«Brauchen schnell ein Werk im Dollarraum»

VW glaubt die Talsohle in den USA durchschritten zu haben. «Mit den auf den amerikanischen Markt ausgerichteten Produkten kann es nur besser werden», sagte Vertriebschef Detlef Wittig der Autogazette.

Der Volkswagen-Konzern wird noch in diesem Jahr eine Entscheidung über den Bau eines Werkes in den USA treffen. Das sagte Vertriebschef Detlef Wittig im Interview mit der Autogazette. Das Fehlen eines eigenen Werkes in den USA bezeichnete der 65 Jahre alte Manager als «eines unserer starken Handicaps». Deshalb müsse das Unternehmen «schnellstmöglich sehen, dass wir im Dollarraum eine Fertigungsstätte haben. Wir sind dabei, die verschiedenen Standorte in den USA zu analysieren», sagte Wittig. So etwas brauche aber mindestens sechs Monate Zeit, fügte er hinzu.

«Haben eine Plus-Minus-Situation»

Dass der Export von Fahrzeugen in die USA aufgrund des schwachen Dollarkurses für VW zu einem Wohltätigkeitsprojekt wird, wurde von Wittig verneint. «Wir haben bei einer Vielzahl der Fahrzeuge eine Plus-Minus-Situation. Das ist nicht so schlecht bei der aktuellen Währungssituation. Doch um in den USA weiter investieren zu können, wollen wir Geld verdienen, was wir derzeit nicht tun.»

«Müssen uns deutlich breiter aufstellen»

Autogazette: Herr Wittig, im Oktober mussten Sie aus Altersgründen Ihr Amt als Skoda-Chef aufgeben und hätten sich auf den Ruhestand freuen können. Doch kurz darauf haben Sie das Amt des Vertriebschefs von VW übernommen. Warum tun Sie sich das noch an?

Detlef Wittig: Ich habe eine so lange und gute Verbindung zum Konzern und unserem Topmanagement, dass ich nicht lange überlegen musste, als das Amt von Dr. Winterkorn an mich herangetragen wurde.

Autogazette: Wie lange wollen Sie diese Position bekleiden?

Wittig: Das werde nicht ich entscheiden, es ist eine Entscheidung des Vorstandes und des Aufsichtsrates.

Autogazette: Welche Ziele haben Sie sich für diese Aufgabe gesetzt und welche Erwartungen hat VW-Chef Winterkorn in Sie?

Wittig: Herr Winterkorn hat in Detroit auf das langfristige Ziel für den Konzern bis 2018 hingewiesen. Das bedeutet, dass wir uns nicht mit unserer Marktführerschaft in Europa begnügen können, sondern uns deutlich breiter aufstellen müssen.

«Insbesondere in den USA verbessern»

Der Passat CC Foto: AG/Mertens

Autogazette: Sie zielen auf die Wachstumsmärkte ab?

Wittig: Ja, ich war stark an dem Thema Emerging Markets mit Blick auf Indien und Russland beteiligt. Hier stehen wir jetzt vor der Aufgabe, dass wir das, was wir mit Blick auf die Produktion aufgebaut haben, mit Vertriebs- und Händlernetzen entsprechend unterlegen müssen. Darüber hinaus haben wir noch über weitere weiße Flächen auf der Welt nachzudenken, so bemühen wir uns mit unterschiedlichem Erfolg in Asien.

Autogazette: Daneben dürfte vor allem der US-Markt eine wichtige Rolle spielen...

Wittig: ...natürlich. Wir müssen uns fragen, wie wir hier vorankommen. Wenn wir unsere langfristigen Ziele auch in Vergleich zu Toyota erreichen wollen, dann müssen wir uns insbesondere in den USA verbessern. Daneben geht es um die Schärfung der einzelnen Profile der Marken. Dazu kann ich sicherlich mit meiner Skoda- und jahrelangen Volkswagen-Vergangenheit beitragen.

