Der Zulieferer ZF hat sich ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt. So will man bis 2040 zur Klimaneutralität kommen – und das ohne Zertifikate.
Die Automobilindustrie hat sich anspruchsvolle Ziele zur Vermeidung der CO2-Emissionen und damit auf dem Weg zur Klimaneutralität gesetzt. Mercedes beispielsweise will bis 2039 zur Klimaneutralität kommen, VW will bis 2050 bilanziell CO2-neutral sein.
Dem Ziel der Klimaneutralität haben sich aber nicht nur die Hersteller verschrieben, sondern auch Zulieferer wie das Friedrichshafener Unternehmen ZF. Dort hat man sich vorgenommen, bis 2030 die CO2-Emissionen an seinen weltweiten Standorten um 80 Prozent im Vergleich zu 2019 zu reduzieren. Das Ziel der Klimaneutralität soll 2040 erreicht sein, wie ZF-Vorstandschef Wolf-Henning Scheider in der Vorwoche bei einem Technologie-Workshop im niedersächsischen Jeversen sagte.
ZF setzt auf Vermeidung statt Kompensation
Mit dieser Zielsetzung ist ZF nicht allein, auch die Konkurrenten Bosch und Continental verfolgen sie. Den Weg dorthin gehen die Friedrichshafener dabei aber besonders konsequent. Statt bilanziell zur Klimaneutralität zu kommen, was man zum Beispiel mit Hilfe von CO2-Kompensation kann, setzt man bei ZF auf Vermeidung. „Wir wollen das Ziel der CO2-Neutralität ganz ohne Zertifikate erreichen“, sagte Scheider der Autogazette. Als ein Beispiel zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks von ZF nennt Scheider den Einkauf von klimaneutral produzierten Materialien wie grünem Stahl.
Erst im Mai hat ZF eine Liefervereinbarung mit dem schwedischen Start-up H2 Green Steel geschlossen. Die Schweden beliefern ZF zwischen 2025 bis 2032 mit jährlich 250.000 Tonnen grünem Stahl. Dies entspricht zehn Prozent des aktuellen Stahlbedarfs des Zulieferers und sorgt nach Unternehmensangaben für eine jährliche CO2-Einsparung von rund 475.000 Tonnen.
Vorgelagerte Emissionen reduzieren
Mit Maßnahmen wie diesen setzt ZF darauf, die vorgelagerten Emissionen deutlich zu reduzieren. Auf dem Weg zur Klimaneutralität versucht ZF dabei auch seine über 157.000 Mitarbeiter weltweit mitzunehmen. Dazu hat man beispielsweise den konzernweiten „Excellence Award“ im Vorjahr um die Kategorie Nachhaltigkeit erweitert. Die Auszeichnung sicherten sich die Mitarbeiter im mexikanischen Werk in Chihuahua. Sie entwickelten ein System, das jährlich 30 Tonnen Einweg-Plastikfolie für Transportzwecke einspart, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.
Statt Plastikfolie werden nun Transportverpackungen aus Resten von Sicherheitsgurten und Textilgewebe alter Airbags verwendet, die sonst weggeworfen worden wären. Ein weiteres Beispiel aus dem Nachhaltigkeitsbericht ist das des Standortes Schweinfurt. Dort wurde ein 14.000 Quadratmeter großes Carport-Dach mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet. Damit wird Strom mit einer Maximalleistung von 2,5 Megawatt erzeugt, der für die Produktion genutzt wird. Dadurch ergibt sich eine CO2-Einsparung von jährlich über 1200 Tonnen.
Anteil der Erneuerbaren steigern
Auf dem Weg zur Klimaneutralität kommt dem Einsatz Erneuerbarer Energien eine besondere Bedeutung zu. So soll der Strombedarf bis 2030 vollständig aus nachhaltigen Quellen bestritten werden; der Anteil fossiler Energien wird nach und nach heruntergefahren. So will ZF seine Werke in Deutschland in den Jahren 2022 bis 2025 mit bis zu 210 Gigawattsunden Grünstrom versorgen. Das entspricht einem Anteil von rund 30 Prozent am Gesamtverbrauch der deutschen Standorte. Dadurch ergibt sich eine jährliche CO2-Reduktion von 80.000 Tonnen.
Für den Bezug der Erneuerbaren hat ZF mit dem norwegischen Statkraft-Konzern für die Jahre 2022 bis 2023 einen Liefervertrag über Strom aus Windparks in Sarragossa/Spanien geschlossen. Danach kommt der Grünstrom für die Jahre 2024/2025 von Envos Energie Deutschland, der ihn aus einem Onshore-Windpark in Skandinavien bezieht.
Nach den Zielen der Bundesregierung soll der Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2030 bei 80 Prozent liegen. Damit das gelingt, soll der Anteil von Wind- und Solarstrom bis dahin fast verdoppelt werden. So sieht es das „Osterpaket“ der Bundesregierung vor.
Und, glaubt Scheider, dass Deutschland sein Ziel erreicht, bis 2045 zur Klimaneutralität zu kommen? Wünschenswert wäre es, sagt der ZF-Chef. Ein abschließendes Urteil dazu will er aber nicht treffen. Das sei in Zeiten wie diesen wie ein Blick in die Glaskugel. Eines weiß er aber und verweist auf die Nachfrage nach Windkraftanlagen, für die ZF Getriebe herstellt. „Um die Ausbau-Ziele zu erreichen, müssten wir die dreifache Menge ausliefern.“
ZF arbeitet mit Polestar am CO2-freien Auto
Mit welchem Nachdruck ZF das Thema Klimaneutralität verfolgt, lässt sich auch daran ablesen, dass ZF sich als erster Tier-1 Zulieferer am Project eines klimaneutralen Fahrzeuges von Polestar beteiligt. Die schwedische Elektromarke hat sich vorgenommen, bis 2030 ein CO2-neutrales Fahrzeug zu produzieren. Angesichts der eigenen Strategie zur Klimaneutralität hätte man nicht lange überlegen müssen, sich an diesem Projekt zu beteiligen, sagte Scheider. „Wenn mehre kluge Köpfe sich zusammen schließen, kommt auch etwas Kluges dabei heraus“, ist der ZF-Chef überzeugt.
Das Ziel eines CO2-neutralen Fahrzeugs hatte Polestar-Chef Thomas Ingenlath im Interview mit der Autogazette im Vorjahr auf der IAA Mobility selbst noch als ein momentan unrealistisches Ziel bezeichnet. „Doch wir müssen uns jetzt solche Ziele setzen, um sie in 2030 zu erreichen. Wenn wir den Klimawandel halbwegs in den Griff bekommen wollen, müssen wir dies in zehn Jahren hinkriegen.“
Allerdings, so ergänzte Ingenlath, liege die Verantwortung für die Erreichung der Klimaziele nicht nur bei der Autoindustrie, sondern alle Sektoren müssten ihren Beitrag leisten. Kritisch äußerte er sich zu den Herstellern, die das Ziel der Klimaneutralität nur bilanziell erreichen wollen. „Wenn ich einen Beitrag gegen den Klimawandel leisten will, dann kann ich das nicht mit Greenwashing erreichen“, so Ingenlath. Es ist eine Denke, die man auch bei ZF teilt.