VW sieht sich bei der Neuausrichtung der Kernmarke auf einem guten Weg. Auch beim Absatz wird es einen neuen Rekord geben. Ist nach dem Dieselskandal also alles wieder gut bei den Wolfsburgern?
War da was? Dieselkrise, eine schwächelnde Kernmarke VW? Wer an diesem Donnerstag in Wolfsburg den Ausführungen von VW-Markenchef Herbert Diess lauscht, der könnte meinen, dass der Autobauer wieder zur Normalität zurück gefunden hat.
Die Zahlen, die Diess, sein Finanzchef Arno Antlitz und Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann präsentieren zeigen einen Aufwärtstrend. Einen, den man in dieser Ausprägung bei den Wolfsburgern nicht erwartet hat.
VW-Markenchef Diess zieht positives Zwischenfazit
Kein Wunder also, dass Diess ein Jahr nach der Verkündigung der Strategie „Transform 2025+“ ein positives Zwischenfazit zieht. „Wir haben mit unserer Strategie die grundlegende Neuausrichtung der Marke eingeleitet“, stellt Diess zufrieden fest. „Sie ist der Meilensteinplan, um Volkswagen durch die vor uns liegenden, extrem anspruchsvolle Phase unserer Branche zu steuern“, fügt der Manager hinzu.
Mit Blick auf das bislang Erreichte befinde sich die Marke auf einem guten Weg. Doch „im Prinzip haben wir die ersten 5 Kilometer eines Marathonlaufes absolviert. Wir sind also warmgelaufen“. Legt man das zum Jahresbeginn ausgegebene Ziel von 2,5 bis 3,5 Prozent für die operative Rendite zu Grunde, ist VW schneller als geplant in dieses Rennen gestartet. Denn nach neun Monaten stieg das Ergebnis auf 2,5 Milliarden Euro an, die operative Rendite liegt aktuell bei 4,3 Prozent, wie Antlitz sagt.
Angesichts dieser Kennzahlen geht man bei VW für dieses Jahr davon aus, dass man leicht über diesem Zielkorridor liegen werde. Sprich: Es wird eine Rendite von über 3,5 Prozent erwartet. Vor diesem Hintergrund passt VW auch sein Ziel einer Rendite von mindestens vier Prozent für 2020 an, peilt nun einen Wert von vier bis fünf Prozent an. Für das Jahr 2025 hält man aber weiter an seinem Ziel von sechs Prozent fest.
Neuer Absatzrekord erwartet
Ebenso positiv sieht es bei den Absatzzahlen aus. Nach einem schwachen ersten Quartal mit einem Minus von 1,3 Prozent (1,44 Millionen Fahrzeuge) befindet sich die Kernmarke VW mittlerweile aber auch hier wieder auf einem guten Weg. Im zweiten Quartal gab es einen Zuwachs von zwei Prozent und im dritten Quartal mit 1,55 Millionen Fahrzeugen sogar von 7,3 Prozent. Im Vormonat setzten die Wolfsburger über 550.000 Autos ab – und verbuchten damit ihren bislang besten Oktober.
Auch im November werde man diesen Aufwärtstrend fortsetzen, sagte Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann. Nach zehn Monaten liegt der weltweite Absatz bei 5,04 Millionen Fahrzeugen (+3,2 Prozent). Für dieses Jahr erwartet VW einen Absatz von über sechs Millionen Fahrzeugen.
Deutschland dämpft die Freude
Dass aber nicht alles nur positiv bei den Wolfsburgern ist, zeigt die Entwicklung der einzelnen Märkte. Während Nordamerika (+ 4 Prozent), Europa (+2,3 Prozent), Asien (+3,3 Prozent) und Südamerika (+27 Prozent) wachsen, liegt der Heimatmarkt fast mit sieben Prozent im Minus. Als Grund dafür nennt Stackmann das „Diesel-Thema“, wie man bei VW den Dieselskandal beschönigend nennt. Es hat das Image der Marke auf dem Heimatmarkt beschädigt.
