Wie kann der Verkehr zu mehr Klimaschutz beitragen? Darüber streitet eine Regierungskommission in Berlin. Aufgrund unterschiedlicher Positionen zeichnet sich derzeit kein Kompromiss ab.
Milliardenzuschüsse für preiswertere Tickets im Nahverkehr, ein Ausbau von Radverkehr sowie Elektroauto-Ladesäulen – aber auch höhere Spritsteuern und ein CO2-Preis? Das mühsame Ringen einer von der Bundesregierung bestellten Arbeitsgruppe mit Vertretern von Industrie, Gewerkschaften, Verkehrs- und Umweltverbänden hat am Montag gezeigt, wie holprig der Weg zu mehr Klimaschutz im Verkehr ist. Ob es einen Kompromiss geben würde, war zunächst offen.
Der Verkehr ist einer der größten Verursacher von klimaschädlichen Treibhausgasemissionen in Deutschland – die Emissionen sind seit 1990 nicht zurückgegangen. Das liegt daran, dass der motorisierte Verkehr zugenommen hat, auch weil spritschluckende schwere SUV (SUV) boomen. Bis 2030 sollen die Emissionen im Verkehr aber um 40 bis 42 Prozent sinken – so steht es im Klimaschutzplan, zu dem Union und SPD sich im Koalitionsvertrag bekennen.
Scheuer lehnt höhere Steuern ab
Die Ergebnisse der Klima-Arbeitsgruppe sollen einfließen in einen Zwischenbericht der Kommission «Nationale Plattform Zukunft der Mobilität». Dieses Gremium hat insgesamt sechs Arbeitsgruppen. Der Zwischenbericht soll dann eine «Diskussionsgrundlage» für erste Handlungsoptionen der Plattform an die Bundesregierung sein.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CDU) hatte Gedankenspielen etwa zu möglichen höheren Steuern bereits eine Absage erteilt. Die Mobilität von morgen müsse effizient, digital, bezahlbar und klimafreundlich sein. Die Bundesregierung plant in diesem Jahr ein Klimaschutzgesetz. Für den Energiesektor hatte eine Kommission einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038 vorgeschlagen.
Über ein «Instrumentenbündel» im Verkehr besteht in der Arbeitsgruppe weitgehend Konsens. Dazu gehört laut einem Berichtsentwurf, den öffentlichen Nahverkehr sowie den Radverkehr massiv auszubauen und auch den Schienenverkehr zu stärken. Dazu schlagen die Experten zum Beispiel vor, durch einen Zuschuss von zwei Milliarden Euro pro Jahr Ticketpreise im öffentlichen Nahverkehr zu senken. Damit Elektroautos in Deutschland den Durchbruch schaffen, sind verschiedene Anreize vorgesehen – etwa ein Bonus für E-Autos, eine Förderung bei der Dienstwagenbesteuerung oder der Ausbau von Ladestationen. Allerdings bleibt eine große Lücke übrig, damit die Einsparziele beim Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) bis 2030 erreicht werden können. Wie die geschlossen werden soll, ist umstritten.
Sozialverträglicher CO2-Preis
Umweltschützer wollen, dass ein sozialverträglicher CO2-Preis eingeführt wird – damit würde etwa das Fahren schwerer Wagen teurer. Zu den umstrittenen Vorschlägen gehört auch, eine Quote für Elektrofahrzeuge einzuführen und die Besteuerung von Benzin und Diesel anzugleichen – damit würde das bisherige Steuerprivileg wegfallen, das Diesel beim Tanken günstiger macht. Streit gibt es auch darüber, in welchem Umfang Kraftstoffe, die aus Pflanzen und aus Strom gewonnen werden, ausgebaut werden können.
Der Autoverband VDA wandte sich gegen Vorschläge, die Autofahren teurer machen. Klimaziele im Verkehr seien ohne Verbote und Beschränkungen erreichbar. «Individuelle Mobilität darf nicht zur sozialen Frage werden.» Der VDA ist Mitglied der Arbeitsgruppe. Um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, müsse die Elektromobilität massiv Fahrt aufnehmen. Wichtig sei vor allem ein rascher Aufbau der Ladeinfrastruktur. Zudem brauche es wirksame und stetige Anreizsysteme.
Unter optimalen Bedingungen und einer entsprechenden Nachfrage sind aus Sicht des VDA im Jahr 2030 sieben bis 10,5 Millionen elektrische Pkw möglich. Nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) lag 2018 der Bestand an Elektro-Pkw erst bei rund 83 000 Fahrzeugen, der an Hybrid-Pkw bei rund 341 000 Autos – bei einem Gesamtbestand von 57,3 Millionen Kraftfahrzeugen.
Umweltschützer skeptisch
Umweltschützer hatten sich vor Beginn der Sitzung skeptisch gezeigt. Entscheidend sei, öffentliche Verkehrsmittel und Elektroautos zu stärken sowie Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, sagte Ernst-Christoph Stolper vom BUND. Burkhard Stork vom Fahrrad-Club ADFC sagte, der Knackpunkt sei, ob ernsthaft über ein anderes Verkehrssystem geredet werde – also Bus und Bahn, Fuß- und Radverkehr oder auch neue elektrische Roller statt auf Pkw mit anderen Antrieben. Beide sind Mitglied der Arbeitsgruppe.
Die Klimaschutz-Arbeitsgruppe war in die Schlagzeilen geraten, weil zu den möglichen Vorschlägen auch ein Tempolimit auf Autobahnen gehören könnte – Konsens ist das aber nicht unter den Mitgliedern. (dpa)