Daimler auf Kurs – Chrysler im Strudel

Ein Jahr nach dem Ende

Ein Jahr nach dem Ende der «Ehe im Himmel» haben sich Daimler und Chrysler auseinanderentwickelt. Doch die Stuttgarter können über die Scheidung nicht nur jubeln.

Von Bernd Glebe und Roland Freund

Werden Daimler-Manager auf Chrysler angesprochen, huscht oft ein schiefes Grinsen über ihr Gesicht. Rund ein Jahr nach dem Ende der transatlantischen Auto-Ehe haben sich die beiden Autobauer deutlich auseinanderentwickelt. Daimler ist trotz der jüngsten Drosselung der Jahresziele auf Kurs. Chrysler leidet dagegen schwer unter der Krise auf dem US-Markt. Ganz voneinander losgekommen sind der Stuttgarter Premiumhersteller und der US-Anbieter aber trotz ihrer Trennung nicht. Daimler hält noch knapp 20 Prozent an Chrysler und muss dadurch bei der Talfahrt der Ex-Tochter in jedem Quartal kräftig mitbluten.

Sorgen bleiben

Als «Ehe im Himmel» vom damaligen DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp gefeiert, endete die Auto-Allianz neun Jahre später recht abgekühlt vor dem Scheidungsrichter. Nach immer schlechteren Zahlen, gescheiterten Sanierungsversuchen und wochenlangen Spekulationen griff schließlich der Finanzinvestor Cerberus zu und zahlte rund 5,5 Milliarden Euro für 80,1 Prozent an Chrysler. Die Deutschen wurden auch die hohen Pensions- und Gesundheitskosten der ungeliebten Braut los. Im Gegenzug sagten sie noch einen Kredit von 1,5 Milliarden Dollar (rund 964 Millionen Euro) zu, den der drittgrößte US-Autobauer im Juni angesichts seiner Finanzprobleme auch prompt in Anspruch nahm.

Dass an dem Aus kein Weg vorbeiführen konnte, räumen mittlerweile alle Beteiligten ein - auch Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche, der sich als «Chrysler-Guy» bezeichnete und selbst jahrelang in Detroit den US-Hersteller auf Kurs bringen wollte. Wurde nach der Trennung zunächst noch tapfer auf die vielen verbliebenen gemeinsamen Projekte verwiesen, schaut Stuttgart inzwischen trotz abgeschraubter DaimlerChrysler-Schilder und neuem Rückenwind vor allem mit Sorge den Finanzberichten aus den USA entgegen.

Weitere Hiobsbotschaften erwartet

Erst zuletzt musste Chrysler Insolvenzgerüchte dementieren. Wie hoch die Verluste sind, verrät Chrysler als private Gesellschaft nicht mehr. Das Minus ist nur indirekt über die Daimler-Bilanz zu erschließen: Allein im zweiten Quartal schlug Chrysler dort mit 373 Millionen Euro negativ zu Buche. Bei seinem von 7,7 auf 7,0 Milliarden Euro gedrosselten Ausblick für 2008 erwähnte Daimler ausdrücklich, dass neue Hiobsbotschaften des US-Herstellers darin noch nicht enthalten seien. Und davon könnten noch einige kommen.

Chryslers US-Absatz brach im laufenden Jahr um bisher 23 Prozent ein - noch stärker als bei den ebenfalls notleidenden Wettbewerbern General Motors (GM) und Ford. Wegen der hohen Benzinpreise und der Konjunkturkrise kaufen die US-Bürger immer weniger Autos, vor allem nicht die spritfressenden Geländewagen heimischer Hersteller. Anders als bei GM und Ford ist Chryslers Auslandsgeschäft trotz steigender Absatzzahlen noch nicht groß genug, um den Schwund in der Heimat auch nur annähernd wettzumachen.

«Am Boden, aber nicht aus dem Rennen»

Das Rezept a la Cerberus bisher: Abbau zehntausender Stellen und radikales Zurückfahren der Produktion. Auch Kooperationen mit anderen Herstellern sollen helfen - zuletzt wurde über Fiat spekuliert. Viele Experten sind aber skeptisch, ob Chrysler der wichtigste Schritt gelingt: Schnell neue sparsame Autos auf den Markt zu bringen. Der einst bei der Heimwerker-Kette Home Depot geschasste neue Chrysler-Chef Robert Nardelli übte sich in einem Schreiben an die Mitarbeiter zum Jahrestag der Trennung in Zuversicht: «Chrysler mag am Boden liegen, aber wir sind längst nicht aus dem Rennen.»

In der Daimler-Chefetage können derweil einige der gescheiterten Ehe auch Gutes abgewinnen. Die in den Chrysler-Verkauf involvierten Vorstände erhielten für die schnelle Abwicklung des Deals kräftige Sonderzahlungen. Und in der aktuellen Diskussion über einen Hedge-Fonds vor den Konzerntoren kann die Last der Chrysler-Beteiligung nach Einschätzung von Auto-Experten sogar eine Art «Schutzwall» gegen unliebsamen Interessenten sein. (dpa)

Keine Beiträge vorhanden