VW bekommt erste Milliarden-Quittung für Abgasskandal

Vergleich in den USA

VW bekommt erste Milliarden-Quittung für Abgasskandal
VW profitiert von hoher SUV-Nachfrage. © dpa

Der VW-Abgasskandal kommt dem Konzern teuer zu stehen. Bis zu 15 Milliarden Dollar werden da wohl zusammen kommen. Ein entsprechendes Paket wurde gerade vorgestellt.

Die Abgas-Affäre wird Volkswagen in den USA voraussichtlich bis zu 15 Milliarden Dollar kosten. Ein entsprechendes Paket sieht Rückkäufe, Entschädigungen und Strafen vor. Nach monatelangen Verhandlungen erzielte VW eine Einigung mit den US-Behörden und Klägern, die am Dienstag vorgestellt wurde.

Vor dem Hintergrund dieses Vergleiches werden Millionen Fahrer eines Skandal-Diesels aus der VW-Abgas-Affäre neidisch in die USA schauen. Denn in den Staaten hat Volkswagen ein milliardenschweres Entschädigungspaket auf den Weg gebracht. Betroffene US-Kunden können ihre Autos bei VW und Audi einfach wieder auf den Hof fahren, sie zurückkaufen lassen - und obendrein noch Tausende Dollar an Wiedergutmachung einstreichen. In der VW-Heimat Deutschland dagegen wissen Zehntausende Kunden immer noch nicht, wann sie für die Umrüstung in die Werkstatt sollen. Dort gibt es für die Stunde Wartezeit allenfalls kostenlos Kaffee - eine Entschädigung für deutsche VW-Besitzer hält der Konzern für unnötig. Für die Wolfsburger bedeuten die am Dienstag bekanntgegebenen US-Pläne aber noch viel mehr: Der Skandal um weltweit elf Millionen manipulierte Diesel-Wagen wird für sie finanziell gerade erst real.

Witter spricht von erheblicher Bürde

Das liest sich in der nüchternen Mitteilung so: «Vergleichslösungen dieser Größenordnung sind eindeutig eine sehr erhebliche Bürde für unser Geschäft», sagt VW-Finanzvorstand Frank Witter. Übersetzt heißt das: Die illegalen Machenschaften kosten den Autobauer in den USA Milliarden - und genau die fehlen eben anderswo im Alltag, etwa bei Digitalisierung und E-Mobilität. Die Affäre kostet Leistungskraft.

Die USA sind nach China der weltgrößte Automarkt. Und dort schwächelt VW seit Jahren, es fehlen die richtigen Modelle für den Geschmack der Amerikaner. Weit vor dem Diesel-Skandal nannte Betriebsratschef Bernd Osterloh das US-Geschäft eine «Katastrophenveranstaltung». Nun, im Strudel der Abgas-Affäre, ist «Katastrophe» wohl noch beschönigend. Die Folgen dürften VW in den USA viele weitere Jahre bremsen. Aus Sicht des US-Justizministeriums ist der Diesel-Skandal eine der schwersten Verletzungen von Verbraucher- und Umweltrecht in der Geschichte. «Sie haben über 500 000 Amerikaner unwissentlich zu Komplizen gemacht», sagte Vize-Generalbundesanwältin Sally Yates.

Historische Einigung

Gina McCarthy von der Umweltschutzbehörde EPA sprach von einer «historischen Einigung». Die sei in jeder Hinsicht bahnbrechend, VW müsse in vollem Umfang geradestehen. «Wenn Sie unser Gesetz brechen, gibt es sehr ernsthafte Konsequenzen», sagte sie. Volkswagen selbst gab sich demütig. «Wir sind uns bewusst, dass wir noch viel tun müssen, um das Vertrauen der Menschen in Amerika zurückzugewinnen», sagte Konzernchef Matthias Müller.

Was die Gegenseite in den USA als Sieg feierte, ist Wasser auf die Mühlen der VW-Kritiker in der Heimat. «Die Kunden in Deutschland und Europa werden weiterhin wie Kunden zweiter Klasse behandelt», sagt Christopher Rother von der US-Kanzlei Hausfeld. «Der Vergleich wird sicher eine Signalwirkung haben. Mehr und mehr Verbraucher werden sich jetzt kundig machen, wie sie ihre Rechte gegenüber VW geltend machen können.»

VW sieht das anders. Für Kunden in Europa und Deutschland, wo weitaus mehr manipulierte Fahrzeuge verkauft wurden, lehnt man eine Lösung nach US-Vorbild ab. Die Lage in den USA sei rechtlich nicht mit derjenigen in Europa vergleichbar. Der Hauptgrund aber: Eine Lösung nach US-Vorbild wäre hier für Volkswagen finanziell nur unter größten Mühen zu stemmen. Verbraucherschützer sind deswegen bereits auf die Barrikaden gegangen. Es fehlt ihnen aber ein Druckmittel.

Dieselgate noch nicht beendet

Doch trotz der Milliardensummen an Wiedergutmachung in den USA: Einen Strich unter das «Dieselgate» kann Volkswagen noch lange nicht machen. Vieles ist offen, die Risiken bleiben immens. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher Marktmanipulation, es drohen Milliardenklagen von Anlegern, die sich geprellt fühlen - und auch in Europa klagen Kunden auf Schadenersatz.

So ist auch ungewiss, ob und wann die bisherigen Rückstellungen von gut 16 Milliarden Euro aufgestockt werden müssen. Bisher ist dabei - selbst mit den jüngsten Zahlen aus den USA - bilanztechnisch kein Auslöser gegeben. Aber VW schreibt selbst, alles sei im Fluss.

Im Prinzip könnten die Kosten in den USA auch geringer ausfallen. Nämlich dann, wenn sich nicht alle Besitzer dafür entscheiden, ihr Auto an den Konzern zurück zu verkaufen. Aber die Uhr tickt: Bis Mai 2018 muss VW eine technische Lösung von den US-Behörden abgenickt bekommen. Gelingt das nicht, müsste VW die Autos aller Kunden zurückkaufen, die entschädigt werden wollen. Neben der Diesel-Baustelle versucht Volkswagen derzeit mehr denn je, nach vorn zu sehen. Müller präsentierte kürzlich die neue Strategie. Das «höher, weiter, schneller» vergangener Zeiten soll enden, das Ziel Weltmarktführer ist einkassiert. Den Elektroautos und dem autonomen Fahren soll die Zukunft gehören.
Die Botschaft ist klar, konkrete Vorhaben gibt es noch nicht. Und der größte Umbau in der Konzerngeschichte kostet vor allem eins: viel Geld. Das droht bei Forschung und Entwicklung zu fehlen. Also muss gespart werden. Das erhöht den Druck auf die ertragsschwache Kernmarke VW-Pkw mit Modellen wie Golf und Passat noch weiter. Management und Betriebsrat führen Gespräche zu einem «Zukunftspakt». Denn was geschieht zum Beispiel mit Motorfabriken, die im E-Zeitalter nicht mehr gebraucht werden? Bei diesem Wandel kann der Diesel-Skandal auch ein Turbolader werden - aber ein äußerst teurer. (dpa)

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