ZF lässt Lkws autonom rangieren

Effizienzsteigerung im Güterverkehr

ZF lässt Lkws autonom rangieren
ZF lässt Lkws autonom rangieren. © ZF

Autonomes Fahren ist nicht nur bei Pkws ein Thema. Gerade auch im Güterverkehr spielt es eine große Rolle, wie Daimler bereits mit dem Highway-Pilot zeigt. Der Zulieferer ZF arbeitet an Systemen, die das Rangieren erleichtern.

Rückwärts um die Ecke bis zur Laderampe – dieses Manöver zählt zu den anspruchsvollsten Rangieraufgaben eines Lkw-Fahrers. Im rechten Außenspiegel sieht er nur die Plane, im linken bestenfalls Landschaft. Künftig könnte das Gespann das Manövrieren selbst übernehmen. Und auch in anderer Hinsicht werden Lkw wohl bald viel eigenständiger fahren. Denn im Vergleich mit dem Pkw bietet das autonome Fahren im Güterverkehr handfeste Vorteile.

Lange Stand- und kurze Lenkzeiten machen den Speditionen das Leben schwer. Anstatt Güter zu transportieren stehen Lkw zwei Drittel des Tages unnütz in der Gegend rum. Nicht nur im Stau oder am Grenzübergang, sondern auch beim Be- und Entladen oder während der Fahrer Papierkram erledigt. Gleichzeitig muss letzterer die Uhr im Blick behalten, denn die erlaubte Fahrzeit bis zur nächsten Pause tickt gnadenlos herunter.

Automatisiertes Be- und Entladen

Umso mehr Aufgaben der Lkw selbst erledigen kann, desto besser also aus Sicht der Speditionen. Bald schon könnten zumindest Be- und Entladung automatisiert werden. Zulieferer ZF etwa schlägt vor, die langwierige Rangierarbeit an Start und Ziel dem Lkw zu überlassen. Der technische Aufwand wäre dabei gar nicht so groß. Das System der Friedrichshafener: ein kamerabasiertes Leitsystem an der Laderampe. Die optischen Sensoren erfassen dabei das Gespann und senden die Lenkbefehle an das Fahrzeug weiter. Dieses rangiert dann automatisiert bis auf Stoß ans Güterterminal. Der Fahrer sitzt währenddessen nicht am Steuer, sondern läuft mit einem Überwachungs-Tablet nebenher und greift nur im Notfall ein.

Voraussetzung dafür ist ein geeignetes Zugfahrzeug, das zum selbstständigen Rangieren mehr oder weniger nur spezielle Software und eine Servolenkung benötigt. Sensoren zur Umfeldüberwachung sind nicht nötig, da ein menschlicher Aufpasser nebenherläuft. Prinzipiell bräuchte noch nicht einmal jeder Lkw die Technik. Denkbar wäre, dass die Hänger am Terminal angekoppelt werden und dann von einem Zugfahrzeug des Betreibers – möglicherweise elektrisch - an die Rampe geschleppt werden.

Der Fahrer könnte in der Zwischenzeit Papierkram erledigen oder Kaffeepause machen. Die einzige Voraussetzung, die ein lieferndes Gespann erfüllen müsste, wären spezielle Sticker am Heck, die als Orientierungspunkte für die Kameraoptik des Rangiersystems dienen.

Spritsparen durch Platooning

Die technischen Möglichkeiten der näheren Zukunft sind damit noch längst nicht ausgereizt. Schon bald könnten Lkw etwa auf der Autobahn zeitweise automatisiert fahren. Bekanntestes Beispiel für diese Technik ist der sogenannte Highway Pilot, den Daimler seit kurzem auch auf deutschen Autobahnen testet. Wie von neueren Pkw bekannt übernimmt das Fahrzeug dann im gleichmäßigen Autobahnverkehr zeitweise das Lenken und die Regulierung der Geschwindigkeit. Ursprünglich sollte der Autopilot 2020 auf den Markt kommen, das Interesse der Speditionen ist offenbar jedoch so groß, dass er schon früher starten könnte. Der Charme der Technik aus Anwendersicht liegt nicht nur in der Entlastung des Fahrers auf monotonen Strecken und dem dadurch erreichten Sicherheitsgewinn, sondern auch in der gleichmäßigeren Fahrweise des Computers. Die spart Sprit und schont die Technik des Lkw. Auch anderer Lkw-Hersteller wie Scania oder MAN oder Zulieferer ZF arbeiten an ähnlichen Funktionen.

Daimler will die Lkw miteinander vernetzen
Autonom fahrende Actros dpa

Noch größer ist das Sparpotenzial beim sogenannten Platooning: dem Zusammenschluss mehrerer automatisiert fahrender Lkw zu einer Kolonne. Bis zu zehn Fahrzeuge könnten einen solchen autonomen Zug bilden und eng gestaffelt im Windschatten fahren. Rund sechs Prozent Kraftstoffeinsparungen prognostiziert eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger für solche Konvois – und stellt langfristig noch viel größere finanzielle Vorteile in Aussicht. Wenn die Technik so weit ist, dass der Fahrer die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten im fahrenden Fahrzeug einlegen kann, sinken die Personalkosten um sechs Prozent. Gar 90 Prozent sind drin, wenn Langstrecken-Lkw irgendwann gar keine Fahrer mehr benötigen. Dazu kommen schon heute sinkende Versicherungskosten beim Einsatz von Assistenzsystemen.

Wie schnell der komplett autonome Lkw kommt, ist noch unklar. Die Roland-Berger-Experten vermuten, dass die Transportbranche zunächst vor den hohen Investitionen in die neue Technik zurückschreckt. Die Kosten würden sich auf rund 21.000 Euro pro Lkw belaufen, 85 Prozent davon entfallen allein auf Software. Die Technologie werde daher wohl sehr viel früher zur Verfügung stehen als sie von der Branche angenommen wird, heißt es in der Studie.
Eine Teilautomatisierung wäre weniger kostspielig und könnte sich bei Fernverkehr-Lkw schon früher lohnen als in anderen Bereichen des Gütertransports. Fahrerlose Lkw-Kabinen wird man somit auf deutschen Autobahnen zwar in absehbarer Zeit nicht sehen. Daran, dass der Trucker entspannt im Cockpit sitzt und einen Film schaut oder Zeitung liest hingegen, sollte man sich schon mal gewöhnen. (SP-X)

Vorheriger ArtikelVW trennt sich in Zwickau von 700 Leiharbeitern
Nächster ArtikelFragen an den Autopapst im Juli 2017
Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

Keine Beiträge vorhanden