«Haben die Talsohle durchschritten»

Die US-Version des VW Jetta Foto: Volkswagen

Autogazette: Können Sie die aktuellen Absatzzahlen von rund 230.000 für die Marke VW in den USA zufrieden stellen?

Wittig: Wenn wir die Zahlen von Audi hinzurechnen, dann sind wir bei einer Größenordnung von 330.000 Fahrzeugen allein für die USA. Damit haben wir uns stabilisiert und unseren Marktanteil in einem schwachen und heftig diskountierten Umfeld gehalten. Und das haben wir mit der aktuellen Produktpalette geschafft. Mit dem, was wir auf der Messe in Detroit vorstellen, legen wir den Grundstein für weiteres Wachstum.

Autogazette: Zufrieden stellen kann Sie dieser Absatz aber nicht?

Wittig: Nein. Doch die Hauptaufgabe lag darin, zu einer Beruhigung der Situation beizutragen. Wir haben die Talsohle durchschritten, jetzt können wir nach vorn schauen. Mit den auf den amerikanischen Markt ausgerichteten Produkten kann es nur besser werden.

Autogazette: Bis zum Jahr 2018 will die Marke VW in den USA 800.000 Fahrzeuge absetzen. Ist das die Zahl, die der Markt tatsächlich hergibt?

Wittig: Sicherlich, wir lagen ja schon einmal bei einer halben Million Fahrzeuge. Wir haben eine gute Chance, das zu erreichen. Dazu gehört allerdings, dass wir entsprechende Anstrengungen auf der Produktseite unternehmen und den Geschmack des Marktes treffen.

Autogazette: Es wird also speziell für den US-Markt entwickelte Modelle geben?

Wittig: Wir werden zukünftig nicht mehr nur Autos in Europa für Europa entwickeln, sondern wir werden spezifische Modelle für die USA bauen.

«USA größter Absatzmarkt für CC»

Das Heck des Passat CC Foto: AG/Mertens

Autogazette: Der Passat CC ist ein solches Modell?

Wittig: Der CC ist das erste Modell, das man in dieser Reihe nennen kann. Natürlich werden wir es auch in Europa verkaufen. 50 Prozent des Weltvolumens des CC, vielleicht sogar 60 Prozent, werden wir aber in Nordamerika erzielen. Die USA ist damit einer der größten Absatzmärkte für den CC.

Autogazette: Welches Weltvolumen erwarten Sie für den CC?

Wittig: Es ist ein Volumen, das sich im oberen fünfstelligen Bereich pro Jahr bewegt.

Autogazette: Befürchten Sie durch die Immobilienkrise ein Problem für die Absatzsituation in den USA?

Wittig: Ja, in den USA schon. Wenn Bürger ihr Geld in Aktien oder Immobilien anlegen und der Markt bricht zusammen, dann entzieht das Kaufkraft. Deshalb sehen wir auch keine signifikante Steigerung beim Automobilabsatz in den USA.

«Eines unserer starken Handicaps»

Der VW Tiguan läuft bestens Foto: VW

Autogazette: VW verfügt derzeit über kein Werk in den USA. Wann wird es eines geben?

Wittig: Das ist eines unseren starken Handicaps, deshalb müssen wir schnellstmöglich sehen, dass wir im Dollarraum eine Fertigungsstätte haben. Wir sind dabei, die verschiedenen Standorte in den USA zu analysieren. So etwas braucht mindestens sechs Monate Zeit.

Autogazette: Eine Entscheidung wird es entsprechend also noch 2008 geben?

Wittig: Die Entscheidung wird noch in diesem Jahr getroffen.

«Wollen Geld verdienen»

Autogazette: Wird aufgrund des schwachen Dollarkurses jedes in die USA exportierte Fahrzeug für VW zu einem Wohltätigkeitsprojekt?

