Der Technologiekonzern ZF ist auch im Motorsport aktiv. Dafür zuständig ist bei den Friedrichshafenern der von Sascha Ricanek verantwortete Geschäftsbereich Race Engineering.
Audi ist nicht mehr dabei, BMW und Mercedes auch nicht. Als einziger deutscher Hersteller ist nur noch Porsche in der Formel E vertreten. Das Interesse an der rein elektrischen Rennserie hat bei den deutschen Autobauern merklich nachgelassen. Offensichtlich benötigen Audi und Co die in der Formel E gemachten Erfahrungen für die Serienentwicklung der E-Mobilität nicht mehr. Ist der so häufig beschworene Technologietransfer aus dem Motorsport in die Serie also nicht mehr nötig?
„Doch“, sagt Sascha Ricanek, der Chef der ZF-Tochter Race Engineering. Der Ausstieg von Herstellern wie Audi und zuletzt Mercedes – die Stuttgarter holten zweimal in Folge den WM-Titel – habe indes nichts mit einem gesunkenen Interesse an der Formel E zu tun. „Motorsport wird gerade in Krisenzeiten konsolidiert. Vor diesem Hintergrund fließen die Gelder gerade in die Bereiche, wo es aus wirtschaftlichen Aspekten am meisten Sinn macht“, sagt Ricanek.
Formel E hat für ZF herausgehobene Rolle
Innerhalb des Motorsport-Engagements von ZF spielt die Formel E für den Technologiekonzern eine herausgehobene Rolle, „sie ist unser Zugpferd“. Für Ricanek hat die Formel E das Potenzial perspektivisch die Formel 1 – die Königsklasse des Motorsports – abzulösen. „Deshalb muss man am Ball bleiben, dafür braucht es aber viel Leidenschaft.“
Für ZF erweist sich die rein elektrische Rennserie auch unter wirtschaftlichen Aspekten als wichtiger Bereich. Hier könne der Technologiekonzern seinen Kunden zeigen, was er im Angebot hat. „Für uns und unsere Partner ist die Formel E ein Sprungbrett der Technologie in die Serie. Wir sehen das auch im Alltag, wo ZF Milliarden-Aufträge im Bereich der E-Mobilität generiert.“ Für Ricanek treibe trotz des Ausstieges von Herstellern wie Audi, BMW und Mercedes die Formel E die Transformation in die E-Mobilität enorm voran. “Damit ist sie für uns und unsere Mitarbeiter ein Motivator, technologisch nach vorne zu denken, auch wenn das ein oder andere noch nicht so greifbar ist.“
Klar sei vieles bei der E-Mobilität noch unklar. Zudem wisse man nicht, wie schnell sie sich auf den verschiedenen Märkten weltweit entwickle. Doch das dürfe nicht dazu führen, dass man in seinem Entwicklungs- und Transformationstempo nachlasse. Letztlich sei das Engagement in der Formel E und in anderen Bereichen des Motorsports wie beispielsweise den GT-Serien für einen Zulieferer nichts anderes als ein Geschäft. „Und das Geschäft ist, die Technologie in die Serie zu bringen. Deshalb braucht es Race to Road.“
Motivation für die Mitarbeiter
Und, was kann die Formel E technologisch derzeit noch bewirken? Eine Menge, ist Ricanek überzeugt. „Sie hilft uns dabei zu sehen, welche nächsten Schritte wir bei der Entwicklung für die Serie gehen müssen.“ Dazu gehören beispielsweise Themen wie Ladekapazitäten oder das Energiemanagement. Das sporne die Mitarbeitenden intern sehr an – und sei zudem eine Visitenkarte für die Kunden. „Sie zeigt, dass wir Highperformance liefern können.“ Bei allen Anstrengungen steht aber ein Aspekt im Fokus aller Anstrengungen: es ist die Software. „Wir reden eigentlich nur noch über Software. Das ist das ganz große Thema. Klar ist die Hardware wichtig und fundamental, aber im Elektroauto ist die Software das entscheidende. Sie sorgt dafür, dass möglichst intelligent vorausgesehen wird, was geschieht. Wir nutzen dafür mittlerweile auch KI, weil wir verstehen müssen, was als nächsten geschieht.“
Bei den Chips kommt auch dem Thema Silizium-Karbid und hier der Kooperation mit Wolfspeed eine besondere Bedeutung zu. So soll Wolfspeed den nächsten Chip der neuen Generation für die Formel E entwickeln. Dazu führe man bereits Gespräche mit dem US-Konzern, mit dem ZF im saarländischen Ensdorf eine Fabrik für Silizium-Karbid Halbleiter bauen will. Selbst bei den derzeit im Einsatz befindlichen Hochleistungsrechnern stößt man zunehmend an seine Kapazitätsgrenzen, weshalb man neue, noch leistungsfähigere Chips benötigt“; so Ricanek.
Mahindra im Klassement weit abgeschlagen
In der Formel E ist ZF mittlerweile seit der Saison 3 vertreten, damals noch als Antriebspartner des Rennstalls Venturi. Seit der Saison 6 arbeitet der Technologiekonzern mit Mahindra zusammen. Daneben ist der Powertrain von ZF auch im Kundenteam von Abt Cupra verbaut. „Darauf sind wir stolz, da wir damit auch noch mehr Daten sammeln können. Jedes Kundenteam hilft, die Entwicklungsschritte zu beschleunigen“, sagt Ricanek, den wir kurz vor dem Double Header Ende April in der Boxengasse zum Gespräch getroffen haben.
Richtig erfolgreich lief es bis dahin für beide Teams nicht – und auch nach den zwei Rennen auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof sah es beim Blick aufs Gesamtklassement nicht besser aus. Mahindra rangierte nach dem Rennwochenende auf Platz acht, Cupra auf dem elften und letzten Rang. Es ist ein Ergebnis, was Ricanek natürlich nicht zufrieden stellt. „Das ist nicht unser Anspruch als Zulieferer und Projektpartner. Dafür treten wir nicht an, um auf den hinteren Plätzen zu stehen.“ Man arbeite daran, dass das schnell besser wird. Aber eigentlich sei die Saison gelaufen. Doch woran liegt es, dass es nicht besser läuft? Ist der Antriebsstrang nicht konkurrenzfähig? Doch, ist er, so Ricanek, „aber wir haben im Vorfeld wichtige Teile nicht bekommen, mussten zu lange entwickeln, sodass das Gen3-Fahrzeug zu spät fertiggestellt wurde“. Entsprechend konnte man mit dem neuen Fahrzeug nicht ausreichend testen. So etwas holt einen dann ein, da müssen wir durch.“
Besser wurde es für Mahindra und Abt Cupra auch am vergangenen Wochenende nicht. Nach dem Rennen in Monaco rangiert Mahindra nun sogar vor Abt Cupra mit 27 Punkten auf dem zehnten und damit vorletzten Platz. In dieser Saison stehen noch Rennen in Jakarta (3./4. Juni), Portland (24. Juni), Rom (15./16. Juli), und London (29./30. Juli) auf dem Programm, Etwas Zeit hat das Mahindra-Team also noch, ein paar Ränge im Klassement nach oben zu steigen.