Fahr-Assistenten machen Laster sicherer

Neue elektronische Sicherheits-Systeme für Lastwagen zeigen die Hersteller auf der Internationalen Automobilausstellung. Doch bestellt werden die Helfer nur selten.

Von Thomas Geiger

Die Nutzfahrzeughersteller und ihre Zulieferer stecken in der Zwickmühle: Auf der einen Seite rechnet die Europäische Union bis zum Jahr 2030 mit einem Anstieg des Güterverkehrs um 75 Prozent. Doch trotzdem soll die Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr bis 2010 auf die Hälfte des Stands von 2001 sinken.

Gewinn für den gesamten Verkehr

Um dieses Ziel zu erreichen, werden nun ähnlich wie beim Pkw auch Lastwagen mit zahlreichen elektronischen Assistenz- und Sicherheitssystemen aufgerüstet. Die elektronischen Schutzengel werden deshalb auch ein Schwerpunkt auf der Internationalen Automobilausstellung für Nutzfahrzeuge sein, die vom 21. bis 28. September in Hannover stattfindet.

Sie haben nach einer aktuellen Studie der Allianz Versicherung in München das Potenzial, die Zahl bestimmter Unfalltypen um bis zu 70 Prozent zu senken - und davon profitieren nicht nur Nutzfahrzeuge: «Aufgrund der großen Masse von Lkw sind die Folgen für die Unfallgegner deutlich schwerer als für die Lkw-Insassen», so ein Mercedes-Sprecher. Sowohl das Risiko einer Verletzung als auch das Risiko, bei einem Unfall mit Lkw-Beteiligung getötet zu werden, sei für die Gegner etwa vier Mal so hoch.

40 000 Unfälle mit Personenschäden, an denen Brummis beteiligt waren, weist die Statistik für 2004 aus. Dabei wurden insgesamt knapp 50.000 Menschen verletzt und rund 1300 getötet. Dominiert wird die Statistik insbesondere auf Autobahnen von Auffahrunfällen, auf die etwa jeder zweite Personenschaden entfällt. Abhilfe verspricht ein Abstandsregeltempomat, wie er etwa bei MAN und Mercedes angeboten wird. Das System hält automatisch einen konstanten Abstand zum Vordermann und beschleunigt oder bremst selbstständig auf das jeweilige Wunschtempo.

Notbremsung automatisch ausgelöst

Wären alle Laster mit einem solchen System ausgestattet, könnten 24 Prozent aller schweren Lkw-Unfälle vermieden werden, hat die Allianz in ihrer Studie ermittelt. «Bezogen auf die Autobahn, liegt die Vermeidbarkeit sogar bei rund 70 Prozent», sagt Johann Gwehenberger, Leiter der Unfallforschung im Allianz Zentrum für Technik.

Schlechte Perspektive: Unfall zwischen LKW und Personenwagen Foto: dpa

Mercedes hat dieses System nun zum «Active Break Assist» weiterentwickelt, der in diesem Sommer in Serie gegangen ist. Er soll bei drohenden Auffahrunfällen selbstständig eine Notbremsung einleiten und die Karambolage so verhindern oder zumindest entschärfen. Mit derselben Technologie will das Unternehmen bis spätestens 2010 auch einen Stau-Assistenten auf den Markt bringen, der den Lkw selbstständig durch den Stop-And-Go-Verkehr bringt.

Nach Angaben von Gwehenberger hilft die Elektronik auch gegen Unfälle, die durch unfreiwilliges Abkommen von der Fahrbahn - zum Beispiel bei Unaufmerksamkeit oder Übermüdung - passieren. Wenn eine ebenfalls bei vielen Herstellern bereits verfügbare Videokamera die Fahrspur kontrolliert und die Trucker bei Abweichungen warnt, etwa mit einem Nagelbandrattern, könnten laut Gwehenberger rund die Hälfte dieser Unfälle vermieden werden. Im nächsten Entwicklungsschritt sollen die Systeme das Fahrzeug durch Bremseingriffe auch selbstständig wieder auf Kurs bringen können.

Sensoren gegen toten Winkel

Außerdem arbeiten die Hersteller für den Spurwechsel auf der Autobahn und vor allem für den Verkehr in den Städten an Sensoren, die das Fahrzeugumfeld kontrollieren sollen. Weil ein Lastwagen viel mehr und viel größere tote Winkel hat als ein Pkw, kommt es immer wieder zu Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern.

Auch das elektronische Stabilitätssystem ESP, im Pkw als wichtigster Lebensretter nach dem Sicherheitsgurt gefeiert, kann im Lkw einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten. Einen flächendeckenden Einsatz vorausgesetzt, könnte die Zahl der Unfälle mit Lkw und Kleintransportern um 9 bis 20 Prozent gesenkt werden.

Sicherheit kostet Geld

Im Gegensatz zum Pkw sind Fahrerassistenzsysteme jedoch beim Lkw noch die Ausnahme, kritisieren die Experten. Nur sechs Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge sind bisher mit derartigen Nothelfern ausgestattet. Das sei darauf zurückzuführen, dass im Transportgewerbe «der Wirtschaftlichkeit gegenüber der Sicherheit häufig Priorität eingeräumt wird», klagen die Experten.

«Für uns steht außer Frage, dass dem Thema Verkehrssicherheit und dem sicheren Warentransport eine hohe Priorität eingeräumt werden muss», entgegnet darauf Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) in Frankfurt/Main. Doch dürften dem Anwender durch die Einführung neuer Technologien keine Nachteile entstehen.

Außerdem zieht er den «oft vorbehaltslos propagierten Sicherheitsgewinn» solcher Systeme in Zweifel: «Es ist unbestritten, dass aktive und passive Assistenzsysteme zur Erhöhung der Sicherheit stetig an Bedeutung gewinnen werden», so Schmidt. Doch die Technik allein könne keine Unfälle verhindern. Erst wenn der Fahrer die durch sie erhaltenen Informationen entsprechend umsetzt, sei er sicher unterwegs. (dpa)

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