Gefährliches Gähnen auf der Autobahn

Unfallrisiko Müdigkeit

Rund ein Viertel aller Verkehrsunfälle mit Todesfolge sind auf Einschlafen am Steuer zurückzuführen. Wer keine modernen Assistenten im Fahrzeug zur Verfügung hat, sollte auf den eigenen Körper hören.

Von Heiko Haupt

Bei Fahrten mit dem Auto gibt es eine Gefahr, die wohl jeder Fahrer schon erlebt hat: Müdigkeit. Gerade lange Autobahnetappen lassen die Konzentration schwinden, der Wunsch nach Ruhe und Schlaf wird immer stärker. Immer wieder geschehen wegen Übermüdung schwere Unfälle. Mittlerweile beschäftigen sich mit dem Thema auch die Entwicklungsabteilungen der Autohersteller und bringen neue Techniken zur Serienreife, die müde Fahrer warnen sollen.

Hohe Unfallrate

Nach Untersuchungen des Verkehrstechnischen Instituts der Deutschen Versicherer in Berlin sind rund ein Viertel der Autobahnunfälle mit Todesfolge auf Einschlafen am Steuer zurückzuführen. Denn vor allem die Fernstrecken erhöhen durch gerade Fahrbahnen und die Monotonie der Umgebung das Einschlafrisiko. Experten wie der Psychologe Volker Hargutt vom Interdisziplinären Zentrum für Verkehrswissenschaften an der Universität Würzburg gehen davon aus, dass bei insgesamt jedem vierten bis fünften schweren Verkehrsunfall Müdigkeit eine entscheidende Rolle spielt.

Absolut sichere Erkenntnisse liegen darüber jedoch nicht vor, und darum wird sogar von noch höheren Werten ausgegangen. «Es handelt sich bei der Müdigkeit um einen wichtigen Unfallfaktor - die Dunkelziffer ist hier allerdings relativ hoch», sagt Werner Sauerhöfer vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) in Bonn. Denn kaum ein Autofahrer wird nach einem Unfall freiwillig zugeben, dass ihm während der Fahrt schlicht und einfach die Augen zugefallen sind.

Tasse Kaffee als Stoppzeichen

Weil dieses Problem vergleichsweise groß ist, beschäftigen sich nun auch die Autohersteller mit der möglichen Unaufmerksamkeit und Müdigkeit ihrer Kunden während der Fahrt. Zu den Pionieren gehört die schwedische Marke Volvo: Hier wird die entsprechende Technologie Driver Alert Control (DAC) genannt. «Grundsätzlich geht es darum, dass eine Kamera das Geschehen vor dem Auto beobachtet», erklärt Olaf Meidt von Volvo Deutschland in Köln. Diese Kamera registriert die Fahrweise der Person am Lenkrad. Ist der Mensch konzentriert und wach, fährt er auf der Autobahn meist eine recht klare Linie. Das ändert sich durch Müdigkeit und Ablenkung.

Zu Fahrtbeginn hat der Fahrer zudem ein volles «Konto» in Form eines digitalen Balkendiagramms in den Armaturen. Fährt er unsauber, wird ihm davon immer mehr abgezogen, bis die Technik zu dem Ergebnis kommt, dass es so nicht mehr geht: Ist dieser Punkt erreicht, bekommt der Fahrer eine akustische Warnung, und in den Armaturen wird das Symbol einer Tasse heißen Kaffees gezeigt. «Die Tasse Kaffee ist ein international verständliches Symbol für eine Pause», sagt Olaf Meidt.

Barsche Aufforderung

Die gleiche Grundidee mit anderer Umsetzung steckt hinter dem Driver Monitoring System, das Toyotas Luxusmarke Lexus in den LS-Modellen anbietet. «Es handelt sich hier um eine Infrarot-Kamera auf der Lenksäule», sagt Lexus-Sprecher Karsten Rehmann in Köln. Die Kamera erfasst zunächst die Kopfform des aufmerksamen Fahrers und registriert dann auch, wenn das Gesicht für eine gewisse Zeit nicht nach vorne auf die Fahrbahn gerichtet ist. Dann wird ein «minimaler» Bremsvorgang eingeleitet, um den Fahrer wieder wachzurütteln.

Bei Mercedes in Stuttgart ist die Müdigkeitserkennung ebenfalls ein Thema: Bei der neuen E-Klasse und der S-Klasse des Modelljahrs 2009 soll das Assistenzsystem Attention Assist zur Serienausstattung gehören. Auch hier wird mittels eines Sensors während der ersten Fahrtminuten ein individuelles Verhaltensmuster ermittelt. Werden später am Fahrstil Anzeichen für Übermüdung und Unaufmerksamkeit registriert, gibt es eine akustische Warnung und eine Anzeige - jedoch setzt Mercedes nicht allein auf das Symbol der Kaffeetasse, sondern vor allem auf ein eher harsches «ATTENTION ASSIST. Pause!»

Gähnen als Beginn

Wer nicht zu den Besitzern eines modernen Fahrzeug mit Müdigkeitswarner zählt, kann sich mit kritischer Überwachung helfen: «Augenbrennen, das Bedürfnis, die Augen zu reiben, oder auch Gähnen sind typische Anzeichen für einsetzende Müdigkeit», sagt die Verkehrsmedizinerin Almut Schönermarck vom ADAC in München. Das gleiche gilt für ein Gefühl des Fröstelns oder wenn es plötzlich schwer fällt, sich an die vergangenen Kilometer der Strecke zu erinnern. Dann sollte auch ohne Warnzeichen der Elektronik klar sein, dass es Zeit für eine Pause ist. (dpa/tmn)

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