Die Transformation beutelt auch den Autozulieferer ZF. Doch neue, digitale Konzepte bei Lenkung, Bremsen und Fahrwerk geben Hoffnung.
Normalerweise dürfen Autozulieferer eher im Verborgenen blühen. Denn ihre technischen Innovationen – etwa bei Antrieben, Fahrwerksdynamik oder Sensorik – verkaufen die großen Automarken gern unter eigenen knackigen Bezeichnungen. Wer unterm Blech die eigentliche Entwicklungsarbeit geleistet hat, das sollen Magna, Conti oder ZF lieber dezent und im kleineren Kreis erzählen.
Doch Peter Holdmann, der bei ZF als Vorstand die PkW-Fahrzeugtechnik verantwortet, hält in diesen Zeiten eher wenig von derartiger Zurückhaltung. In der Öffentlichkeit sollen schließlich nicht nur dreistellige Millionenverluste, Werksschließungen und Entlassungen mit dem Unternehmen vom Bodensee in Verbindung gebracht werden: „Da gibt es gerade bei den Antrieben durch den breiten Strauß an anzubietenden Konzepten beim gleichzeitigen Absatzschwund in Europa einfach enorme Herausforderungen“, sagt der Manager.
Lenkung und Bremsen brauchen alle Autos
Holdmann kann aber auf der IAA viele technische Hoffnungsträger zeigen – und redet auch gern von Kunden, die genau darauf setzen. „Fahrwerke, Lenk- und Bremssysteme brauchen schließlich alle Fahrzeuge unabhängig vom Antrieb – und da sind wir sehr stark.“ Im Chassis des chinesischen Nio ET9 etwa steckt bereits das „Steer-by-Wire“-System von ZF – eine Technologie, die ohne mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Rädern auskommt. Auch Mercedes wird bald als erster europäischer Hersteller diese Technik bringen. Für ähnliche Systeme zum digitalen Bremsen hat Holdmann schon Kunden in den USA, aktive Dämpfer von ZF setzt Porsche ein, Cadillac und Lotus bauen auf Software-Lösungen.
Aus dem dahinterstehenden Wandel zum durchdigitalisierten und vernetzten Fahrzeug erhofft sich Holdmann neuen Schwung für das krisengeschüttelte Unternehmen. Denn zentrale Superrechner bündeln schon heute die Steuerung vieler Komponenten im Auto. Kernstück ist der „Chassis 2.0“-Ansatz. Er basiert auf intelligenten, softwarebasierten Aktuatoren, die Bremsen, Lenkung und Dämpfung ohne mechanische Verbindungen vernetzen und so völlig neue Fahrzeugfunktionen möglich machen. Etwa das Lenken mit wesentlich weniger Einschlag oder blitzschnelle Reaktionszeiten.
Auch bei elektrischen Antrieben arbeitet der Konzern an kompletten Plattform-Lösungen. Die „Select“-Plattform bündelt E-Motor, Inverter, Getriebe und Software. Hersteller können daraus passgenaue Konfigurationen wählen – und so auch den Rückstand gegenüber chinesischen Herstellern wie BYD verringern, die mit selbst entwickelten Antriebseinheiten schon bis zu acht Komponenten in ein Gehäuse integrieren. Das hilft, Kosten zu senken und Entwicklungszeiten zu verkürzen. Ein neues Thermomanagement soll mit Propan als Kältemittel Reichweiten im Winter um bis zu 30 Prozent steigern. Und auch bei Hybrid-Technik, Range-Extender-Systemen und modularen E-Antrieben bietet ZF neue Lösungen. (SP-X)
