Mobilitätsforscher der FU Berlin ließen einen zugelassenen fahrerlosen VW-Passat von einem Autopiloten durch den quirligen Stadtverkehr steuern. Die heikle Ampelerkennung funktioniert bereits recht gut.
Von Martin Woldt
Es kam einer kleinen Sensation gleich, als Ende vorigen Jahres im Internet Bilder von fahrerlosen Google-Autos auf kalifornischen Straßen auftauchten. Und es geht die Legende, dass sie dafür keinerlei offizielle Genehmigung hatten. Daran gemessen verlief die Premiere des MiG,
Mehrere Forschungsprojekte
Es lag aber wohl auch daran, dass die Macher des Projektes "AutoNOMOS Labs" um Professor Raùl Rojas nicht zum ersten Mal auf sich aufmerksam machten. Erst vor Kurzem manövrierten sie ein ähnliches Auto, allein gesteuert von der Gedankenkraft des Piloten, auf dem Rollfeld des stillgelegten Flughafens Tempelhof. Im regulären Straßenverkehr aber scheinen die Berliner spät dran zu sein. Denn vor dem Google-Auto und seinem deutschen Chefentwickler Sebastian Thrun präsentierte schon die TU Braunschweig eine von einem Autopiloten gesteuerte Fahrt auf dem Braunschweiger Stadtring.
Erste Fahreindrücke
Allerdings konnte deren System noch keine Ampelsignale erkennen, wie Raùl Rojas erklärt, wozu MiG nun durchaus in der Lage sei. Sonst aber vermeidet der Informatiker sein Projekt herauszustreichen: "Wir sind vorn mit dabei", sagt er. "Die Stärken unseres Autos liegen in seinem Fahrverhalten". Schauen wir mal. Gleich hinter dem Brandenburger Tor wartet MiG auf unseren Zustieg im Fond. Das Einbiegen in die Mittelspur Richtung Siegessäule übernimmt Tinosch Ganjineh, der technische Projektleiter.
Er erklärt seine Hilfestellung mit dem Zeitdruck der Präsentation. "Wir haben das autonome Einbiegen auch schon auf der viel schnelleren Stadtautobahn getestet. Das klappt schon recht gut." Neben ihm auf dem Sozius sitzt Miao Wang, der insbesondere die Ampelerkennung überwacht. "Green" bestätigt die Sprachausgabe seines Computers die Kamerabilder, ein Zeichen, dass das System jetzt übernommen hat.
Ruckartiges Bremsmanöver
Ganjineh hält sich in Bereitschaft und versichert, dass wir einen Warnton hören würden, sollte er sich etwa an Steuer oder Bremse einmischen. MiG schwimmt unauffällig mit, bremst vor dem Kreisverkehr auf dem Ernst-Reuter-Platz geschmeidig. Etwas später ruppiges Bremsen, weil ein Kleinlaster kurz vor dem Kühlergrill in unsere Spur drängt. Aber so hätte vielleicht auch ein erschrockener Fahrer reagiert.
Dass die Berliner ihren Ehrgeiz insbesondere in die Ampelerkennung stecken, kommt nicht von ungefähr. Sie ist einer der größten technischen Stolpersteine auf dem Weg zum Autopiloten. Unterschiedliche Lichtverhältnisse, Rückleuchten anderer Fahrzeuge, Hindernisse, die Verarbeitung der Signale in Echtzeit – all das beeinflusst die Zuverlässigkeit des Systems. Wofür auch kein anderes Forschungsteam bereits eine Patentlösung parat hat.
Teure Laserscanner
MiG orientiert sich auf der Straße mit Hilfe von GPS, Laserscannern, Radarsensoren und fünf Kameras. Gemeinsam setzen sie aus etwa einer Millionen Pixeln ein Umgebungsbild zusammen, aus dem es die wesentlichen Informationen zu filtern gilt. Für die Straßenzulassung des TÜV war außerdem die neu entwickelte Safe-Box wichtig, die die Sensoren und Steuerbefehle auf Zuverlässigkeit und Plausibilität überwacht. Sie soll künftig etwa auf der Autobahn dafür sorgen, dass das Fahrzeug bei Ausfall des Piloten noch selbsttätig aus der Gefahrenzone kommt.
Klingt nach viel Arbeit und ist es wohl auch. Rojas peilt die Serientauglichkeit seines Projekts in 20 bis 30 Jahren an. Zum einen müssten viele Bauteile wie die Scanner noch sehr viel günstiger werden (MiG kostet aktuell 370.000 Euro). Zum anderen gäbe es noch viele rechtliche und versicherungstechnische Belange zu regeln. Demnächst wollen die Berliner einen elektrischen Mitsubishi iMieV mit ihrem Autopiloten ausrüsten.
Visionen mit Autopilot
Laut einer aktuellen Umfragen lehnt jeder zweite Fahrer einen Autopiloten kategorisch ab. Was die Hersteller aber kaum hindern wird, die Sache zu forcieren. Volkswagens Unterstützung für die Berliner wie die Braunschweiger Forscher erklärt sich neben der Suche nach mehr Fahrkomfort und Sicherheit wohl auch mit dem Wandel zum Mobilitätsdienstleister. Denn eines absehbaren Tages kommt es weniger darauf, möglichst viele Autos zu verkaufen. Vielmehr kann sich ein VW-eigener Fuhrpark nur geringste Standzeiten leisten. Aber wie kommen die Autos dahin, wo sie gerade gebraucht werden?