Umweltbehörde wirft VW Bedrohung der Gesundheit vor

Abgas-Skandal in USA

Umweltbehörde wirft VW Bedrohung der Gesundheit vor
Der Diesel wird in den USA kaum mehr nachgefragt © dpa

Der Vorwurf wiegt schwer. Die US-Umweltschutzbehörde EPA wirft VW eine Manipulation der Abgaswerte vor. Dem Autobauer droht ein Imageschaden, der auch andere Hersteller betreffen kann.

Volkswagen drohen in den USA Strafen in Milliardenhöhe und ein nicht absehbarer Imageschaden. Und der könnte auch dem Ansehen der deutschen Vorzeigeindustrie insgesamt erhebliche Dellen zufügen. Die US-Umweltbehörde EPA wirft dem Autobauer vor, die Ermittlung von Abgaswerten seiner Diesel-Fahrzeuge manipuliert zu haben. Für den Konzern könnten sich die massiven Anschuldigungen zu einem ziemlich teuren Alptraum auswachsen. Dabei hatte der mächtige VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh das Geschäft in den USA schon ohne diesen Skandal einst als Katastrophenveranstaltung bezeichnet.

Entsprechend finster dürfte die Stimmung nun in Wolfsburg sein, denn die Geschäfte der Kernmarke VW laufen in USA noch immer schlecht. Die Abgas-Affäre wird wohl länger eine Baustelle bleiben - und damit auch eine große Herausforderung für Konzernchef Martin Winterkorn, dessen Vertrag erst kürzlich nach dem Sieg im Machtkampf mit Ferdinand Piëch verlängert worden war. In der Sache schweigt VW bisher zu Details. Ein Sprecher betonte am Samstag, der Umweltschutz gehöre zu den strategischen Unternehmenszielen.

VW will bei Aufklärung helfen

Dazu gehörte bisher auch, den Diesel als saubere Antriebsart zu promoten. Unter dem Schlagwort «Clean Diesel» sollte den US-Kunden der dort als Traktor-Antrieb verpönte Selbstzünder schmackhaft gemacht werden. VW nehme die Vorwürfe sehr ernst, «und arbeitet eng und kooperativ mit der untersuchenden Behörde zusammen und veranlasst alles in seiner Macht stehende, um die Hintergründe für die erhobenen Vorwürfe gründlich aufzuklären», sagte der Sprecher.
Das Verfahren sei bedrohlich, sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer der Deutschen Presse-Agentur. Denn auf den Konzern kämen möglicherweise nicht nur drastische Strafen, sondern eventuell auch Klagen von Kunden zu - vom Schaden für das Ansehen des Unternehmens ganz zu schweigen. «Das ist äußerst ernst zu nehmen.»

Zu allem Übel könnten weitere Kosten, etwa für die mögliche Nachrüstung von Autos, hinzukommen - das Ausmaß sei derzeit nicht absehbar. «Fest steht: es wird teuer», sagte Dudenhöffer. Schon die angedrohten Strafen sind herb: Im schlimmsten Fall drohen Strafen von bis zu 37.500 Dollar (gut 33.000 Euro) pro Auto. Da bisher rund 482.000 Fahrzeuge betroffen sind, summieren sich die theoretisch möglichen Bußgelder auf mehr als 18 Milliarden Dollar - selbst für VW enorm viel Geld. Ob es dazu am Ende wirklich kommt, ist freilich offen.

Enormer Flurschaden für Branche

Doch es geht nicht nur ums Geld. Für die gesamte deutsche Autobranche richte der Skandal enormen Flurschaden an, sagt Dudenhöffer. Auch Daimler und BMW hätten in den vergangenen Jahren den Diesel in den USA als saubere Technologie beworben. Die Vorwürfe könnten das schlechte Image des Antriebs in den USA weiter verschlechtern.
«Das wird ein schwerer Weg», sagte Dudenhöffer. Angesichts der Manipulationsvorwürfe fordert Dudenhöffer auch in Europa eine Untersuchung. «Sicherlich müssen jetzt auch die EU-Kommission und das Bundesverkehrsministerium den Dingen nachgehen und klären, inwieweit diese Software auch in Europa und Deutschland eingesetzt wurde und falsche Abgaswerte vorgaukelt», sagte Dudenhöffer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Da die US-Behörde weitere Ermittlungen auch gegen andere Autobauer angekündigt hat, kann man derzeit nichts ausschließen.» Die übrigen Autobauer kommentieren die Probleme ihres Rivalen nicht. Eine Werbeveranstaltung für die Branche sei das ganze aber nicht, heißt es bei der Konkurrenz hinter vorgehaltener Hand.

Dudenhöffer sieht angesichts der Tragweite des Falls auch Konzernchef Martin Winterkorn in der Verantwortung. «Wir haben es hier mit einer Sache zu tun, die nicht beim Pförtner endet», sagte Dudenhöffer.

Dieselfahrzeuge betroffen

VW baut in Chattanooga derzeit nur den Passat.
Rückruf und Milliardenstrafen in USA möglich dpa

Doch worum geht es? VW habe eine spezielle Software eingesetzt, um die Messung des Schadstoffausstoßes zu manipulieren, teilte die Laut EPA am Freitag in Washington mit. Das ermögliche, das Abgas-Kontrollsystem nur bei offiziellen Emissionstests zu aktivieren - und damit bessere Messwerte zu liefern, als sie im Alltag erreicht würden. Der Vorwurf wiegt schwer, am Ende geht es aus Sicht des EPA um Betrug. «Solche Mittel zu benutzen, um die Klimaschutzstandards zu umgehen, ist illegal und eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit», sagte EPA-Vertreterin Cynthia Giles.

Betroffen sind Fahrzeuge mit Dieselantrieb der Modelljahre 2009 bis 2014, wie auch VW bestätigt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Affäre noch ausweitet. Ihre Behörde werde die Untersuchungen in diesem «sehr ernsten» Fall fortsetzen. Dabei sei es möglich, dass weitere Verdachtsfälle ans Licht kommen, sagte Giles. Das Thema, soviel ist sicher, wird die Branche länger beschäftigen.

Denn der Fall wirft die Frage auf, ob es ähnliches auch in anderen Ländern gegeben haben könnte. «Aufgrund der sehr unterschiedlichen Gesetzgebungen kommen in den einzelnen Märkten jeweils Motorkonzepte mit unterschiedlichen Technologien zum Einsatz», sagte ein VW-Sprecher. «Der Fall lässt sich deshalb nicht direkt auf andere Regionen übertragen. Unsere Fahrzeuge in Europa erfüllen die jeweils zum Zeitpunkt der Zulassung geltenden Abgasgrenznormen.»

Die Deutsche Umwelthilfe sieht das ganz anders. Sie wirft allen Herstellern seit langem vor, die Abgasmessungen beim Diesel zu schönen. Durch das Verfahren in den USA sieht sich der Verband nun bestätigt - und will vor deutschen Gerichten nun Fahrverbote für Dieselfahrzeuge erreichen. (dpa)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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