Der Absatz der Marke wird dabei insbesondere von der hohen Nachfrage nach SUVs befördert. So wurde der Geländewagen Tiguan allein in diesem Jahr mehr als 650.000 Mal verkauft. Mittlerweile gibt es von ihm auch eine Langversion, den Allspace. Als nächstes schickt VW in 2018 den T-Roc auf den Markt, ein weiteres SUV. Mit ihm soll ein noch jüngeres Publikum angesprochen werden. Bis 2020 wird VW rund 20 SUVs im Angebot haben. Sie sollen bis dahin bis zu 40 Prozent am Gesamtabsatz ausmachen. „SUVs sind der Motor für Wachstum und Profitabilität. Zugespitzt könnte man sagen: Mit den SUVs verdienen wir das Geld, das wir für die Wende hin zur Elektromobilität benötigen“, so der Markenchef.
CO2-Grenzwert für 2020 wird erreicht
Dass vor dem Hintergrund des steigenden Anteils an SUVs das Erreichen des CO2-Grenzwerte von 95 g/km bis zum Jahr 2020 nicht einfacher wird, ist klar. Doch Diess sagt, dass man dieses Ziel erreichen werde. Dazu beitragen werde dann auch die auf dem Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) basierenden Elektroautos. So wird VW 2020 die ersten I.D.-Modelle auf den Markt bringen und bereits 100.000 MEB-Modelle im ersten Jahr absetzen. Sie werden trotz des hohen SUV-Anteils dazu beitragen, die CO2-Grenzwerte zu erreichen.
Auf dem Weg in die Elektromobilität müsse noch viel getan werden, sagt Diess. Zudem müsse auch Deutschland bestrebt sein, zum Leitmarkt für die Elektromobilität zu werden. Dennoch lehnt Diess eine Elektroauto-Quote ab, wie sie zuletzt vom Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung gefordert wurde. „Wir brauchen keine Quote“, sagt Diess. Er bevorzugt vielmehr eine technologieoffene Lösung. So wie der Markenchef eine Elektroquote ablehnt, ist er übrigens auch gegen eine vom Beratergremium gefordertes Ende der Dieselsubventionierung.
Diesel bleibt derzeit unverzichtbar
Dieser Antrieb ist für die Branche trotz der Diskussion um Diesel-Fahrverbote wegen schlechter Luft in den Innenstädten nach wie vor für die Erreichung der CO2-Grenzwerte unverzichtbar. Die CO2-Grenzwerte seien bereits heute herausfordernd. Fast alle Hersteller müssten bis 2020 ihre CO2-Grenzwerte um 20 g/km senken, einige sogar um 30 Prozent. „Mit herkömmlich angetriebenen Autos ist das kaum zu schaffen. Eine fünfsitzige Limousine mit Benzinmotor können wir im Idealfall auf rund 95 Gramm bringen, einen kompakten SUV auf 120 bis 140 Gramm“, sagt Diess.
Selbst bei einem Polo sei bei 85 Gramm Schluss. Eine weitere Optimierung des Verbrenners würde immer teurer. „Beim Mild-Hybrid kostet jedes Gramm weniger rund 100 Euro pro Fahrzeug, beim Hybrid sind es sogar 150 Euro.“ Vor diesem Hintergrund seien die wirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen zur CO2-Reduzierung aufgebraucht. „Wir brauchen das Elektroauto, um die Flotttenziele zu erreichen“, so Diess. 2016 kam VW auf einen CO2-Grenzwert bei seiner Flotte von 116 g/km.
Und diese Flottenziele werden anspruchsvoller. So müssen die Hersteller bis 2025 die CO2-Grentwerte um weitere 15 Prozent und bis 2030 auf dann 30 Prozent im Vergleich zu 2020 reduzieren. Umweltschützern gehen diese Grenzwerte nicht weit genug, sie hätten sich strenge Vorgaben für die Autoindustrie gewünscht. Doch die sollen durch eine gute Lobbyarbeit der Autoindustrie bei der Brüsseler Behörde nicht zustande gekommen sein. Ob sich VW in Brüssel gegen strengere CO2-Grenzwerte eingesetzt hat, dazu wollte Diess am Donnerstag nichts sagen. Er verwies darauf, diese Frage an den Konzern zu stellen.