VW-Chef Martin Winterkorn wird nicht zur Automesse in Shanghai reisen. Er habe sich wegen eines grippalen Infekts dagegen entschieden, heißt es offiziell.
Noch vor dem eigentlichen Startschuss hat die Automesse in Shanghai ihre erste dicke Überraschung. Während die Autowelt in ihr neues Mekka in die ostchinesische Hafenmetropole pilgert, fehlt VW-Chef Martin Winterkorn entgegen der eigentlichen Planung in China auf Volkswagens mit Abstand größtem und wichtigstem Markt.
«Herr Winterkorn hat sich wegen eines grippalen Infekts dazu entschieden, nicht nach Asien zu reisen», sagte Konzernsprecher Andreas Lampersbach am Sonntag. Die Absage kommt zwei Tage nach dem Ende des nervenzehrenden Machtkampfs an der Konzernspitze, der zugunsten von Winterkorn ausging.
Heizmann vertritt Winterkorn
Erst am Freitag hatte der Kern des Aufsichtsrats die sieben Tage lang schwelende Führungskrise beendet. Eine Woche zuvor hatte VW-Patriarch Ferdinand Piëch den Manager öffentlich kritisiert und damit dessen Zukunft im Konzern infrage gestellt. Nun will das Gremium Winterkorns Vertrag sogar über 2016 hinaus verlängern. Auf einer VW-Veranstaltung am Sonntag lässt sich der 67-Jährige von China-Chef Jochem Heizmann vertreten.
Der hatte schon zuvor die schwieriger werdenden Bedingungen auf dem chinesischen Automarkt erklären müssen. Zwar wächst der weltgrößte Markt weiter mit stolzem Tempo - aber die Aussichten besonders für deutsche Hersteller haben sich eingetrübt. «Das Wachstum kommt besonders stark aus Segmenten zustande, in denen wir nicht vertreten sind», räumte Heizmann mit Blick auf das eigene Geschäft ein.
Keine rosigen Aussichten
Während Marktführer Volkswagen in China im ersten Quartal nur noch einen Zuwachs von zwei Prozent verbuchen konnte, beschreiben Experten die Aussichten für den Gesamtmarkt in diesem Jahr als «nicht so rosig». Der Wettbewerb werde härter, auch steige der Preisdruck, sagte Cui Dongshu, Chefökonom von Chinas Vereinigung der Personenwagenindustrie, der Deutschen Presse-Agentur.
Nach seiner Einschätzung wird der Oberklassemarkt, wo besonders die deutschen Hersteller vertreten sind, in diesem Jahr mit nur noch sieben oder acht Prozent erstmals langsamer wachsen als der Gesamtmarkt. Bisher hatten Experten mehr als zehn Prozent erwartet. «Der Druck ist enorm», sagte Cui Dongshu. Das langsamere Wirtschaftswachstum schlage jetzt auch auf den Automarkt durch.
Von der neuen Situation profitierten besonders chinesische Hersteller mit günstigeren Modellen. «Sie erleben einen zweiten Frühling.» Chinesische Autobauer böten heute viele Geländewagen an, deren Absatz im ersten Quartal allein um fast 50 Prozent zugenommen habe. Deutsche Marken wie Volkswagen hätten da kein ausreichendes Angebot. «Deswegen ist ihr Geschäft auch so eingebrochen», sagte Cui Dongshu.
China-Chef rechnet mit acht Prozent
VW-China-Chef Heizmann gab sich aber überzeugt, dass der Markt in China immer noch schneller wachsen werde als anderswo. Er rechnet mit acht Prozent Wachstum des gesamten Marktes - war aber vorsichtiger als sonst, eine Vorhersage für das Geschäft der Volkswagengruppe zu nennen und beklagte auch Kapazitätsengpässe. Wenn es sich so weiter entwickele wie im ersten Quartal, werde der Konzern im ganzen Jahr nicht schneller als der gesamte Markt wachsen können.
Zu der Kontroverse an der Führungsspitze äußerte sich Heizmann erst auf Nachfrage. «Natürlich wäre es falsch zu sagen, dass es keine Unruhe schafft und es "business as usual" ist», sagte er. «Aber des Richtige und Nötige ist getan worden. Es gibt eine klare Aussage des Aufsichtsrates und ich denke, damit wird wieder Ruhe einkehren.»
Die diesjährige Automesse in Shanghai, die am Sonntag mit ersten Premieren eingeläutet wird, sieht mehr Aussteller als je zuvor. Fast 2000 Hersteller aus 18 Ländern sind vertreten. Über 1300 Autos werden auf der Show gezeigt, die Montag ihre Tore bis zum 29. April öffnet. (dpa)