Verge TS Pro: Brachialschub schon im Zen-Modus

Verge TS Pro: Brachialschub schon im Zen-Modus
Akustisch dezent, optisch allerdings sehr auffällig: das finnische Elektromotorrad Verge TS Pro. © Verge

Zwei Räder und dennoch 1.000 Nm Drehmoment? Das E-Motorrad Verge TS Pro überrascht in mancherlei Hinsicht. Vor allem aber am Hinterrad.

Zen-Modus – mehr wird uns heute nicht gestattet. „Wir haben diesen Fahrmodus fest programmiert. Zur Sicherheit“, sagt Hugo Stillmann vom Motorradhersteller Verge. Die vollen 1.000 Nm Drehmoment seien selbst für geübte Biker eine Herausforderung, so der Finne. Deshalb wird für unsere Probefahrt auf gut die Hälfte gedrosselt. Doch selbst dann bietet das Elektromotorrad TS Pro einen äußerst respekteinflößenden Antritt.

Das 2018 gegründete Start-up Verge hat sich unter den vielen Elektro-Newcomern einen Namen gemacht, setzt mehr als andere auf extreme Leistung und Optik und außerdem auf eine technisch außergewöhnliche Antriebslösung: Der im Hinterrad integrierte Motor steckt nicht in der Radmitte, sondern schmiegt sich an den inneren Felgenkranz. Wie auch die hintere 380er-Scheibenbremse und die Hinterradführung. Der Clou: Im Seitenprofil klafft mittig im Hinterrad ein riesiges Loch, durch das ein Kind seinen Kopf stecken könnte.

Bis zu 350 Kilometer Reichweite

Der Durchzug der TS Pro ist selbst im Zen-Modus angsteinflößend. Foto: Verge

Die Konstruktion sieht dennoch solide aus, der 240er-Reifen verspricht ordentlich Traktion. Drei zwischen Felgenmotor und dem zentralen Batterieblock verlegte, daumendicke Stromkabel in orangefarbener Ummantelung künden zudem von potenter Hochvolttechnik. Im Fall der von uns getesteten TS Pro 102 kW (139 PS) und besagte 1.000 Newtonmeter Drehmoment. Außerdem wichtig: Eine 20,2 kWh große Batterie, die unter idealen Bedingungen 350 Kilometer weit tragen soll. Was bei der Verge TS außerdem auffällt, ist ein Spiel mit XL- und XS-Dimensionen. Neben dem Hinterreifen wirkt auch der Akkukasten übermächtig. Wer hingegen Blinker finden will, braucht fast eine Lupe. Auch das kantig-aggressive Styling und der lange Radstand machen die TS zum Eyecatcher.

Nun also Zen. Über den großen in der Tankattrappe eingelassenen Acht-Zoll-Touchscreen könnte man auch die Modi Range, Custom oder Beast anwählen, wäre der Zugriff auf diese nicht blockiert. Nach wenigen Metern wird klar: Zen reicht völlig. Bereits jetzt ist der Antritt fast schon brutal. Vollgas trauen wir uns nicht, obwohl die Regelelektronik ein Durchdrehen des Hinterreifens und Wheelies zu verhindern weiß. Egal aus welcher Situation heraus man beschleunigt: Der Tempozuwachs wirkt jedes Mal sprunghaft. Und mühelos, obwohl zusammen mit Fahrer deutlich über 300 Kilogramm bewegt werden müssen. Im Fall der TS Pro soll der Sprint auf 100 km/h lediglich 3,5 Sekunden dauern. Maximal sind 200 km/h möglich, bei Regen auf der Autobahn geben wir uns allerdings mit 160 zufrieden.

Mit breiter Brust im Fahrtwind

Dank des breiten Lenkers und einer leicht nachvorne gebeugten Haltung hängt man mit breiter Brust voll im Fahrtwind, was auch ein wenig Unruhe in die Lenkung bringt. Zusammen mit einer auf Unebenheiten etwas unwirsch reagierenden Federung vermittelt das Fahrwerk des Streetfighter-Stromers einen leicht unharmonischen Eindruck. Trotz Brutalo-Aura gibt sie sich angenehm handlich und schräglagenwillig.

Die 350 Datenblatt-Kilometer sind möglich, wenn man vornehmlich im urbanen Umfeld umherstromert. Kommen noch Landstraßen-Etappen hinzu, reicht der Stromvorrat laut Hugo Stillmann für rund 200 Kilometer. Aber als Reisemotorrad empfiehlt sich die Verge ohnehin nicht. Eher als Statement mit Spaßfaktor. Der Tagesausflug darf natürlich auch etwas weiter gehen, denn die Schnellladetechnik der TS Pro erlaubt ein Auffüllen der Batterie von 0 auf 80 Prozent in etwas über 30 Minuten.

Rund 300 Motorräder des Herstellers sind derzeit in Europa unterwegs. Bald werden auch einige in Deutschland hinzukommen. Die bislang einzige Baureihe der Finnen wird hierzulande in den drei Varianten als TS, TS Pro und als 150 kW (204 PS) starke TS Ultra für 33.000, 39.000 beziehungsweise über 54.000 Euro vertrieben. Aber Verge hat noch mehr vor. Anfang 2024 wollen die Finnen auf der CES bereits ihre nächste Neuheit vorstellen. (SP-X)

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