Die Fahrradmarke Victoria hat mit dem eAdventure 12.10 ein interessantes E-Bike im Angebot. Es zeichnet sich vor allem durch seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten aus.
Victoria? Bei dieser Fahrradmarke denken einige vermutlich an alte schwarze Oma-Räder. Doch im Vielmarken-Konzern Hartje wurde das Label mit seiner weit ins 19. Jahrhundert reichenden Geschichte zum topmodernen Pedelec-Hersteller herausgeputzt. Das zeigt sich zum Beispiel bei dem von uns getesteten eAdventure 12.10, welches gleich mehrere aktuelle Trends bei Design, Antrieb, Konnektivität und Gattungsfusion verkörpert.
Wie bei vielen anderen neuen Pedelecs stecken auch im eAdventure mehrere Fahrradtypen. Trekking-, Mountain-, Reise- und City-Bikes standen Pate. Viele Hersteller bezeichnen diesen Mix von Stilen und Funktionen E-SUV. Victoria sagt hingegen Luxus-SUB dazu, da es sich um ein Bike mit zudem anspruchsvoller Ausstattung handelt.
Design gewöhnungsbedürftig
Eine Schönheit im klassischen Sinn ist das eAdventure 12.10 jedoch nicht. Die Proportionen der Rahmenrohre, die Mattlackierung in Natogrün, voluminöse Stollenräder oder der orangefarbene Markenschriftzug auf dem bulligen Unterrohr fallen auf aber nicht als harmonisch schön ins Auge. Andererseits: Passanten, Nachbarn und Freunde sind beeindruckt von seiner Erscheinung. Viele haben jedenfalls Redebedarf, wenn sie das eAdventure zum ersten Mal sehen.
Für Verwunderung sorgt auch der Blick ins Cockpit. Ein großes Display mit großen Knöpfen gibt es nicht. Stattdessen ist Mäusekino angesagt, denn mittig in einem großen schwarzen Rahmen steckt ein Minidisplay, welches lediglich über Fahrmodus, Geschwindigkeit, Akkustand und Reichweite informiert. Das reicht im Alltag, ist allerdings eher als Notlösung gedacht, denn eigentlich soll der Fahrer über das Mini-Display sein Smartphone legen. Deshalb umrahmt das kleine Display eine flexible Klemmvorrichtung, von Bosch SmartphoneHub genannt, die als Universalhalterung dient. Ist das Smartphone des Fahrers außerdem noch mit der vielseitig talentierten Cobi-App von Bosch gerüstet und per Bluetooth mit dem Antrieb verbunden, wird der Smartphone-Touchscreen zur Anzeige- und Bedienplattform für viele Funktionen, die weit über das Thema Fahrrad hinausgehen.
Antritts- und durchzugsstark
Das eAdventure kann auch fahren. Und das sogar beeindruckend antritts- und durchzugsstark. Der CX Performance Line Mittelmotor vermittelt im Turbomodus mit voll entfesselten 85 Newtonmeter sogar das Gefühl, den parallel auf der Straße fahrenden Autos Paroli bieten zu können. Zumindest bei kurzen Sprints, die irgendwo bei 26 bis 28 km/h enden. Anschließend pendelt sich die Reisegeschwindigkeit – typisch Pedelec – auf 25 km/h ein.
Gepaart ist der E-Antrieb mit einer 12-Gang-Kettenschaltung, die gelegentlich die Gänge etwas lautstark wechselt, dafür aber sowohl für flottes Touren mit niedriger Trittfrequenz als auch für steile Passagen jeweils passende Übersetzungen bereithält. Die Spreizung beträgt 510 Prozent. Das bullige und rund 25 Kilogramm schwere Victoria ist zwar kein wendiger Hüpfer, doch offroad kommt man mit ihm weiter als mit normalen Straßen-Pedelecs. Steile Hänge im Gelände stellen jedenfalls keine Hindernisse dar. Allerdings hat Victoria nicht die Variante des CX Performance Line mit einem speziell auf den Geländeeinsatz ausgelegten E-MTB-Fahrmodus eingebaut.
Angenehme Sitzposition
Grundsätzlich gute Gene bietet das eAdventure fürs Touren. Als Fahrer nimmt man eine angenehm aufrechte Sitzposition ein, der Sattel ist trotz der leicht sportlichen Optik bequem, der breite Lenker vermittelt ein gutes Gefühl der Kontrolle. Das trifft auch auf die hydraulischen Scheibenbremsen zu, die fein dosierbar sind und Bremsmanöver auf den Punkt erlauben. Etwas störend wirkt die Geräuschkulisse, denn der Motor macht sich immer wieder durch markantes Surren bemerkbar, zugleich sind die Abrollgeräusche der Reifen ausgeprägt.
Doch die voluminösen Pneus bieten im Gegenzug einen gewissen Federkomfort. Beim eAdventure sind zudem Vordergabel sowie die Sattelstütze gefedert. Kopfsteinpflaster oder Wurzelgeflecht verlieren dank dieser Ausstattung ihren Schrecken. Die Federung des Sattels mildert zwar Schläge von Unebenheiten ab, oftmals gerät der Oberkörper des Fahrers allerdings in störender Weise in Bewegung. Das ist nicht jedermanns Sache.
Wuchtiges Unterrohr
Das wuchtige Unterrohr sorgt nicht nur für eine markante Optik, sondern beherbergt im abschließbaren Inneren noch eine 625-Wh-Batterie, die im Turbomodus Energie für rund 70 Kilometer Reichweite bereitstellt. Weiter geht also immer. Wer längere Touren plant, wählt zur Reichweitenoptimierung alternativ einen von drei weniger energieintensiven Fahrmodi. Grundsätzlich lässt sich das eAdventure ohne Motorunterstützung fahren, was allerdings mehr Kraft als bei einem Fahrrad mit Bioantrieb kostet.
Mit Schutzblechen, stabilem Seitenständer, Gepäckträger, einem verstellbaren Lenkervorbau und einer guten LED-Lichtanlage ist das eAdventure 12.10 ab Werk für den Alltag gut gerüstet. Zudem gibt es ein Speichenschloss, dessen Schlüssel auch für die Schließung des Akkufachs passt. Außerdem zeichnet sich das eAdventure durch die gehobene Qualität der Komponenten wie auch der Verarbeitung aus. Das hat mit rund 3.900 Euro seinen allerdings stolzen Preis. Im Gegenzug ist der starke Allrounder voll ausgestattet. Wer eine günstigere Variante will, findet bei Victoria noch drei weitere vorkonfigurierte Modelle der eAdventure-Familie, die weniger kosten und deshalb auch weniger bieten. (SP-X)