Größer ist besser

SEMA 2008

In den USA ticken Tuner anders als bei uns. Beim «Customizing» sind radikale Lösungen gefragt – Dach runter, Monster-Felgen drauf und Chrom mit der Kelle aufgetragen. Ein Streifzug durchs Mekka der heißen Schlitten.

Von Sebastian Viehmann

Amerika feiert seinen neuen Präsidenten Obama, doch in Las Vegas spürt man davon wenig. Keine andere Stadt der USA ist so unpolitisch wie die glitzernde Spieler-Metropole mitten in der Wüste Nevadas. Und in keine andere Stadt würde die Extrem-Messe SEMA besser passen: Monster-Trucks und Musclecars, heiße Reifen und tiefe Dekolletés verbinden sich zu einem Tuning-Traum, gegen den die Essen Motor Show wie ein Pfadfinder-Treffen anmutet.

GLK als Star

Zu den radikalen Entwürfen der experimentierfreudigsten Tuningszene der Welt gehört der „GLK Urban Whip“ von Boulevard Customs. Mercedes hatte einen Design-Wettbewerb ausgerufen und präsentiert in Las Vegas die ausgefallensten Interpretationen des Geländewagens GLK. Monster-Räder, Maschengrill und ein Speedster-Look ohne Dach - Boulevard Customs aus Florida hat kaum etwas unangetastet gelassen. Die Karosserie wurde um 79 Millimeter verbreitert. Die verchromten Felgen messen stolze 26 Zoll. Eigentlich fehlt nur noch das passende Gangster-Rapper-Video, um den Urban Whip angemessen in Szene zu setzen. „Die amerikanische Tuningwelt kann man ganz einfach beschreiben: Bigger is better“, sagt Boulevard Customs-Chef Chris Bradley.

Für die Fahrt durch den urbanen Dschungel war auch im Interieur das Beste gerade gut genug: Schwarz-weiße Sitze mit perforiertem Leder und Diamantnähten sowie Holzapplikationen in Klavierlack. Unter dem Verdeck warten 5700 Watt Audiopower. Lediglich der Motor blieb verschont. Im Urban Whip arbeitet ein Serien-V6 mit 272 PS und Siebengangautomatik. Chris Bradley hofft, dass der Mega-GLK kein Concept Car bleibt: „Wenn wir Interessenten finden, könnten wir dieses Auto auch bauen. Das würde ungefähr 125.000 Dollar kosten“, schätzt Bradley. „On top“, versteht sich - also zusätzlich zum Fahrzeugpreis.

Aufgemotzte Oldtimer

Alter schützt vor Tuning nicht Foto: press-inform

Ganz unbescheiden gibt sich auch Dodge und beschwört das Erbe des berühmten Challenger herauf. Das SRT10 Concept Car hat den 8,4 Liter großen V10 des Dodge Viper unter der Haube. Die Luftansaughutze erinnert an den HEMI Cuda von 1970 und gibt dem Motor den nötigen Raum zum Atmen.

Neben den Retro-Modellen von Dodge Challenger und Chevrolet Camaro sieht man auf der SEMA auch die Originale aus den späten 60er und frühen 70er Jahren - nicht selten ebenfalls heftig aufgemotzt und ohne Respekt vor Originaltreue mit verchromten Felgen im XXL-Format bestückt.

Felge mit 42 Zoll

Apropos Felgen: Was in Deutschland bei jeder TÜV-Abnahme für hysterische Anfälle sorgen würde, ist im Land der unbegrenzten Reifengrößen nur der Durchschnitt. Dick, fett und verchromt, vergoldet oder in schillernden Farben und zu psychedelischen Mustern geformt - erlaubt ist, was gefällt. Bei Lexani aus Kalifornien wird man vor lauter Chrom auf dem Stand fast blind.

Die größte Felge misst 42 Zoll (knapp über einen Meter) und braucht schon ein Auto wie den Hummer, damit man sich überhaupt noch fortbewegen kann. Die teuersten Lexani-Felgen sind mit Edelsteinen besetzt und kosten mal eben eine Million Dollar pro Satz. Immerhin gibt es ein Jahr lang einen Bentley samt Felgen-Bodyguard gratis dazu.

Smart als Batmobil

Das Batgirl wird neben dem Superhelden kaum Platz nehmen können Foto: press-inform

Doch selbst auf der SEMA ist es nicht immer die Größe, die zählt. Überraschend oft sieht man aufgemotzte Smarts. Die heißeste Version kommt vom Tuner Vertical Doors aus Los Angeles: Ein Smart im Batmobil-Look samt Flügeltüren. Auch sonst werden Filmfans gut bedient auf der SEMA. Legendäre Movie Cars wie der Ecto-1 aus dem Kultfilm „Ghostbusters“ - das Auto basiert auf einem 59er Cadillac Krankenwagen - sind ebenso zu sehen wie der weiße 70er Dodge Challenger aus „Vanishing Point“ oder der dunkelgrüne „Bullitt“-Mustang.

Auch die Aussteller selbst werden bewundert. Tuning-Legenden wie Chip Foose oder die Extrem-Veredler von West Coast Customs, bekannt aus der MTV-Serie „Pimp my Ride“, sind gefeierte Pop-Stars der Szene und geben im Akkord Autogramme. Der letzte Schrei sind Poster und Plakate, die von attraktiven Messe-Models signiert werden.

Alternative Antriebe nur hinter getunter Optik

Blickfänge, wohin man(n) schaut Foto: press-inform

Zwischen all den Superlativen hat das Thema alternative Antriebe und Öko-Tuning nur dann Platz, wenn es sich hinter einer spektakulären Optik verbirgt. Ein Hummer, der mit Biodiesel läuft? Kein Problem, aber dann bitte mit Kettenantrieb oder wenigstens übergroßen Felgen. Hybridtechnik findet man noch am ehesten im Toyota Prius-Taxi, das einen zum Messenzentrum fährt. Dennoch seien alternative Kraftstoffe wie Biodiesel und vor allem Bioethanol oder Autogas im Kommen, bestätigen viele Tuner. Denn wenn man ein Vermögen für Felgen, Soundanlagen und Neon-Beleuchtung ausgegeben hat, bleibt ja immer noch die Tankrechnung.

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