Diesel-Affäre: Kein Prozess gegen VW-Spitze

Diesel-Affäre: Kein Prozess gegen VW-Spitze
VW-Chef Herbert Diess (r.) und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. © dpa

VW-Chef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch müssen im Dieselskandal nicht mit einem Prozess rechnen. Das Verfahren um mögliche Marktmanipulation wird gegen Zahlung von neun Millionen Euro eingestellt.

Wie es am Dienstagabend aus dem Konzern hieß, habe man sich mit dem Landgericht Braunschweig auf diese Auflage geeinigt. Damit könnte eine der zentralen juristischen Untersuchungen rund um die Entstehung und das Bekanntwerden des Abgasskandals im Herbst 2015 vor dem Ende stehen.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte Diess und Pötsch im September vergangenen Jahres nach langen Ermittlungen angeklagt. Ihr Vorwurf: Beide sollen Anleger zu spät über die drohenden finanziellen Folgen der Stickoxid-Manipulationen an Millionen Dieselfahrzeugen ins Bild gesetzt haben. Die rund um «Dieselgate» aufgeflogenen Tricks hatten vor rund viereinhalb Jahren VW und schließlich die gesamte Autobranche in eine Vertrauenskrise gestürzt. Auch bei anderen Herstellern wurden Unregelmäßigkeiten beim Abgasausstoß kritisiert.

4,5 Millionen Euro pro Person

Jeweils 4,5 Millionen Euro sollen im Fall von Diess und Pötsch nun gezahlt werden, so Volkswagen. Zuvor hatte das «Manager-Magazin» über die Einigung berichtet, die vom Landgericht und der Staatsanwaltschaft Braunschweig am Abend zunächst unkommentiert blieb. Über die Zulassung der Anklage hatten die Richter bisher auch nicht entschieden, es lief noch das sogenannte Zwischenverfahren.

«Der Aufsichtsrat der Volkswagen AG begrüßt die Einstellung des Verfahrens», hieß es vonseiten des Unternehmens. Dessen Rechtsberater sähen sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die Vorwürfe gegen den Vorstandsvorsitzenden und den Chefkontrolleur nicht begründet seien. Die Kanzlei Gleiss Lutz, die VW beriet, sei zudem überzeugt, dass Diess und Pötsch auch zivilrechtlich «keine Pflichten gegenüber der Volkswagen AG verletzt» hätten. Beide hätten dem Vorhaben, das Verfahren gegen eine Geldzahlung einzustellen, zugestimmt.

Auch Winterkorn-Verfahren vor Einstellung

Auch der frühere Chef Martin Winterkorn ist wegen Marktmanipulation angeklagt. Sein Verfahren könnte ebenfalls gegen Auflagen schon bald beendet werden, wie am Dienstag aus seinem Umfeld zu hören war. Vor allem die Staatsanwaltschaft habe dabei aber noch Bedenken, hieß es. Winterkorn ist in einem weiteren Verfahren zusätzlich wegen schweren Betrugs im Zusammenhang mit der Dieselaffäre angeklagt. Auch hier ist die Anklage noch nicht zugelassen, das Gericht hatte zuletzt Zweifel an der Stichhaltigkeit einiger Vorwürfe erkennen lassen.

Ex-VW-Chef Martin Winterkorn. Foto: dpa

Winterkorns Anwalt Felix Dörr hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Sein Mandant habe «keine frühzeitige Kenntnis von dem gezielten Einsatz einer verbotenen Motorsteuerungssoftware in US-Diesel-Pkw» gehabt. Wer zu welchem Zeitpunkt was genau über die Täuschungen wusste, ist in vielerlei Hinsicht bis heute unklar. Es laufen weitere Verfahren, auch in den USA und mehreren andere Ländern gab es Untersuchungen.

Die Braunschweiger Ermittler hatten geprüft, ob die VW-Führungskräfte früher als eingeräumt von konkreten Täuschungen bei Abgasdaten wussten. Sie beschuldigten die «genannten – ehemaligen oder amtierenden – Vorstandsmitgliedern der Volkswagen AG, entgegen der ihnen obliegenden gesetzlichen Pflicht den Kapitalmarkt vorsätzlich zu spät über die aus dem Aufdecken des sogenannten Diesel-Skandals resultierenden erheblichen Zahlungsverpflichtungen des Konzerns in Milliardenhöhe informiert und damit rechtswidrig Einfluss auf den Börsenkurs des Unternehmens genommen zu haben.»

Investoren verlangen Entschädigung

Investoren verlangen Entschädigung für den damaligen Einbruch des Aktienkurses: Sie argumentieren, dass die VW-Spitze die Finanzwelt früher über die Risiken der Dieselkrise hätte benachrichtigen müssen.

Dazu läuft auch ein Kapitalmarkt-Musterverfahren in Braunschweig.
Der heutige Vorstandschef Diess kam im Juli 2015 in den Konzern und
war zunächst nur Chef der Volkswagen-Kernmarke. Die Anklageerhebung
sei unverständlich, hatten seine Verteidiger erklärt: Weder Fakten- noch Rechtslage rechtfertigten den Vorwurf, Diess habe den Tatbestand einer strafbaren Marktmanipulation verwirklicht. Einige Beobachter hatten sich auch gefragt, wie der VW-Chef seinen Konzern im Fall vieler wiederkehrender Gerichtstermine hätten weiterführen sollen.

Pötsch hingegen war VW-Finanzvorstand, als der damalige Konzernchef Winterkorn die Abgastricks einräumte. Sein Anwalt Norbert Scharf hatte gesagt, sein Mandant müsse sich nichts vorwerfen. Pötsch habe zwar schon im Sommer 2015 «mehrfach Berührung mit der US-Dieselproblematik» gehabt. Aber: «Keine dieser Informationen hatte vor der Veröffentlichung der Notice of Violation (Bekanntmachung der Verstöße durch US-Behörden) am 18.09.2015 Inhalt und Qualität, dass für ihn daraus eine kapitalmarktrechtliche Relevanz erkennbar war.» (dpa)

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