VW Touareg 3.0 TDI: Noch kein altes Eisen

VW Touareg 3.0 TDI: Noch kein altes Eisen
Der VW Tourareg kmmt auf eine Länge von 4,90 Meter. © Axel F. Busse

Das Schmuddel-Image hat die Dieselquote in den deutschen Neuzulassungen praktisch halbiert. Bei großen SUV ist der Schwund nicht so dramatisch. Beispiele wie der VW Touareg zeigen, warum.

Mit einer Länge von 4,90 Metern und einer Höhe von mehr als 1,70 Meter ist der Geländewagen von VW sicher kein Jedermann-Auto. Dafür ist er zu kostspielig, der Grundpreis beträgt fast 80.000 Euro. Das dürfte auch ein Grund sein, warum er zu den Spitzenreitern der gewerblichen Anmeldungen in Deutschland zählt. Fast 90 Prozent sind es. Seit dem letzten Facelift hat sich der Touareg nur wenig verändert, etwas Kosmetik an Front- und Heckpartie – das war’s.

Als Vertrauen in das Bewährte kann man dies deuten, aber auch als Vermeidung allzu hoher Investitionskosten in ein Modell, das seine besten Jahre hinter sich hat. Die Akzeptanz des Touaregs in Deutschland ist in den letzten fünf Jahren um rund 45 Prozent gesunken, was nicht allein mit der Abkehr vom Diesel zu erklären ist. Der Anteil der Selbstzünder betrug 2019 noch immer 96 Prozent, im vergangenen Jahr waren es immerhin 72. Im gleichen Zeitraum hat aber die Konkurrenz aufgeholt, Importeure bieten vergleichbar stattliche und geräumige Fahrzeuge oft für günstigere Preise.

Attraktiv als Dienst- und Flottenfahrzeug

Das Cockpit des VW Touareg mit seinen großen Digitaldisplays. Foto: Axel F. Busse

Beim Touareg ist der bekannte Dreiliter-Diesel weiter im Einsatz, denn das ebenso leistungsstarke wie langlebige Triebwerk ist eine Bank. Was die zahlungskräftige Klientel von Alternativen hält, illustriert folgender Vergleich: Vergangenes Jahr standen 4831 Neuzulassungen von Diesel-Touareg genau 1574 Hybrid-Varianten gegenüber. Als Dienst- und Flottenfahrzeuge sowie in gewerblicher Nutzung sind Oberklasse-Autos mit Dieselmotor attraktiv geblieben, weil die Leasingkosten als betrieblicher Aufwand steuerlich absetzbar sind.

Bekanntlich ist die Abgasreinigung beim Diesel die zentrale Herausforderung. Um die geltenden Grenzwerte zu erfüllen und dabei nicht zu betrügen, ist sie technisch sehr aufwändig und deshalb teuer. Bei großen Limousinen und SUV lohnt sich der Konstruktionsaufwand, denn sie liegen im Anschaffungspreis meist so hoch, dass die Kosten in Relation zu Platzangebot, Fahrleistungen und Komfort von der anvisierten Kundschaft hingenommen werden. Bei kleineren Fahrzeug-Segmenten mit preissensibler Kundschaft sind die Dieselmotoren dagegen im Aussterben begriffen.

Leichter als ein reiner Batterie-Pkw

Für diesen Test haben wir deshalb den Touareg unter die Lupe genommen, dessen Sechszylinder-Selbstzünder längst nicht zum alten Eisengehört und 231 PS leistet. Er setzt maximal 500 Nm Drehmoment frei. Freilich gibt es Wettbewerber, die mehr Leistung und Durchzugskraft aus einem solchen Aggregat herausholen, doch dem Touareg kommt zugute, dass er mit 2,2 Tonnen Leergewicht eher am unteren Ende der Masse-Skala in diesem Segment rangiert. Sogar die Elektro-Limousine ID.5 wiegt 120 Kilo mehr. Über eine Achtgang-Automatik gelang die Motorkraft zu den vier angetriebenen Rädern.

