Xpeng G6: Spaßbringer nicht nur an der Ladesäule

Xpeng G6: Spaßbringer nicht nur an der Ladesäule
Der Xpeng G6 gibt sich bei den Testfahrten kein große Blöße. © Mertens

Die Zulassungsstatistik des Kraftfahrt-Bundesamtes weist für Xpeng nur homöopathische Absatzzahlen aus. Mit der Qualität der Modelle hat das aber nichts zu tun, wie unser Test mit dem Mittelklasse-SUV G6 zeigt.

Es sind Zahlen, die ernüchternd sind. Nach vier Monaten kommt der chinesische Hersteller Xpeng in der Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) auf gerade einmal 639 Neuzulassungen. Diese Zahlen sagen indes wenig aus über die Qualität der Modelle von Xpeng.

Denn Xpeng hinterlässt mit seinen bislang drei in Deutschland erhältlichen Fahrzeugen wie dem Flaggschiff G6, der Limousine P7 und dem von uns gefahrenem Mittelklasse-SUV G6 einen überzeugenden Eindruck. Vor dem Hintergrund der Produktqualität hat sich Deutschlandchef Markus Schrick auch ambitionierte Ziele gesetzt. Bis 2027 will er mit jedem Modell in dessen Segment unter den rein elektrischen Fahrzeugen auf einen Marktanteil von drei Prozent kommen. Momentan liegt man in der Gesamtbilanz aller Antriebsarten gerade einmal bei 0,1 Prozent

G6 stellt sich starker Konkurrenz

Der Blick durch die globale Brille stimmt dabei aber zuversichtlich. Nach vier Monaten konnte Xpeng 129.000 Einheiten absetzen, ein Plus von 313 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Unter den in Deutschland bislang drei erhältlichen Modellen ist der G6 aber ohne Frage der attraktivste. Das Mittelklasse-SUV stellt sich dabei der Konkurrenz von Modellen wie beispielsweise einem VW ID.5, einem BMW iX2 oder einem Ford Capri.

Reduziert aufs Wesentliche: das Cockpit des Xpeng G6. Foto: Mertens

Im Gegensatz zu diesen Konkurrenzmodellen bietet der G6 aber einen einen günstigeren Preis, der zudem mit einer umfangreichen Serienausstattung einhergeht. So startet der Xpeng G6 RWD Standard Range bei attraktiven 43.600 Euro. Für den von uns gefahrenen G6 RWD Longe Range werden mindestens 47.600 Euro fällig. Das Topmodell, der G6 Performance mit Allrad, steht mit 51.600 Euro in der Preisliste. Wer sich bis Ende Juni für den Kauf eines Neuwagens entscheidet, für den hat der Hersteller gerade eine Eintauschprämie von 3000 Euro ausgelobt.

Verzicht auf Hebel Knöpfe

Wer das erste Mal in Kontakt mit dem G6 tritt, ist indes gut beraten, sich im Vorfeld über die Bedienung zu informieren. Denn auf Tasten und Drehregler haben die Chinesen überwiegend verzichtet. Bis über den Gangwahlhebel, Blinker, Scheibenwischer und Sitzverstellung müssen alle weiteren Funktionen wie beispielsweise die Spiegelverstellung über das Infotainmentsystem bedient werden. Dafür muss man zwar kein Digital Native sein, aber etwas Beschäftigung hilft dabei, auch schnell das zu finden, was man gerade sucht. Einige Funktionalitäten können aber auch über die Bedientasten am Lenkrad aufgerufen werden.

Der Xpeng G6 zeichnet Erschütterungen am Fahrzeug auf und informiert darüber per App den Fahrer. Foto: Mertens

Daneben gibt es auch eine App, die es ermöglicht, beispielsweise das Fahrzeug zu öffnen oder zu schließen, das Fahrzeug vorzuheizen oder beispielsweise die Ladeklappe (erfreulicherweise rechts hinten) zu öffnen. Über die App kann zudem auch der Überwachungsmodus aktiviert werden. Überwachungsmodus? Ja, so etwas bietet auch der Xpeng. Das System wird in dem Moment aktiv, indem das Auto merklich berührt wird. Stellt das Auto eine Berührung fest, zeichnet es den Vorfall auf und informiert darüber den Fahrer. Der kann es sich das Videos des Ereignisse dann im Zentraldisplay des Fahrzeugs anschauen. Wessen Auto zuletzt wie das des Autors in Berlin mehrfach von Fahrerflüchtigen beschädigt wurde, weiß so etwas sehr zu schätzen.

Wichtige Infos auf Übersichtsseite

Damit der Fahrerin oder Fahrer des G6 auch gleich alle wichtigen Informationen parat haben, werden sie auf einer Übersichtsseite präsentiert. Dazu reicht es, auf dem Startbildschirm die Seite nach unten zu wischen. Das ist gut gemacht. Da ich es selbst mit der Einarbeitung in den Xpeng vor der ersten Auswahl nicht so genau genommen habe, hat es indes etwas gedauert, bis ich den adaptiven Geschwindigkeitsassistenten gefunden habe. Dazu reicht es, den Gangwahlhebel nach unten zu drücken – schon ist das System aktiviert und der Xpeng fährt teilautonom auf Level 2. Allerdings muss man dann auch den Hände fest am Lenkrad lassen, will man nicht vom Aufmerksamkeitsassistenten ermahnt werden.

