Neue Probleme für VW und Porsche

Schwere Integration

Neue Probleme für VW und Porsche
Ferdinand Piech (l.), Wolfgang Porsche © dpa

Im Dickicht während der Übernahmeschlacht zwischen VW und Porsche steht nun Ferdinand Piech im Fokus der Gerichte. Der mächtige VW-Patriarch wehrt sich.

Von Heiko Lossie

Diese Ohrfeige muss Ferdinand Piëch wehgetan haben. Der mächtige VW-Aufsichtsratschef habe während der Übernahmeschlacht zwischen VW und Porsche seine Pflichten als Aufsichtsrat verletzt, entschied das Stuttgarter Oberlandesgericht in der vergangenen Woche. Am Sonntag ging Piëch in die Offensive: Per Pressemitteilung - höchst selten für ihn - wehrte er sich: Er könne eine «Pflichtverletzung meinerseits» nicht sehen. Für den 74 Jahre alten Porsche-Enkel ist das Zusammengehen von VW und Porsche sein Lebenswerk - doch seit Monaten kommt dies nicht voran.

Piech soll Pflichten verletzt haben

Hintergrund der Gerichts-Entscheidung sind Äußerungen Piëchs im Mai 2009, er habe im Detail keine Klarheit über die Risiken gehabt, mit denen die Porsche-Holding SE in Finanzgeschäften nach der VW-Mehrheit griff. Das wäre aber seine Pflicht gewesen, urteilten die Richter - und kassierten eine damalige Entlastung des Aufsichtsrats wieder ein.

Piëch will das Urteil nun anfechten und erklärte, dass das Gericht die Situation verkenne. Und fast trotzig schob der VW-Patriarch nach, er habe sich im Mai 2009 für die Schaffung des «integrierten Automobilkonzerns» von Porsche und Volkswagen ausgesprochen. «Wer Porsche und Volkswagen heute sieht, weiß, dass dies richtig war.»

Piech entscheidende Figur während der Übernahmeschlacht

Auch wenn die Entscheidung des OLG keine unmittelbaren rechtlichen Folgen hat, ist sie doch Wasser auf die Mühlen der Münchner Kanzlei CLLB, die 72 Klagen gegen die Porsche SE bündelt. Kapitalmarktrechtler Franz Braun führt das Verfahren. Er nimmt Piëch ab, dass der die Komplexität der Optionsgeschäfte für den Mega-Deal nicht im Detail überschaute. «Ich denke aber dennoch, dass klar war, was für Geschäfte getätigt werden sollten und in welchen Umfang», sagte Braun. «Herr Piëch ist niemand, der sich führen lässt, sondern jemand, der die Zügel fest in der Hand halten will.»

In der Tat war Piëch eine entscheidende Figur in der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW. 2008 wollten der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und Finanzvorstand Holger Härter VW schlucken - am Ende vergeblich, VW drehte den Spieß um. Geschaffen werden sollte dann der «integrierte Automobilkonzern», die Verschmelzung von Volkswagen AG und Porsche SE.

Anleger fühlen sich betrogen

Wegen einer milliardenschweren Klagewelle aber ist dies vorerst gescheitert. Investoren werfen der früheren Porsche-Spitze vor, bei den VW-Übernahmeplänen gezielt gelogen und betrogen zu haben. Längst ist das Gestrüpp der juristischen Streitigkeiten ein wahres Dickicht. Allein am Landgericht in Braunschweig hängen vier Klagen an, bei denen es insgesamt um 2,2 Milliarden Euro geht. Auch in den USA sind die Forderungen zehnstellig und in Stuttgart ist die Justiz ebenfalls an mehreren Fronten mit dem Desaster beschäftigt.

Im Kern ähneln sich alle Verfahren: Im Zuge des Übernahmeversuchs sollen Informationspflichten verletzt worden seien. Anleger sehen sich um Millionen gebracht, weil sie etwa Kurswetten abschlossen, die sich als ruinös entpuppten. Ihre Vorwürfe zielen gegen die Porsche Muttergesellschaft, die Porsche SE. Sie steht anders als die Porsche AG nicht für das Konstruieren und Verkaufen der Autos - sie ist die Holding. Doch diese Hülle hat es in sich: In ihr liegen nicht nur gut die Hälfte der Porsche AG und gut die Hälfte der VW-Stammaktien, sondern an ihr haftet auch das juristische Risiko. Die Porsche SE hortet mit den Klagen viel Sprengstoff und diverse offene Lunten.

Fusionspläne zwischen VW und Porsche bisher gescheitert

Die entscheidenden Fragen sind bis heute, wer wann was wusste und welche Eigendynamik die Optionsgeschäfte zum Griff nach der Macht bei VW entfalteten. Und informierte die SE den Markt dann früh genug?

Fakt ist, dass das Dynamit unterm Dach der SE den Wolfsburgern zu brenzlig ist. Die ursprünglichen Fusionspläne sind gescheitert. Eine heiß gehandelte Variante, mit der sich Porsches giftige Mitgift umschiffen ließe, ist der sogenannte Plan B. Damit könnte sich VW den restlichen Anteil der Porsche AG einverleiben, bisher hält VW die Hälfte. Rechte dafür halten die Wolfsburger schon, samt Terminen für den Vollzug.

Porsche-Übernahme erst 2014 steuerfrei

Der Haken: Diese zweite Hälfte liegt als Wert in der Porsche SE, Juwelen der Holding würden also verschwinden. Kläger Braun prüft, das zu verhindern. Mit einem Arrest-Antrag, einer Art einstweiligen Verfügung, könnte er dafür sorgen, dass am SE-Inhalt nicht gerüttelt werden darf, bis die Verfahren abgeschlossen sind. Hätte das Erfolg, könnte VW Plan B nicht umsetzen. Aktuell hat die SE tiefe Taschen: Ihre VW-Stammaktien sind etwa 20 Milliarden Euro wert. Der komplette Verkauf der AG in Plan B würde etwa 4 Milliarden Euro bringen.

Der zweite Haken an Plan B: Die Übernahme der Porsche AG wäre erst Mitte 2014 steuerfrei. Wie zu hören ist, brüten daher im Verborgenen Berater und Finanzexperten seit Wochen über zwei Variablen: Wann steht das vermutliche Steueraufkommen im lukrativen Verhältnis zu den Einsparungsmöglichkeiten mit der Porsche AG unter VW-Dach? Immerhin versprechen sich die Partner mindestens 700 Millionen Euro Synergieeffekte - das ist zumindest einmal kein Geheimplan. (dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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