Geländewagen und SUV, die von Hause aus mit gehobenem Komfort, feiner Verarbeitung und erlesenem Ambiente ausgestattet sind, bieten fast unerschöpfliche Möglichkeiten, sie noch extrem zu verteuern. Mit Extras wird bei den deutschen Premium-Marken ordentlich Geld verdient, weshalb All-Inklusive-Strategien, wie sie von koreanischen und chinesischen Herstellern zunehmend gefahren werden, einheimischen Anbietern (noch) nicht notwendig erscheinen.

Die zahlungsbereite VW-Kundschaft greift gerne zu, wenn ein adaptives Fahrwerk mit aktiver Wankstabilisierung die Fahreigenschaften aufwerten soll (+3050 Euro), gibt für Nachtsichtunterstützung 1820 Euro aus, für den Boots- oder Pferdeanhänger darf es gern ein elektrisch ausklappbarer Zughaken mit „Trailerassist“ sein (+1365 Euro) und die Langstrecke wird erst dann richtig gemütlich, wenn in den Vordersitzen Massageprogramme mit aktiver Klimatisierung wirken (+1260 Euro). Mit diesen und weiteren Extras belief sich der Testwagenpreis auf 107.000 Euro. Dazu wollen die Hartplastik-Teile, die man im sonst recht wohnlichen Innenraum antreffen kann, nicht ganz passen.

Selbsterklärende Geländeprogramme

Das Fahrerlebnis ist ohne Zweifel eine erkleckliche Summe wert. Der seidige Sechszylinder schnurrt unauffällig vor sich hin, die erstklassige Luftfederung lässt das Schiff von Bodenwellen kaum beeindruckt über Geläufs gleiten und erlaubt ein Absenken der Ladekante zu einfacherem Beladen des 810 Liter großen Gepäckfachs. Die Geländeprogramme sind selbsterklärend und gut handhabbar. Die geräumige Kabine lässt den Passagieren vor 1,53 Meter Breite, hinten sind es immerhin noch 1,50 Meter. Die automatische Geschwindigkeitsregelung kann vor Strafmandaten bewahren, weil die Verkehrsschild-Erkennung das zulässige Tempo automatisch einsteuert. Verzichtbar ist jedoch die Fähigkeit des Systems, selbstständig zu beschleunigen, wenn ein Tempolimit gefallen ist.

Der VW Touareg ist als 3.0 TDI durchaus effizient. Foto: Axel F. Busse

Hohes Komfort- und Sicherheits-Niveau, großes Raumangebot und überzeugende Fahrleistungen gehen oft einher mit überdurchschnittlichem Sprit-Konsum. Der Touareg-Testwagen konnte in dieser Disziplin überraschen: Nach rund 850 Kilometer Alltagseinsatz errechnet der Bordcomputer lediglich 7,5 Liter/100 Kilometer. Bei einem Dieselpreis von 1,70 Euro sind das 12,75 Euro je 100 km Strecke. Auf 13,20 Euro Kosten kommt, wer sein Elektro-SUV für 60 Cent die Kilowattstunde auf 100 Kilometer laden kann und beim Fahren nicht mehr als 22 kWh/100 km verbraucht. Der gewaltige CO₂-Rucksack, den der Elektro-Konkurrent durch die Herstellung Batterie mit sich herumträgt, ist in dieser Rechnung noch gar nicht berücksichtigt.

Hätte Volkswagen nicht fahrlässig die Reputation des von Rudolf Diesel ersonnenen Motorkonzepts zerstört, könnte der Selbstzünder weiterhin eine selbstbewusste Rolle im Wettbewerb verschiedener Antriebs-Varianten spielen. Bei Vielfahrern, die rechnen können, wird der in Verruf geratene Dieselmotor wohl auch künftig als sinnvolle Option für die eigenen Transportbedürfnisse gelten.

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Axel F. Busse
Axel F. Busse ist gelernter Redakteur, sein kommunikations-wissenschaftliches Studium absolvierte er an der FU Berlin. Nach Tätigkeiten bei Tageszeitungen, wo er sich mit Auto- und Verkehrsthemen beschäftigte, arbeitet er seit 2003 als freier Autor ausschließlich in diesem Bereich. Außer für die Autogazette schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien.

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