Die EU-Kommission nimmt einen neuen Anlauf, um das VW-Gesetz zu kippen. Ein Urteil wird im Herbst erwartet.
Mit einer Strafe von mindestens 50 Millionen Euro will die EU-Kommission die Bundesrepublik im Dauerzwist um das VW-Gesetz in die Knie zwingen. Nach Ansicht der EU-Kommission schreckt die Regelung potenzielle Investoren ab, behindert Innovationen und könnte zu steigenden Preisen führen. Diese Argumente brachte die Brüsseler Behörde am Dienstag in einer mündlichen Verhandlung am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vor. Der Streit dreht sich um einen Passus, der dem Land Niedersachsen als Anteilseigner des Autobauers Volkswagen ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen sichert.
EU-Kommission hatte bereits 2007 geklagt
Die Streitparteien treffen sich schon zum zweiten Mal vor dem höchsten EU-Gericht: Schon 2007 hatte die EU-Kommission gegen Deutschland geklagt und die Bundesregierung zu Änderungen an dem Gesetz gezwungen. Nach Ansicht der Kommission ist Deutschland seiner Pflicht aber nicht ausreichend nachgekommen - deshalb klagte die Behörde erneut (Rechtssache C-95/12). Falls der EuGH der EU-Kommission Recht gibt, müsste Deutschland eine Millionenstrafe zahlen. Das Urteil wird im Herbst erwartet.
Der Vertreter der Bundesregierung, Jürgen Schwarze, hielt dagegen, Deutschland habe den Richterspruch korrekt umgesetzt. In Hannover gab sich VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh ebenfalls kämpferisch. "Wir haben weiterhin gute Gründe, am VW-Gesetz festzuhalten. Und notfalls werden wir für den Fortbestand auch kämpfen", sagte Osterloh der Nachrichtenagentur dpa am Dienstagabend.
Sperrminorität als Knackpunkt
Der strittige Passus des Gesetzes schreibt für wichtige Entscheidungen in der VW-Hauptversammlung eine Mehrheit von 80 Prozent vor - das ist mehr als die im Aktiengesetz vorgesehene Schwelle. Niedersachsen hält rund 20 Prozent der Stimmrechte.
Schwarze argumentierte, das Gericht habe diese Sperrminorität bei seinem ersten Urteil nicht einzeln angeprangert, sondern nur in Verbindung mit einer Begrenzung der Stimmrechte auf maximal 20 Prozent je Aktionär. Diese sei aber inzwischen gestrichen worden. "In diesem Verfahren unterstellt die Kommission dem Gerichtshof ein Urteil, das er ausweislich des Tenors so nicht gefällt hat", sagte der Vertreter der Bundesregierung. "Insgesamt komme ich zu der Bewertung, dass das beanstandete Quorum allein den Kapitalverkehr nicht behindert."
Auch Zwangsgeld droht Bundesrepublik
Kommissionsvertreter Gerald Braun hielt dagegen, dies sei eine zu enge Auslegung, "die dem Urteil nicht gerecht wird und die Begründung ignoriert". Der Jurist Oliver Sauer, Referent beim Centrum für Europäische Politik in Freiburg, sieht die Chancen für Deutschland vor Gericht eher gering. "Ich würde darauf tippen, dass die Bundesregierung eher schlechte Karten hat", sagte Sauer der dpa. Allerdings sei die Formulierung im ersten Urteil nicht ganz eindeutig. Am 29. Mai will der einflussreiche Gutachter am Europäischen Gerichtshof seine Empfehlung abgeben.
Schwarze sagte am Dienstag zu, Deutschland werde ein eventuelles Urteil schnellstmöglich umsetzen - eine Gesetzesänderung sei trotz Bundestagswahl bis Ende des Jahres möglich. Zeit ist möglicherweise Geld: Zusätzlich zur Millionenstrafe will die Kommission für jeden Tag von der Urteilsverkündung bis zur Umsetzung ein Zwangsgeld von rund 280.000 Euro festsetzen lassen. (dpa)