der Allianz Direct können sich immerhin 53 Prozent der Deutschen nicht vorstellen, auf reine E-Autos umzusteigen. Der PHEV bietet Autokäufern künftig die Chance, sich weiterhin auf die Flexibilität des Verbrenners verlassen zu können und zugleich zukunftsfest zu sein, sollten doch noch irgendwann Fahrverbote für Verbrenner in Innenstädten verhängt werden.

Auch bei den Energiekosten versprechen PHEVs gewisse Vorteile. Sollten die Spritpreise etwa aufgrund neuer Krisen und der sich weiter erhöhenden CO2-Besteuerung drastisch steigen, könnte eine stärkere Nutzung des E-Antriebs helfen, den Geldbeutel zu schonen. Derzeit stöhnen allerdings nicht wenige BEV-Nutzer über die hohen Strompreise, während man an den Zapfsäulen so günstig wie schon lange nicht mehr tanken kann. Ein PHEV lässt dem Autofahrer hier Wahlfreiheit.

Reichweiten steigen

Der neue Prius ist in Deutschland nur noch als Plug-in-Hybrid erhältlich. Foto: Toyota

Schließlich wächst das Angebot an PHEV-Modellen mit großen E-Reichweiten. Zu den eingangs erwähnten PHEV-Pionieren gehört übrigens der Toyota Prius, der 2010 zum ersten Mal dank einer 4,4 kWh großen Traktionsbatterie bis zu 85 Kilometer schnell und 25 Kilometer weit stromern konnte.

Damals verteidigte Toyota diese Relationen als Effizienz-Rightsizing. Der Teilzeitstromer aus Japan blieb allerdings eine Randerscheinung. Dennoch hat Toyota vergangenes Jahr die Hybrid-Ikone in fünfter Generation auf den deutschen Markt gebracht, wo sie ausschließlich als PHEV mit 13,6 kWh großer Traktionsbatterie angeboten wird, die eine auf 86 Kilometer gestiegene E-Reichweite erlaubt. Smart: An sonnenreichen Tagen lassen sich mit dem optionalen Solardach noch bis zu 9 Kilometer zusätzliche E-Reichweite generieren.

Mercedes Vorreiter bei hohen Reichweiten

Auch andere Hersteller haben in der jüngeren Vergangenheit neue PHEV-Generationen mit Akkugrößen auf den Markt gebracht, die manches E-Auto vor Neid erblassen lassen. Das Tor in dreistellige Reichweiten-Regionen eröffnete Mercedes Ende 2021 mit der neuen C-Klasse und der Einführung des C 300 e. Dieser bietet eine Traktionsbatterie mit 28,6 Kilowattstunden, was immerhin rund 5 kWh mehr als beim batterieelektrischen Fiat 500 Elektro mit kleinem Akku sind.

116 Kilometer kann die C-Klasse damit stromern und sich zudem an Schnellladesäulen mit bis zu 55 kW mit Nachschub versorgen. PHEV-Antriebspakete mit mehr Reichweite hat der Stuttgarter Autobauer in bereits mehreren Baureihen eingeführt. Beim GLC 400e sind es sogar 31 kWh und 135 Kilometer.

Auch Range Rover mit 109 km Reichweite

Rund 32 kWh und 109 Kilometer E-Reichweite bietet die 2022 als P440e eingeführte und im Frühjahr 2023 in P460e umgetaufte PHEV-Version des Range Rover, die mit 43 kW ebenfalls temporeich nachladen kann. Allerdings ist dieser PHEV mit einem Einstiegspreis von 144.600 Euro in der Oberklasse angesiedelt und bleibt damit einem sehr kleinen Kundenkreis vorbehalten. Mehr E-Reichweite für einen zudem vergleichsweise niedrigen Preis von rund 53.000 Euro bietet mit dem GWM Wey 03 ein Newcomer aus China, der mit seinem 34-kWh-Akku 139 Kilometer weit stromert und mit 50 kW nachladen kann.

Anfang 2024 wird außerdem der größere und rund 60.000 Euro teure Wey 05 mit rund 42 kWh und 158 Kilometer rein elektrischer Reichweite starten. Der Wey 05 kann fast wie ein vollwertiger Stromer genutzt werden und dennoch jederzeit mit Benzin fahren.

Neue eHybride von VW-Konzern

Die Limousine des Skoda Superb soll auf einen Absatz von 30 bis 40 Prozent kommen. Der Kombi kommt auch als PHEV. Foto: Mertens

Für Auftrieb bei den PHEVs in Deutschland könnte zudem der VW-Konzern sorgen, der seinen 1.5-TSI-Benziner mit einem 115 PS starken E-Motor und einer 25,7 kWh großen Batterie kombiniert, die ebenfalls den Vorstoß in dreistellige E-Reichweiten-Regionen erlauben wird. Traditionelle Verkaufsschlager wie der neue Tiguan, der neue Passat sowie der Technikbruder Skoda Superb kommen dieses Jahr mit dem neuen eHybrid-System auf den Markt.

In den deutschen PHEV-Markt kommt also in nächster Zeit Bewegung. Doch PHEVs sind kein rein europäisches Phänomen. Vor allem in China, wo der Neuwagenkauf von PHEVs weiterhin großzügig vom Staat auch mit Kaufprämien finanziell gestützt wird, erfreut sich diese Antriebsgattung wachsender Beliebtheit. Statt wie in Deutschland halbiert, haben sich die Zulassungszahlen der PHEVs in China vergangenes Jahr nahezu verdoppelt. China ist schon lange der wichtigste Automarkt der Welt und gilt damit auch als Trendsetter.

Auch BYD reagiert

Die chinesische Autoindustrie, die sich seit einigen Jahren anschickt, den Weltmarkt mit ihren New-Energy-Fahrzeugen zu fluten, hat auf den heimischen PHEV-Boom längst reagiert. Autogigant BYD hat zum Beispiel im Sommer 2023 das SUV-Modell Song Plus mit neuem PHEV-Antrieb vorgestellt, der mit 27-kWh-Akku 150 Kilometer weit elektrisch fahren kann.

Anfang 2024 hat Changang sein Pick-up-Modell Hunter zum PHEV aufgerüstet, der mit 31-kWh-Akku 180 Kilometer weit stromert. Die Geely-Marke Lynk & Co führte 2023 mit dem 08 ein SUV-Modell ein, das ein 400 kW/544 PS starkes Doppelherz sowie einen 40-kWh-Akku für 245 Kilometer Reichweite bietet. Hunter, 08 und Song Plus sind nur drei Beispiele von China-PHEVs der nächsten Generation mit immer größeren E-Reichweiten.

Möglicherweise zeigen chinesische Hersteller gerade der Autowelt, wohin die Reise in der Antriebstechnik geht: Die duale Technik, die Verbrenner und Stromer in einem Fahrzeug in ausgewogenen Proportionen vereint, könnte die Verkehrs- und Energiewende antriebsseitig vielleicht sogar schneller voranbringen. (AG/SP-X)

Keine Beiträge vorhanden