Das Angebot chinesischer Pkw auf dem deutschen Markt wächst rasant. Dazu gehört auch die Marke Wey vom Konzern Gerat Wall Motor. Wir waren mit dem WEY 05 unterwegs.
Es ist, als feiere ein Polit-Klischee aus der Kaiserzeit fröhliche Urständ: Eine „gelbe Gefahr“ wurde damals beschworen, heute blickt mancher deutsche Automanager mit zunehmender Sorge auf jedes am Auto-Terminal Bremerhaven neu ankommende Schiff aus dem Reich der Mitte.
Die Sorge ist nicht unberechtigt, denn die Fahrzeuge an Bord sind in aller Regel nicht nur technisch absolut konkurrenzfähig, sondern oft auch deutlich günstiger zu haben als vergleichbare einheimische Produkte. So wie der Wey 05.
Als Plug-In-Hybrid soll der Wagen im Nahbereich zu emissionsfreiem Fahren einladen, gleichzeitig Reichweiten-Angst dämpfen, da das Tankstellennetz vor allem im ländlichen Raum immer noch dichter geknüpft ist, als das der Ladesäulen. Der Wagen ist mit 4,87 Metern nahezu genauso lang wie ein VW Touareg und wird außer von einem Zweiliter-Benziner noch von zwei permanenterregten Synchronmotoren angetrieben, die zusammen eine Systemleistung von 350 kW (476 PS) abgeben. Während der in Bratislava gebaute Touareg als Plug-in-Hybrid für rund 100.000 Euro in der Preisliste steht, kostet der WEY 05 knapp 60.000 Euro.
Mehrfache Bedienungs-Optionen

Dies könnte so mache Kunden nachdenklich machen, zumal der chinesische Hersteller bei der Ausstattung nicht geizt. Angefangen von 21-Zoll-Alus und rundum LED-Licht, über Head-Up-Display mit Abstandswarnung, Insassenerkennung und einem kompletten Arsenal an Sicherheits- und Assistenz-Systemen, bis zu 360-Grad-Kamera, Motorsound-Simulator, Lenkradheizung, Sitzbelüftung und elektrischer Heckklappe ist alles vorhanden, was das Fahren komfortabel und sicher macht. Mittels Spracherkennung können diverse Funktionen von der Sender-Einstellung am Radio bis zu Klima- oder Navi-Steuerung aktiviert werden, obwohl das meiste davon auch über Tasten oder Touchscreen möglich ist.
Sich mit der Spracherkennung schnell anzufreunden, hat Vorteile: Man erspart sich die Suche in den Untermenüs des 14,6 Zoll großen Hauptbildschirms und vermeidet Ermahnungen durch die Fahrerüberwachung, denn wer zu lange auf den Monitor oder einen Moment auf das umgebende Bergpanorama schaut, riskiert einen Anranzer: „Seien Sie nicht geistesabwesend“, heißt es dann aus den Lautsprechern mit dem Tonfall einer Lehrerin, die einen gerade beim Abschreiben erwischt hat. Die Dame ist im Duktus durchaus variabel, vom servilen „vielen Dank fürs Fahren“ bis zum ruppigen „was ist los?“ reicht die Bandbreite. Die Freude über das Abschalten dieser Wortmeldungen währt nicht lange: Bei Antritt der nächsten Fahrt sind sie automatisch wieder da.
Ablesbarkeit beeinträchtigt
Unter dem Hauptmonitor befindet sich ein zweiter Touchscreen, mit dem Klima- und Sitz-Einstellungen geregelt werden können. Es ist allerdings fast waagerecht angebracht, so dass Reflektionen die Ablesbarkeit häufig beeinträchtigen. Das geschmackvoll gestaltete Cockpit weiß in seiner Gesamtheit zu gefallen, jedoch ließ der Testwagen auf Kleinsteinpflaster immer wieder durch Knarzgeräusche in diesem Bereich erkennen, dass bei der Verarbeitungsgüte der Bauteile noch Luft nach oben ist. Alle Bedienelemente sind am rechten Fleck und gut zu handhaben, lediglich die Rückstell-Automatik des Blinkerhebels erwies sich als nicht immer zuverlässig.
Die Platzverhältnisse sind komfortabel. Vorn beträgt die Kabinenbreite 1,53 Meter, hinten immerhin noch 1,46 m. Rautensteppung an Verkleidungen und Polstern sorgen für ein edles Ambiente. Auch an der Beinfreiheit der Fondpassagiere gibt es nichts zu tadeln, dafür sorgen 2,91 Meter Radstand. Den Vorzug von beheizbaren Polstern dürfen die hinten Sitzenden ebenso genießen wie die Frontinsassen, gegen starke Sonneneinstrahlung schützen sie sich mit extra Sonnenblenden. Die Ladekante befindet sich in 78 cm Höhe und der Kofferraum hält ein Volumen von 517 Litern, und wenn man die teilbaren Rücklehnen gänzlich umlegt, entstehen 1229 Liter.
Enorme elektrische Reichweite
Obwohl der Wey 05 „Luxury“ mit gemessenen 2380 kg Leermasse alles andere als ein Leichtgewicht ist, ließen sich bei den Testfahrten keine Dynamik-Defizite erkennen. Das enorme System-Drehmoment von 847 Newtonmetern peitscht die Fuhre dank Allradantrieb in fünf Sekunden auf 100 km/h und die GPS-Messung der Endgeschwindigkeit zeigte exakt das vom Datenblatt vorgesehene Ergebnis: 235 km/h. Sport-Einstellungen für Lenkwiderstand und Fahrwerk-Abstimmung sind vorhanden, verändern das fühlbare Fahrerlebnis aber nur in Nuancen.
Zwar erscheint der Benzintank mit 55 Litern für ein komfortables Reisemobil etwas klein, doch liegt der Vorteil des Fahrzeugs an anderer Stelle. Es ist ein 40-kWh-Akku an Bord, der bis zu 156 km elektrische Reichweite ermöglichen soll. In diesem Test waren es annähernd 150 km, was im Vergleich zu anderen PHEV enorm ist. Die Ladeleistung ist für Gleichstrom-Nutzung mit 50 kW angegeben, wobei in mehreren Versuchen die Ladekurve der Säule sogar bis zu 54 kW anzeigte. Für ein Auffüllen von null bis 80 Prozent sind etwas mehr als 50 Minuten zu kalkulieren. Bei entladener Batterie soll der Wagen mit acht Litern je 100 Kilometer auskommen, was angesichts des Gewichts jedoch sehr optimistisch erscheint.
Optisch und technisch orientiert sich der Wey 05 an gehobenem europäischen Standard. Wenn der Hersteller Vertrieb, Wartung und Service auf das gleiche Niveau bringt, dürften sich bald weit mehr als die rund 700 Kunden für ihn erwärmen, die vergangenes Jahr in Deutschland als Neuzulasser registriert wurden. In der Disziplin Preis-Leistungs-Verhältnis setzt er schon jetzt Maßstäbe.