Sie wollten in den Weihnachtsurlaub und stecken stattdessen entnervt an Flughäfen fest: Ausgerechnet an einem der wichtigsten Reisetage des Jahres macht heftiger Schneefall tausenden Menschen einen Strich durch die Rechnung. Ein Ende für das Chaos ist nicht in Sicht.
Frust am Flughafen statt Weihnachtsurlaub, heißt es für Tausende in Europa. Heftiger Schneefall hat am Samstag den Luftverkehr von London bis Budapest gelähmt. Am Amsterdamer Airport Schiphol mussten rund 3000 Menschen die Nacht verbringen. In Frankfurt musste die Polizei nach Tumulten in der riesigen Schlange vor der Gepäckabfertigung eingreifen. Auch mit Zug und Auto hatte man quer durch Europa schlechte Karten - Schnee und Eis sorgten für Verspätungen und Staus.
Engpässe beim Streusalz
Schlimmer noch: Schon jetzt kündigt sich ein ziemlich unangenehmer Winter an. Hielten sich Schnee und Eis weiter so hartnäckig, könnten keine geräumten Straßen mehr garantiert werden, warnte der Städte- und Gemeindebund. Der Streusalz-Hersteller K+S schließt Lieferengpässe wie im vergangenen Winter nicht mehr aus. «Wir produzieren an allen Standorten rund um die Uhr», sagte Konzernchef Norbert Steiner der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung».
Nach hunderten Unfällen und gewaltigen Staus am Freitag rollte zumindest der Verkehr in Deutschland trotz Schnee und Eis am Samstag wieder. Für Sonntag droht jedoch neuer Ärger: Vor allem im Südwesten soll es Schneeregen geben. Andere Länder traf es schon jetzt härter. Unter anderem in Großbritannien und Frankreich steckten in der Nacht zum Samstag hunderte Menschen stundenlang in Staus fest.
Unruhe bei Fluggästen
Vor allem brachte der Schnee am Samstag aber europaweit die Flugpläne durcheinander. In Deutschland war die Lage am Drehkreuz Frankfurt am schlimmsten. Am größten deutschen Airport saßen hunderte Passagiere fest - viele schon seit Freitag. Das Problem waren nicht nur die eingeschneiten Bahnen in Frankfurt. Viele Flüge fielen aus, weil die Zielflughäfen geschlossen oder überlastet waren.
Allein bis Mittag wurden in Frankfurt 172 Flüge gestrichen, am Vortag waren bereits 560 von 1400 Flügen ausgefallen. Dadurch gab es allein seit Freitag einen Rückstau von etwa 2500 Fluggästen. In der endlos langen Schlange vor der Gepäckabfertigung lagen die Nerven blank. Als frisch angekommene Fluggäste versuchten, eine neue Schlange für aktuelle Flüge zu bilden, sahen einige seit Stunden festsitzende Menschen laut Augenzeugen rot. Nach tumultartigen Szenen ging die Polizei dazwischen.
1700 Feldbetten in Shiphol
Die Lufthansa wechselte auf einen Sonderflugplan. Das bedeutet, dass zahlreiche Flüge innerhalb Deutschlands und Europas von und nach Frankfurt gestrichen werden, hieß es. Konkrete Zahlen nannte die Lufthansa zunächst nicht.
In Schiphol wurden 1700 Feldbetten aufgestellt - doch für die rund 3000 Gestrandeten reichte das nicht. «Andere Fluggäste schliefen auf Stühlen und Bänken», sagte ein Sprecher des Amsterdamer Flughafens der Nachrichtenagentur ANP. Auch am Samstag waren viele Flüge gestrichen oder verspätet, berichtete der Radiosender NOS.
Urlauber sitzen in Nairobi fest
In London fielen am Samstag binnen weniger Stunden bis zu 15 Zentimeter Schnee, danach ging an den großen Airports Heathrow und Gatwick erstmal gar nichts mehr. Allein in Gatwick waren waren 47 Schneepflüge und Traktoren im Einsatz, am Abend öffnete der Flughafen wieder. Auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle sollten 15 Prozent der Flüge ausfallen. Der Budapester Flughafen Ferihegy wurde für drei Stunden geschlossen.
Das Schneechaos in Europa betraf in einigen Fällen auch Passagiere in Afrika: Die Fluggesellschaft KLM nahm am Samstagabend Dutzende nach Amsterdam gebuchte Passagiere aus der kenianischen Hauptstadt Nairobi nicht mit, wenn diese in Europa weiterfliegen wollten.
Schneeketten in der Diskussion
Trotz der verbesserten Straßenlage in Deutschland kam es am Samstag immer wieder zu Unfällen. In Rheinland-Pfalz fuhr ein 19 Jahre alter Autofahrer auf mit Schneematsch bedeckter Fahrbahn in eine Familie mit zwei Kleinkindern. Die Eltern, ihre Kinder und auch der Fahrer erlitten schwere Verletzungen. In Bayern wurden bei einem Frontalzusammenstoß sechs Menschen verletzt. In Mecklenburg- Vorpommern suchte sich ein Unternehmen den falschen Tag aus, um einen Mähdrescher zu überführen: Das Fahrzeug blieb stecken und blockierte den Verkehr.
Die vielen Unfälle mit Lastwagen, die am Freitag Autobahnen für Stunden blockierten, lösten eine neue Diskussion über Winterreifen- oder sogar Schneekettenpflicht für Lkw aus. Der Auto Club Europa (ACE) stellte sich allerdings gegen Forderungen von Verkehrsexperten der SPD und Grünen nach Schneekettenpflicht für Laster. «Dann machen die Ketten den Asphalt kaputt, und der Asphalt macht die Ketten kaputt», warnte ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner.
Hoffnungsträger Gewöhnungsfaktor
«Wir versuchen alles zu tun, aber wenn man kein Geld hat, wird man teilweise den Winterdienst einschränken», warnte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Gerd Landsberg. Schon jetzt werde auf einigen Nebenstraßen nicht mehr gestreut. «Die Bürger werden sich wahrscheinlich daran gewöhnen müssen, wie in skandinavischen Ländern, dass man auch auf einer festgefahrenen Schneedecke fahren kann», sagte Landsberg der dpa. «Eine andere Alternative sehe ich zurzeit nicht.»
Wer es am Wochenende in die Urlaubsorte schaffte, konnte hingegen die schönen Seiten des Winters genießen: Auf dem Brocken im Harz wurden 143 Zentimeter Schnee gemessen, auf dem Fichtelberg im Erzgebirge 133 Zentimeter, dem Großen Arber im Bayerischen Wald 122 Zentimeter. (dpa)