Zweigang-Automatik von ZF sorgt für mehr Reichweite

Zweigang-Automatik von ZF sorgt für mehr Reichweite
Der Zulieferer ZF hat einen E-Motor mit Zwei-Stufen-Automatik entwickelt. © ZF

Der Zulieferer ZF hat eine Zweigang-Automatik für Elektroautos präsentiert. Sie sorgt nicht nur für eine bessere Beschleunigung, sondern auch für mehr Reichweite.

Vorgestellt wurde das vor der Serienreife stehende System jetzt auf dem Lausitzring bei Dresden. Ein Schaltelement und die passende Leistungselektronik in der neu entwickelten E-Maschine ermöglichen in dem als Prototyp verwendeten VW Touran ein effizienteres Fahrverhalten und geringeren Energieverbrauch.

Die Kunden von ZF haben bei dem 2-Gang-Antrieb die Wahl: bei gleichbleibender Batteriegröße kann er einen besseren Wirkungsgrad anbieten. Oder aber er entscheidet sich für einen kleineren Akku, hat aber den gleichen Wirkungsgrad. Gerade bei Kleinwagen kann der kleinere Akku sehr interessant sein, um das Ladevolumen erhöhen oder Platz für die Passagiere gewinnen zu können.

Elektrische Maschine mit 190 PS Leistung

Die jahrzehntealte Getriebekompetenz von ZF und die damit verbundene ständige Optimierung der Getriebe für Verbrennermotoren zahlen unmittelbar ein auf die Charakteristik der Elektromobilität. Dank der Entwicklung des modularen Aggregats, einer elektrischen Maschine mit einer Maximalleistung von 190 PS in Kombination mit einem zweistufigen Schaltelement, haben Automobilhersteller die Wahl zwischen mehr Reichweite und besserer Performance.

Im E-Antrieb mit dem Momentum der zwei Gänge kommt es zu einem optimalen Zusammenspiel zwischen E-Motor und der Option zwischen zwei Übersetzungen. Relativ zur höheren Performance sinkt die Reichweite. Anders eingestellt kann die Reichweite maximiert werden, indem das System vom Bordcomputer errechnet früher, ab 50 km/h bis spätestens 100 km/h, in den zweiten Gang wechselt. „Die Verknüpfung unseres Know-hows in den Bereichen E-Maschine, Getriebe und Leistungselektronik stellt sicher, dass wir bereits ab Werk bestmögliche Reichweite pro Batterieladung anbieten“, berichtet Stephan Demmerer, der die Vorentwicklung E-Mobility bei ZF verantwortet.

Zweigang-Automatik sorgt für bessere Effizienz

Der zweite Gang der Zwei-Stufen-Automatik übernimmt ab Tempo 70 die Arbeit. Foto: ZF

Die Zahlen sprechen für sich: Bei einer Geschwindigkeit von unter 100 km/h verbessert sich die Beschleunigung um zehn bis 20 Prozent, jenseits der 100 km/h um 20 Prozent. Der Effizienzvorteil im WLTP Zyklus erreicht bis zu fünf Prozent. Eine erkleckliche Ausbeute. „Jedes Prozent Effizienz im Wirkungsgrad mündet in zwei Prozent mehr Reichweite“, betont Bert Hellwig, Leiter des Systemhauses E-Mobility bei ZF.

Auch die Höchstgeschwindigkeit konnte dramatisch gesteigert werden, von 160 km/h auf 215 km/h. Hinzu kommen zwei Zusatzfunktionen zum bisherigen rein elektrischen Fahren: die des Segelns im Freilauf, also bei ausgekoppeltem Gang, und der Hill Lock, das Halten am Berg ohne Zurückrollen.

Das Entweder-Oder zwischen hohem Anfahrdrehmoment zu Lasten einer höheren Endgeschwindigkeit wird beim elektrischen 2-Gang Getriebe zu einem Sowohl-Als-Auch. Und Hellwig ergänzt: „Der neue Antrieb wird für leistungsfähige und schwerere Fahrzeuge kompatibel sein – zum Beispiel für Pkw, die einen Anhänger ziehen.“ Aufgrund des modularen Ansatzes werde sich das 2-Gang Getriebe auch mit leistungsstärkeren E-Maschinen bis 340 PS kombinieren lassen. Somit können unterschiedliche Anforderungen auf Basis des modularen Konzepts befriedigt werden.

