Produktionsengpässe bei VW wegen Ärger mit Zulieferer

Im Werk Emden droht Kurzarbeit

Produktionsengpässe bei VW wegen Ärger mit Zulieferer
VW beendete das erste Halbjahr mit einem leichten Zuwachs. © dpa

VW hat Produktionsengpässe. Der Grund: Der Autobauer liegt im Rechtsstreit mit einem Zulieferer. Nun droht in einem Werk sogar Kurzarbeit.

Der Rechtsstreit mit einem Zulieferer könnte die Produktion bei Volkswagen noch für Wochen beeinträchtigen. Die juristische Auseinandersetzung um fehlende Getriebeteile geht am Landgericht Braunschweig erst am 31. August weiter - dann in einer mündlichen Verhandlung. Auslöser ist der Widerspruch des Zulieferers gegen eine einstweilige Verfügung, mit der VW die Wiederaufnahme der Belieferung erzwingen will.

VW leidet massiv unter dem Ausfall in seiner Teilekette: Das Passat-Werk in Emden hat schon Kurzarbeit angemeldet. Auch in Wolfsburg, Kassel und Zwickau droht Stillstand - zumindest in Teilen. Betroffen von den Getriebeengpässen ist der Golf, Deutschlands meistverkauftes Auto. Details nennt der Autobauer nicht.

Kurzarbeit in Emden

Ohne das fehlende Getriebeteil könne VW Getriebe nicht ausliefern, wie der Sprecher des auf die Fertigung von Getrieben spezialisierten Werks Kassel, Heiko Hillwig, sagte. VW prüfe derzeit, ob dieses Teil auch von anderen Zulieferern bezogen werden könne. Bei Audi läuft einem Sprecher zufolge die Produktion ohne Einschränkung.

Der Hersteller selbst wollte sich am Donnerstag nicht zu den Hintergründen äußern. "Unsere Unternehmensgruppe befindet sich in einer juristischen Auseinandersetzung mit Volkswagen und ist in diesem Zusammenhang auch zur Vertraulichkeit verpflichtet", sagte Alexander Gerstung aus der Geschäftsführung des Autozulieferers ES Automobilguss mit Sitz im sächsischen Schönheide. Das Unternehmen gehört zur Prevent-Gruppe und stellt unter anderem sogenannte Ausgleichgetriebegehäuse her.

Zur Prevent-Gruppe gehört auch eine Schwesterfirma des Zulieferers, die für VW Sitzbezüge herstellt. Gegen sie habe der Autobauer schon einen wirksamen Vollstreckungstitel, sagte ein Gerichtssprecher am Donnerstag. Bei dem Getriebeteil-Zulieferer sei das aber noch nicht der Fall. Der zweite Zulieferer war am Donnerstag nicht zu erreichen.

Der unterschiedliche Ablauf der beide Fälle hängt an verschiedenen Verfahrenswegen: Beim Sitzzulieferer verhandelte das Gericht gleich mündlich und fällte ein Urteil zu der Verfügung, daher ist in diesem Fall nur das Rechtsmittel Berufung vor dem Oberlandesgericht möglich. Bei den Getriebeteilen lief es dagegen anfänglich ohne eine mündliche Verhandlung, was in diesem Fall einen Widerspruch erlaubte, der nun die mündliche Verhandlung am Landgericht Ende August nach sich zieht.

Fraglich ist, was den Streit zwischen Deutschlands größtem Konzern und den kleinen mittelständischen Partner derart eskalieren ließ, dass die Lage nun so verfahren ist. Hintergrund des Konfliktes ist nach dpa-Informationen aus Justizkreisen ein gescheitertes Projekt mit dem Sitzteil-Zulieferer aus Sachsen. Genauere Hintergründe sind unklar. (dpa)

Einstweilige Verfügung erlassen

Ein Sprecher des Landgerichts Braunschweig erläuterte am Mittwoch auf Anfrage, dass die einstweilige Verfügung gegen den Zulieferer als Ergebnis einer mündlichen Verhandlung zustande kam. Damit sei eine Berufung vor dem Oberlandesgericht möglich, die Frist dafür liege bei einem Monat. VW habe vor Gericht glaubhaft gemacht, dass der Autobauer die Ansprüche habe. Daran hätten auch die Ausführungen des Zulieferers für dessen Gegenforderungen nichts zu ändern vermocht.

Welche Mittel wie etwa Vertragsstrafen VW nun noch in der Hand hat, war am Mittwoch nicht zu erfahren. Klar scheint, dass es sich seitens VW nicht um einen Machtpoker handeln dürfte - denn ein ganzes Werk oder womöglich bald weitere Teilbereiche in anderen Fabriken ruhen zu lassen, ist für den Autobauer eine kleine Katastrophe. Andererseits zeigt die Situation, wie verletzlich die Autohersteller sind. VW hat eine im Branchenvergleich hohe eigene Fertigungstiefe, macht also relativ viel in Eigenregie. Dennoch: Ohne eine gut geölte Kette mit externen Partnern kommt das ganze Gebilde Autobau schnell in massive Schwierigkeiten. Das zeigt sich auch bei anderen Gelegenheiten, etwa wenn der Schienengüterverkehr streikt oder zentrale Zulieferer wie der Airbaghersteller Takata Qualitätsprobleme haben und sich Rückrufe rasch in die Hunderttausende multiplizieren.

Die VW-Arbeitsnehmervertreter fanden deutliche Worte für die Lage. Betriebsrat Guido Mehlhop sagte: "Der Engpass beim Material ist mehr als ärgerlich. Vor allem, wenn man weiß, dass das Landgericht Braunschweig den Zulieferer bereits in der vergangenen Woche mit einer einstweiligen Verfügung dazu verpflichtet hat, die Teile vertragsgemäß zu liefern. Aus Sicht des Betriebsrates ist es völlig unverständlich, dass sich ein Unternehmen dem einfach widersetzt. Offenbar wird so versucht, auf dem Rücken der Belegschaft einen Wirtschaftskrimi zu inszenieren." Es müsse "schnellstmöglich" eine Lösung her. "Das wäre übrigens auch im Interesse der Beschäftigten des Zulieferers. Die sind letztlich ebenso von dem fragwürdigen Geschäftsgebaren der Firma betroffen wie die Kolleginnen und Kollegen bei Volkswagen", sagte Mehlhop. (dpa)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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