Auf Deutschlands Straßen sind im vergangenen Jahr 3606 Menschen ums Leben gekommen. Das ist ein neuer Tiefstand seit Beginn der Statistik. Experten sehen jedoch Möglichkeiten, die Zahl weiter zu senken.
Auf Deutschlands Straßen sterben immer noch jeden Tag zehn Menschen, neun davon auf Landstraßen und in Städten. 3606 Verkehrstote meldete das Statistische Bundesamt am Freitag für 2012, das ist neuer Tiefststand seit Beginn der Statistik vor mehr als 60 Jahren. Autos und Straßen sind sicherer geworden, aber es gibt nach Überzeugung von Experten Potenzial, die Zahlen noch weiter zu senken.
Handlungsbedarf sehen sie vor allem auf Landstraßen und in den Städten. Von Januar bis November 2012 ereigneten sich 60 Prozent der tödlichen Unfälle auf Landstraßen und 29 Prozent innerorts. "Die Autobahnen sind unser kleinstes Problem", sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Unfälle passierten vor allem in komplexen Situationen, etwa beim Abbiegen oder Überholen. Deshalb müsse dort mehr für die Sicherheit getan werden.
Weitere Technik-Verbesserungen möglich
Der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) mahnt ein Umdenken an. Immer noch werde lediglich daran gearbeitet, das bestehende System zu optimieren, kritisiert VCD-Sicherheitsexpertin Anja Hänel. Antiblockiersysteme oder akustische Warnungen vor Gefahren seien zwar gut, aber "das kommt vielen entgegen, weil man sein Verhalten damit nicht ändern muss."
Die Technik sei der wichtigste Grund für den Rückgang der vergangenen Jahrzehnte, und dort seien immer noch Verbesserungen möglich, sagt dagegen Unfallforscher Brockmann. "Teilautomatisiertes Fahren" könne Gefahrensituationen vermeiden - etwa, wenn eingebaute Assistenten dem Fahrer drohende Kollisionen beim Abbiegen nicht nur akustisch anzeigen, sondern den Wagen auch automatisch bremsen, bevor es kracht. "Wir müssen aber mehr tun, als uns auf Technik zu verlassen", sagt Brockmann. Zuviel Technik im Auto könne sogar Unfälle verursachen, meint der ACE Auto Club Europa. Wer hinterm Steuer gleichzeitig im Internet unterwegs sei, könne sich nicht mehr auf das Geschehen auf der Straße konzentrieren.
Ein Bewusstseinswandel sei nötig, Verkehrssicherheit müsse als gesellschaftliche Aufgabe festgeschrieben werden, fordert VCD-Expertin Hänel. Tempolimits und eine Null-Promille-Grenze gehörten dazu. "Man fragt sich, warum so einfache Maßnahmen nicht eingeführt werden, zumal sie kostengünstig und umweltfreundlich sind." Tempo 30 in Städten müsse die Regel werden, um Zahl und Schwere der Unfälle zu senken.
Tempolimit allein bringt nichts
Ein Tempolimit allein werde gar nichts ändern, widerspricht Unfallforscher Brockmann. "Auf der selben breiten, vielleicht vierspurigen Straße plötzlich nur noch 30 fahren - das wird nicht funktionieren." Straßen müssten vielmehr so umgebaut werden, dass Autofahrer nicht zum Schnellfahren animiert würden. Fußgänger und Radfahrer, die nicht so gut geschützt unterwegs sind wie Autofahrer, sollten besser durch den Verkehr und über Straßen geführt werden.
Auf Landstraßen machen Brockmann vor allem "Baumunfälle" Sorgen. Jeder dritte tödlich Verletzte auf Landstraßen sei mit einem Baum kollidiert. Helfen könnten Schutzplanken, die freilich Geld kosteten. "Für Alleen ist Geld da, aber nicht für Schutzplanken", bemängelt Brockmann. Die Kritik des VCD, viele Landstraßen seien mit Millionenaufwand zu breiten Rennpisten ausgebaut worden und deshalb unfallträchtiger, teilt Brockmann nicht: "Eine ausgebaute Landstraße ist sicherer als eine alte, einspurige." Die Gefahr von Überhol- und Abbiegeunfällen sei geringer. (dpa)