Flexibel auf Kundenwünsche einstellbar

Die Anbindung der Zweigang-Automatik an die CAN-Kommunikation des Fahrzeugs kann sich auf Kundenwünsche flexibel einstellen. Denn die Schaltstrategien lassen sich an das digitale Kartenmaterial und GPS ankoppeln. Das System könnte beispielsweise anhand einer eingegebenen Route erkennen, wie weit die nächste Ladestation entfernt ist und vorausschauend in einen Eco-Modus wechseln. Genauso wären effektivere Gangwechsel bei anspruchsvoller Topographie möglich. Demmerer ist überzeugt, dass dieser Antrieb für alle Alltagseinsätze taugt.

Bei zwei Gängen wollen es die Friedrichshafener derzeit belassen. Für Nutzfahrzeuge wären aber durchaus mehrere Gänge denkbar, weiß der Leiter der Vorentwicklung. Die Frage ist wie immer, ob sich seitens der Hersteller Interesse an dem Modul für ein elektrisches Schwergewicht regt. Denn wenn die ZF Entwickler sagen, dass etwas denkbar ist, kann man getrost darauf vertrauen, dass sie wissen, wie eine gute elektrische Mehrganglösung für Nutzfahrzeuge aussehen könnte.

Hersteller bekunden Interesse

Für Pkw könnte die Zweigang-Automatik schon jetzt direkt auf die Straße. Mehrere Hersteller, sagt ZF, bekunden Interesse. Schließlich erlaubt es dieser neue Ansatz, den E-Fahrzeugen typgerecht unterschiedliches Fahrverhalten einzuhauchen und bei der potentiellen Klientel, die von den Verbrennungsmotoren und deren Reichweite verwöhnt ist, deren nach wie vor grassierende Reichweitenangst zumindest deutlich zu lindern.

Wie kommt man auf diese grundlegende Idee? „Für uns ZFler ist es naheliegend, ein Getriebe zwischenzuschalten“, lächelt Demmerer. Am Hauptsitz des Technologiekonzerns in Friedrichshafen sitzen alle neun Systemhäuser von Forschung und Entwicklung, die Wege sind kurz, man diskutiert miteinander beim Kaffee, das Know-how ist im Unternehmen – und ganz offensichtlich agiert man agil. Weil eine E-Maschine sehr viele Parameter beinhaltet, lasse sich noch an vielen Stellschrauben drehen. Das Ende der Fahnenstange in punkto weiterer Optimierung sei beileibe noch nicht erreicht.

Schneller Entwicklungsprozess

Wer sagt, die deutsche Industrie hätte die E-Mobilität verschlafen? Von der Idee bis zur Vorstellung des ersten straßentauglichen Prototyps mit der Zweigang-Automatik Anfang Juli ist bei ZF noch kein Jahr vergangen. Auch Startups sind nicht schneller. Der Touran meisterte seine Fahrvorstellung mit Bravour, so dass nichts dagegen spräche, das Fahrzeug mit dieser Weltneuheit an Bord schon morgen in Serie zu sehen. Das Ziel, ein modulares skalierbares Getriebe zu bauen, kombinierbar mit verschiedenen E-Maschinen, ist erreicht. Weiter geht es mit Feilen und Schrauben, um dem ZF-Gesamtsystem ein Mehr an Optimierung zu entlocken.

Der modulare Ansatz, der es erlaubt, das elektrische Antriebskonzept auch für sportliche Fahrzeuge zu skalieren, kann einen merklichen Beitrag beisteuern zu einer besseren und nachhaltigeren Mobilität, ist ein wichtiger Baustein im von ZF ausgerufenen neuen Motto  „MobilityLifeBalance“. Es verfolgt das Ziel einer sauberen und sicheren Mobilität, die automatisiert, komfortabel und bezahlbar sein soll für jedermann.

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Susanne Roeder
Während des Studiums der englischen und klassischen Philologie in Freiburg, Cambridge, Oxford und Promotion in englischer Sprache arbeitete sie bei BBC Radio Oxford und deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern. Bei einer Agentur mit Mercedes als Hauptkunden begann ihre Liebe für Automobile. Nach Stationen als Pressesprecherin in der Industrie ist sie mit Globaliter Media selbständige Journalistin.

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