Bei Volkswagen soll der Umbau zum Aufbruch führen

Bei Volkswagen soll der Umbau zum Aufbruch führen
VW-Chef Matthias Müller. © dpa

Volkswagen steht vor einem tiefgreifenden Umbau. Neben dem Wechsel von Herbert Diess an die Konzernspitze weitere Umwälzungen bevor. Auch eine Neufassung wichtiger Strukturen sei angedacht, bekräftigten am Mittwoch Quellen aus dem Umfeld des Konzerns.

Wie konkret diese schon auf einer für Freitag geplanten Aufsichtsratssitzung diskutiert oder gar beschlossen werden könnten, blieb jedoch zunächst unklar. Nach «Spiegel»-Informationen sollen die einzelnen Marken in vier Gruppen kommen – für Volumenmodelle (Kernmarke VW, Skoda, Seat), Oberklasse-Autos (Audi, Bentley), Sportwagen (Porsche, Bugatti, Lamborghini) und Nutzfahrzeuge (MAN, Scania, leichte Nutzfahrzeuge). Ein Sprecher des VW-Aufsichtsrates wollte den Bericht nicht kommentieren. In der Debatte ist seit längerem auch eine separate Ausgliederung des Lkw-Geschäfts mitsamt eigenem Börsengang oder eine Holding-Struktur.

Diess soll Nachfolger von Müller werden

Am Dienstag hatte VW überraschend einen Umbau der Führungsetage angekündigt, die Angaben waren mit Blick auf weitere Details aber noch sehr vage geblieben. Als wahrscheinlich gilt, dass Konzernchef Matthias Müller dem bisherigen Kernmarkenchef Diess Platz als neuem starken Mann machen muss. Möglich ist, dass Müller nicht abtritt, sondern eine neue Funktion im Konzern erhält. Der reguläre Vertrag des 64-Jährigen läuft noch bis 2020.

Aus Aufsichtsratskreisen hieß es, dem seit Herbst 2015 amtierenden Vorstandschef werde intern Entscheidungsschwäche vorgeworfen. Der geplante Umbau soll demnach einen «Aufbruch» beim weltgrößten Autokonzern ermöglichen. Dies gehe unter Müller nicht schnell genug, hieß es mit Blick auf den grundlegenden Branchenwandel. Firmenkreisen zufolge soll zudem Gunnar Kilian als Personalchef in den Vorstand aufrücken.

Er ist der engste Vertraute von Betriebsratschef Bernd Osterloh und könnte Karlheinz Blessing ersetzen. Diess war früher BMW-Vorstandsmitglied und ist seit dem Sommer 2015 bei VW, kurz bevor der Diesel-Abgasskandal ins Rollen kam. Der 59-Jährige galt bereits länger als «Kronprinz» Müllers. In seiner Zeit als Chef der Marke VW mit Modellen wie Golf oder Passat hat er die Effizienz bei den ertragsschwachen Wolfsburgern bereits verbessert. Er scheut auch Konflikte mit dem Betriebsrat nicht, gilt in Teilen der Belegschaft aber auch als umstritten.

Bratzel: VW muss flexibler werden

VW-Markenchef Herbert Diess
VW-Markenchef Herbert Diess. Foto: dpa

«Das war keine einfache Zeit, mit einem hohen Druck von außen», sagte Branchenexperte Stefan Bratzel zu den vergangenen zweieinhalb Jahren bei Volkswagen unter dem Vorstandsvorsitzenden Müller. Dieser habe aber beim Umbau positive Akzente gesetzt. VW steht wie die gesamte Branche vor Umbrüchen.

Die Zukunftsthemen sind alternative Antriebe, Vernetzung und autonomes Fahren – große IT-Konzerne treten als Konkurrenten auf, Dienstleistungen rund ums Auto werden immer wichtiger. VW hat dazu etwa schon die neue Marke Moia gegründet. «Volkswagen muss sehr viel flexibler werden in seinen Strukturen», meinte Bratzel, der das Automanagement-Institut CAM in Bergisch Gladbach leitet. Er hält kleinere Einheiten für nötig. «Bei VW braucht es eine neue Kultur von Flexibilität und schnellen Entscheidungswegen, aber das kann nicht von heute auf morgen gehen.»

Müller sorgte immer wieder für Aufsehen

Müller hatte zuletzt auch branchenintern für Aufsehen gesorgt, weil er die bestehenden Steuervorteile für Dieselsprit in Zweifel gezogen hatte. Konkret schlug er eine schrittweise Umschichtung der Steuererleichterungen hin zu alternativen Antrieben vor. Die Diesel-Neuzulassungen sind seit Monaten auf Talfahrt, der Antrieb ist für VW aber sehr wichtig. Der Konzern hat viel Geld in die Entwicklung der komplizierten und teuren Motoren gesteckt.

Den letzten tiefgreifenden Umbau hatte Volkswagen 2012 vollzogen. Damals hatte der Konzern unter anderem die Allianz seiner Nutzfahrzeug-Geschäfte vertieft, die Aktivitäten in China ausgebaut und Dutzende Management-Positionen neu besetzt – bei VW selbst, Audi, den leichten Nutzfahrzeugen, Bentley und in anderen Bereichen.

Auch «Dieselgate» erhöhte dann den Druck, Kosten einzusparen. 2015 wurde eine Trennung von Konzern- und Markenfunktionen angeschoben. Die Verantwortung der Vertriebsregionen wurde ebenfalls gestärkt. So schuf VW eine eigene Marktregion Nordamerika, wo die Kernmarke lange der Konkurrenz hinterherfuhr. Später rief Müller die «Strategie 2025» aus – ein Ziel war der Abbau des Zentralismus im VW-Reich. «Es ist jetzt auch möglich, die Dinge zu delegieren», sagte er 2016.

Bessere Zusammenarbeit durch Umbau mit Politik erwartet

Der SPD-Verkehrspolitiker Sören Bartol erhofft sich eine bessere Zusammenarbeit des Autokonzerns mit der Politik. «Ich hoffe, dass die Politik mit einem neuen Konzernchef einen Ansprechpartner bekommt, der auf Dialog und nicht auf Konfrontation setzt», sagte der SPD-Fraktionsvize am Mittwoch der dpa in Berlin. «Das setzt jedoch ein Grundverständnis voraus, dass die Hersteller bei der Entwicklung von neuen sauberen Autos noch eine Schippe drauflegen müssen.»

Ein Wechsel des BMW-Entwicklungsvorstands Klaus Fröhlich auf den Chefsessel der VW-Tochter Audi ist unwahrscheinlich. «Nein, ich will nicht Audi-Chef werden», sagte der Manager der dpa in München. Es gab Spekulationen, Fröhlich könnte Audi-Chef Rupert Stadler nachfolgen. (dpa)

 

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