Wer übrigens während der Fahrt gähnt, der bekommt im Mitteldisplay den Hinweis „Schläfrigkeit des Fahrers erkannt“ angezeigt. Das das System indes nicht auf für längere Zeit geschlossene Augen reagiert, überrascht dann doch.

Apropos Kameras: Natürlich gibt es eine 360 Grad Ansicht, die das Ein- und Ausparken deutlich erleichtern. Darüber hinaus zeigt beim Einparken das System im Mitteldisplay auch den Abstand zu dem vor oder hinter einem liegenden Hindernis an. Das ist ein prima Sache, da die Sicht nach hinten durch die kleine Heckscheibe doch arg eingeschränkt ist – aber das kennt man ja mittlerweile von vielen neuen Autos.

Verbesserter XPilot

Aerodynamisch designt: das Heck des Xpeng G6. Foto: Mertens

Natürlich lassen sich die Systeme des Xpeng auch Over-the-Air (OTA) updaten und damit immer auf dem neusten Stand halten. Während unserer Testphase wurde übrigens die neuste OTA-Version XOS 5.6 publiziert, die wir ohne Probleme installieren konnten. Das jüngste Softwareupdate soll laut Xpeng dazu beigetragen haben, den sogenannten XPilot (er bündelt die verschieden Assistenzsystem) weiter zu optimieren. So soll nicht nur die adaptive Spurführung deutlich verbessert worden sein, sondern die Kameras am Auto können sich nun automatisch kallibrieren, was die Genauigkeit der Spurführung erhöhen soll. Den Unterschied haben wir bewusst nicht feststellen können. Doch eines lässt sich sagen: Sowohl der adaptive Geschwindigkeitsassistent wie auch die Spurführung agieren sehr harmonisch.

Noch ein Wort zum Innenraum: der ist sachlich gestaltet und die die Materialien machen optisch und haptisch einen guten Eindruck. Das gefällt. Wenn es denn etwas gibt, was nicht optimal ist, sind es die Vordersitze: Hier stand der Wunsch nach Komfort klar im Vordergrund; sie könnten etwas mehr Straffheit vertragen, sie sind schlicht zu weich. Ach ja: eine feine Sache ist übrigens, dass die Informationen beispielsweise des Navigationssystems über einen in der Kopfstütze installierten Lautsprecher ausgeben werden. Vorne wie hinten bietet der 4,75 Meter lange G6 ausreichend Platz; im Fond können auch Großgewachsene längere Fahrt bequem aushalten.

Sportliche Beschleunigungswerte

Bei den Testfahrten hinterließ das Fahrwerk des G6 einen guten Eindruck. Die Dämpfer bügeln schlechte Straßenverhältnisse souverän aus. Das Lenkrad setzt die Befehle des Fahrers oder der Fahrerin direkt um, das gefällt. Mit seiner Leistung von 286 PS stellt der G6 ausreichend Leistung und Drehmoment (440 Nm) zur Verfügung, um flotter von A nach B zu kommen. Wer es eilig hat, der kann den Sprint von 0 auf 100 km/h in 6,7 Sekunden absolvieren. Die Höchstgeschwindigkeit liegt übrigens bei 200 km/h an. Und, wie schaut es mit der Effizienz aus? Gut, sehr gut sogar. Bei unseren Testfahrten von Berlin in den Harz und zurück genehmigte sich der G6 mit seiner 84 kWh (netto) starken Batterie (Reichweite 570 kW) gerade einmal 18,4 kWh/100 km. Das sind nur unwesentlich mehr, als die nach WLTP in Aussicht gestellten 17,5 kWh/100 km.

Schnelles Laden garantiert: der Xpeng G6 an der Ladesäule. Foto: Mertens

Spaßig wird es dann an der Ladesäule. Denn dank seiner 800 Volt-Architektur offeriert der G6 eine Ladeleistung von bis zu 280 kW. Damit lässt sich der Akku in gerade einmal 20 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufladen. So steht es auf dem Papier – und auch in der Praxis kommt der G6 an einer entsprechenden Schnellladestation dieser Ladedauer bei entsprechender Vorkonditionierung ziemlich nah. Wir kamen beim Ladestopp bei einem SOC von 10 Prozent bis 84 Prozent auf eine maximale Ladeleistung von 258,3 kWh, durchschnittlich wurde die Batterie mit 174,5 kW geladen. So flossen in 23 Minuten 68,38 kW in den Akku.

Am Ende der zweiwöchigen Testfahrten fiel das Abschiedsnehmen vom G6 dann doch arg schwer, so gut hat der chinesische Stromer seine Sache nicht nur an der Ladesäule gemacht. Mit seinem Gesamtauftritt liegt der G6 auf Augenhöhe mit seinen Konkurrenten – und wartet zudem mit einem attraktiven Preis bei einer umfangreichen Ausstattung auf.

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