«Öffentliches Schaulaufen beenden»

Steinmeier für Verhandlungen mit Opel-Interessenten

GM hat Opel die europäischen Eigentumswerte schuldenfrei übertragen. Auf dem Weg in die Eigenständigkeit ist das ein wichtiger Schritt. Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier fordert, in konkrete Verhandlungen mit den Interessenten einzusteigen.

Auf der Fahrt in die Eigenständigkeit kann Opel jetzt richtig Gas geben. Mit der schuldenfreien Übertragung der europäischen Eigentumswerte von der Konzernmutter General Motors (GM) auf die deutsche Adam Opel GmbH wurden dicke Steine aus dem Weg geräumt. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte aber auch unmittelbar vor dem Opel-Spitzengespräch im Kanzleramt vor allzu großer Euphorie gewarnt.

Guttenberg nicht überzeugt von Konzepten

Die bislang vorgelegten Konzepte der Opel-Interessenten überzeugten ihn nicht - unter anderem, weil die Investoren Milliarden-Bürgschaften fordern, aber wenig eigenes Kapital einbringen wollen. Auf ein Milliardengrab für deutsche Steuergelder kann sich die Politik jedoch selbst in einem Wahljahr nicht einlassen, wenn die Unternehmen ihrerseits das Risiko scheuen. «Es sind weiterhin erhebliche Fragen offen bei allen Investoren», betonte der Minister -und erinnerte erneut an die Möglichkeit einer «Planinsolvenz».

Guttenberg sah vor allem auch das geplante Treuhandmodell für Opel noch nicht in trockenen Tüchern. «Wir brauchen dringend diese Einigung mit der US-Seite.» Mit dem Modell soll Opel aus dem Insolvenzstrudel des Mutterkonzerns General Motors (GM) herausgehalten werden. Für diese Zwischenlösung stand aber laut Guttenberg zunächst noch der Segen US-Finanzministeriums aus. «Von daher will ich jetzt nicht vorauseilend in den Jubel einstimmen, den einige hier schon verkündet haben», gab sich der Minister nüchtern.

Lange Verhandlungen

Aus dem Grunde galt es als wahrscheinlich, dass bei dem «Opel- Gipfel» am Mittwochabend im Kanzleramt noch kein bevorzugter Investor für Opel festgelegt wird. Bis ein Zusammengehen mit Opel tatsächlich unterschriftsreif ist, stehen noch lange Verhandlungen an. Würde ein Favorit ausgemacht, könnte dieser Erpressungspotenzial entwickeln. Die Situation ist schon prekär genug: «Die Interessenten wissen genau, dass wir uns im Bundestagswahlkampf befinden», sagte der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn. «In dieser Zeit ist es fast unmöglich für einen Politiker, ein Traditionsunternehmen wie Opel insolvent gehen zu lassen.»

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) feierte dennoch schon die Nachricht der rechtlichen Abspaltung: «Das ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einem selbstständigen europäischen Opel-Unternehmen und eine wichtige Voraussetzung, um Opel zu retten.» Mit der immer wahrscheinlicher werdenden Insolvenz von GM in den USA hätte der europäische Teil des Unternehmens dann nichts mehr zu tun. Damit hätte die Bundesregierung ein erstes wichtiges Ziel erreicht.

Entgegenkommen für Treuhandlösung

Hinter der Entscheidung von GM, sämtliche Werke in Europa mit Ausnahme Russlands, die Verkaufsorganisation, die Patente und die Rechte an Technologien an Opel zu übertragen, steht die US-Regierung. Sie zeigt damit auch Entgegenkommen für die Treuhandlösung. Experten hatten zuletzt daran gezweifelt, dass GM und Washington der Treuhand- Lösung zustimmen könnten. Denn sie geben praktisch kostenlos Kapital ab. Autoexperte Christoph Stürmer vom Wirtschaftsforschungsinstitut Global Insight in Frankfurt sagt: «Das zeigt, dass GM und Washington daran interessiert sind, sich alle nicht-amerikanischen Probleme schnell und ohne Rücksicht auf Verluste vom Hals zu schaffen.»

In Rüsselsheim wird zudem vermutet, dass GM die letzte Chance beim Schopfe gepackt haben könnte, weiter Mitsprachemöglichkeiten bei Opel zu haben: In der Treuhandlösung sollen die beteiligten Regierungen und GM gleichberechtigt das Kommando haben, bis die Verträge mit den neuen Chefs unterschrieben sind. Hätte GM Opel mit in die Insolvenz gerissen, wäre jeder Einfluss aus Detroit verloren gegangen.

