Stillstand will gelernt sein

Staus gehören für Autofahrer zum Alltag. Dennoch wissen viele nicht, wie sie sich der Verkehrssituation entsprechend zu verhalten haben.

Von Heiko Haupt

Unter allen unangenehmen Situationen im Straßenverkehr sind Staus die wohl am meisten gehassten Problemfälle. Sie bedeuten Wartezeiten, verpasste Termine und trotz Stillstand auch Stress. Erschwert wird die Sache dadurch, dass es immer mehr Staus gibt. So zählte der ADAC in München an den Ferienwochenenden im Sommer 2005 auf den Fernstraßen allein 751 Staus ab zehn Kilometern Länge, 2006 waren es bereits 967 - ganz zu schweigen von ungezählten stockenden Stunden im Berufsverkehr. Doch obwohl der Stau für Autofahrer zum Alltag gehört, verhalten sie sich nicht immer richtig.

Stauursache lässt sich erklären

Zu einem angepassten Verhalten gehört, sich über die Stau-Ursachen im Klaren zu sein. Denn grundsätzlich ist ein Stau für Experten keine unbekannte Größe mehr. «In 90 Prozent der Fälle lässt sich die Ursache eines Staus erklären», sagt Peter Wagner, Abteilungsleiter-Verkehrsinformatik beim Institut für Verkehrsforschung (IVF) in Berlin. Meist entstehe stockender Verkehr aus einem nahe liegenden Grund: weil die jeweilige Strecke überlastet ist.

«Schwerpunkte sind dabei auf Autobahnen die Bereiche von Ein- und Ausfahrten», sagt Wagner. ADAC-Experte Otto Saalmann nennt noch zwei weitere ebenso typische wie bekannte Stau-Verursacher - und zwar die Baustelle und den Verkehrsunfall. Der Stau «aus dem Nichts» ist zwar laut Saalmann eine absolute Ausnahme, doch es gibt auch hier Möglichkeiten der Erklärung: «Wenn zum Beispiel ein ortsfremder Autofahrer sich auf stark befahrener Strecke in der Nähe eines Autobahnkreuzes an der Beschilderung orientieren muss.» Das Auto wird dabei meist verlangsamt, ein nachfolgender Wagen muss womöglich Bremsen - und schon kommt es zu einer Kettenreaktion, die schließlich zu stockendem Verkehr führt.

Anzeigen beachten

Was auch immer zum Stau geführt hat - wenn es so weit ist, muss der Autofahrer richtig mit der Situation umgehen. «Es ist vorab schon wichtig, die entsprechenden Verkehrszeichen im Blick zu haben», rät Welf Stankowitz vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) in Bonn. An vielen Autobahnen finden sich Einrichtungen, die anzeigen, dass sich ein Stau gebildet hat. «Auch allgemeine Warnschilder zu Staugefahren sollten beachtet werden.»

Denn wer solche Hinweise bereits bemerkt hat, wird von einem plötzlich auftauchenden Stauende nicht mehr überrascht. «Bei der Annäherung an das Stauende ist es dann auf jeden Fall eine gute Idee, die Warnblinkanlage einzuschalten», sagt Peter Wagner. Dadurch wird der nachfolgende Verkehr auf die Situation hingewiesen. Zu vermeiden ist bei der Annäherung mit eingeschaltetem Warnblinker ein Fahrspurwechsel, um auf die vermeintlich «bessere» Seite zu gelangen. «Damit verwirrt man nur die folgenden Autofahrer», warnt Stankowitz.

Stillstand bedeutet für den Fahrer nicht, dass er sich zurücklehnen kann. Statt zu warten, was geschieht, muss er das stockende Verkehrsgeschehen weiter im Auge behalten. Auch im Stau muss der Wagen also vorausschauend und defensiv bewegt werden - schnelles Vorfahren und abruptes Bremsen ist laut DVR im Hinblick auf den Spritverbrauch unwirtschaftlich. Außerdem zerstört es noch den letzten Rest des Verkehrsflusses. Das gleiche gilt auch im weiteren Stauverlauf für unnötige Spurwechsel.

Rettungsgasse bilden

Eine Selbstverständlichkeit sollte die Bildung einer Rettungsgasse sein - schließlich kann die Ursache des Staus ein Unfall sein, zu dem Krankenwagen und Polizei unterwegs sind. Das Prinzip der Rettungsgasse ist laut Otto Saalmann simpel: «Bei einer zweispurigen Autobahn wird die Gasse in der Mitte zwischen den beiden Spuren gebildet. Bei einer dreispurigen Fahrbahn hat die Gasse zwischen der linken und der mittleren Fahrspur zu sein.» Die Fahrer auf der linken Seite der Gasse bewegen ihren Wagen also nach links, auf der rechten Seite nach rechts.

Gerade vor Baustellen und Fahrbahnverengungen sorgt ein weiteres Phänomen dafür, dass Verkehrsstaus auf oft unnötige Längen anwachsen. «Es gibt immer noch Autofahrer, die das Prinzip des Reißverschluss-Verfahrens einfach nicht verstehen wollen», kritisiert Saalmann. Doch gerade ein reibungslos funktionierender «Reißverschluss» hilft vor Engstellen, kilometerlange Probleme zu vermeiden.

Mit Bedacht anfahren

Von der zu Ende gehenden Spur sollte daher nicht so früh wie möglich, sondern erst am tatsächlichen Ende auf die weiterführende Spur gewechselt werden - sonst wird ein gutes Stück Strecke verschenkt. Drängeln und das Behaupten des eigenen Platzes auf der Fahrspur ist der falsche Weg. Jeder sollte jeweils ein Auto am Ende der einen Spur einfädeln lassen - wie bei einem Reißverschluss.

Was bei der Auflösung eines Staus zu tun ist, dafür gibt es unterschiedliche Theorien. «Es gibt eine Vermutung, dass ein Stau sich schneller auflösen kann, wenn vorne bei freier Strecke zügig losgefahren wird», sagt Peter Wagner. Allerdings bedeutet «zügig» in diesem Fall nicht Vollgas. Denn wer versucht, verlorene Zeit mit möglichst viel Tempo und waghalsigen Fahrmanövern aufzuholen, riskiert einen Unfall - und verursacht womöglich den nächsten Stau. (dpa)

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