Betriebsratschef Klaus Franz sieht sich fast am Ziel seiner Wünsche. Nach 80 Jahren im Schoß der großen Mutter GM träumen in Rüsselsheim und an den anderen Opel-Standorten viele von einer größeren Eigenständigkeit, in der das firmeninterne Ingenieurswissen sich frei entfalten könnte. Häufig - so empfinden es die Opelaner - hatten die GM-Herren in Detroit kein Gefühl für den qualitätsorientierten Markt in Europa und verordneten einen kontraproduktiven Sparkurs. Die Folge waren ständig sinkende Marktanteile.

In Verhandlungen eintreten

Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat sich für konkrete Verhandlungen mit den Opel-Interessenten ausgesprochen. «Wir sollten jetzt das öffentliche Schaulaufen beenden und in konkrete Verhandlungen einsteigen», sagte Steinmeier am Mittwochabend in Berlin. Den Amerikanern müsse signalisiert werden, mit welchen Partner die Zukunft für Opel gestaltet werde.
Mit Blick auf das Spitzentreffen am Abend im Kanzleramt sagte Steinmeier, er hoffe, dass man einen guten Schritt vorankomme. Er sei sicher, dass bei dem Treffen die staatliche Brückenfinanzierung unter «Dach und Fach» gebracht werde.

Sollte der amerikanische Mutterkonzern General Motors (GM) in den nächsten Tagen insolvent werden, dürften bei Opel nicht die Lichter ausgehen. Es müssten daher jetzt Weichen für eine eigenständige Zukunft von Opel gestellt werden. Nach den Worten von Steinmeier liegen ernsthafte und interessante Angebote vor. Er rate, diese nicht schlecht zu reden.

Brückenfinanzierung beschließen

Die Runde im Kanzleramt wollte die Brückenfinanzierung beschließen und letzte Details des Treuhandmodells klären. Vizekanzler Frank- Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich zuversichtlich, dass bei dem Treffen die staatliche Brückenfinanzierung unter «Dach und Fach» gebracht werde. Er forderte zugleich: «Wir sollten jetzt das öffentliche Schaulaufen beenden und in konkrete Verhandlungen einsteigen.» Den Amerikanern müsse signalisiert werden, mit welchem Partner die Zukunft für Opel gestaltet werde.

Das Herauslösen aller europäischen Teile bedeutet eine rechtliche Trennung. Hauptanteilseigner bleibt zunächst jedoch GM. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg betonte, die Verkaufsentscheidungen lägen weiter im wesentlichen bei GM und der US-Regierung. Die deutsche Seite habe jedoch ihre «Hausaufgaben» erledigt. «Wir sind vorbereitet.» Der Aufsichtsrat der Opel GmbH akzeptierte auf einer außerordentlichen Sitzung das geplante Treuhandmodell von Bundesregierung und betroffenen Opel-Ländern.

Zu dem Treffen im Berliner Kanzleramt kamen am Abend neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Guttenberg auch die Regierungschefs der vier Bundesländer mit Opel-Standorten sowie GM- Europachef Carl-Peter Forster. Bei den Gesprächen sollten zudem Manager der Interessenten getrennt voneinander Rede und Antwort stehen. Es lagen drei Konzepte von Fiat, Magna und Ripplewood auf dem Tisch. Dem amerikanischen Finanzinvestor Ripplewood werden nur geringe Chancen eingeräumt. Zuletzt hatte auch das chinesische Unternehmen BAIC Interesse bekundet, kam aber mit seinem Konzept für die Runde zu spät. Die Vorstellungen von BAIC sollen dennoch geprüft werden.

Steg ließ offen, ob bei dem Treffen im Kanzleramt eine Präferenz für einen bestimmten Opel-Interessenten festgelegt wird. Es sei wahrscheinlicher, dass die Gespräche in den nächsten Tagen mit mindestens zwei Interessenten fortgesetzt würden. Der nordrhein- westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) erwartet keine schnelle Lösung. Er warnte davor, die Lasten für den erwarteten Personalabbau bei Opel unfair zu verteilen. Die EU-Kommission berief derweil für Freitag eine Krisensitzung mit den Wirtschafts- und Industrieministern der von der GM-Krise betroffenen EU-Staaten ein (dpa)

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