Wittig: Wohltätigkeit ist es nicht. Wir haben bei einer Vielzahl der Fahrzeuge eine Plus-Minus-Situation. Das ist nicht so schlecht bei der aktuellen Währungssituation. Doch um in den USA weiter investieren zu können, wollen wir Geld verdienen, was wir derzeit nicht tun.

"Wird kleinen Anstieg geben"

Autogazette: Der Automarkt in Deutschland ist rückläufig und kaum einer rechnet mit einer Erholung, Sie schon. Woher kommt die Zuversicht?

Wittig: Die Erwartung des VDA liegt für dieses Jahr bei einer Größenordnung von 3,2 Millionen, einige andere Stimmen sprechen sogar von 3,4 Millionen Fahrzeugen. Ein Abrutschen unter 3,15 Millionen erwarte ich nicht, doch bei der derzeitigen Stimmungslage auch keine 3,3 Millionen Fahrzeuge. Es wird meines Erachtens aber einen kleinen Anstieg geben.

Autogazette: Als Skoda-Chef haben Sie nichts von hohen Rabatten gehalten. Rechnen Sie für dieses Jahr aufgrund der angespannten Marktsituation mit einer Rabattschlacht?

Wittig: Ich bin nie auf den kurzfristig erzwungenen Erfolg ausgerichtet gewesen, das habe ich bei Skoda gezeigt. Aber auf Verkaufsunterstützung in einem schwachen Markt kann man nicht verzichten. Die Inhalte müssen aber so angelegt sein, dass man den Wert, den der Kunde in der Hand hält, nicht zerstört.

«Dort konsumiert man, bis es nicht mehr geht»

Der Passat BlueMotion Foto: VW

Autogazette: Sehen Sie in den hohen Spritpreisen und der CO2-Diskussion einen Grund für die Kaufzurückhaltung?

Wittig: Das sind Gründe, die den Kunden verunsichern. Er weiß nicht, wie eine künftige CO2-Besteuerung ausschaut. Diese Art von Verunsicherung bringt ein negatives Stimmungsbild. Es führt dazu, dass die Menschen ihr Geld lieber anlegen. In anderen Ländern ist das anders: Dort konsumiert man, bis es nicht mehr geht.

Autogazette: Inwieweit ist neben der Premiummarke Audi der komplette Konzern von der angedrohten Strafsteuer für die Hersteller betroffen, die bis zum Jahr 2012 den C02-Grenzwert von 120 g/km nicht erreichen?

Wittig: Grundsätzlich sind alle Hersteller betroffen - auch die französischen und italienischen Hersteller. Das ist keine akzeptable Ausgangsposition, deshalb muss über dieses Thema weiter diskutiert werden.

Autogazette: Wird diese Strafsteuer dazu führen, dass sich die Modellpolitik ändert? Hin zu Klein- und Kompaktwagen, weg von Oberklassefahrzeugen?

Wittig: Es wird weniger die Frage der Strafen sein. Es wird die Frage sein, welcher Grenzwert zu erreichen ist. Es ist ein Beitrag, der soziale Verantwortung verlangt. Der Volkswagen-Konzern stellt sich dieser Verantwortung. Wir werden als Hersteller unabhängig von angedrohten Strafen versuchen, einen maßgeblichen Anteil zum Klimaschutz zu leisten.

Up wichtig für Wachstumsstrategie

Der VW Up! Foto: Volkswagen

Autogazette: VW hat auf der IAA in Frankfurt/Main den Kleinwagen Up! vorgestellt, der mittlerweile zwei Verwandte bekommen hat. Ist dieses Fahrzeug einer der Hoffnungsträger von VW?

Wittig: Er könnte ein wesentlicher Teil unserer Wachstumsstrategie werden. Ich glaube, dass wir damit auch zur Reduzierung des Flottenverbrauchs einen wesentlichen Beitrag leisten könnten.

Autogazette: In Neu Delhi wurde gerade das Billigauto Tata Nano vorgestellt, das 1700 Euro kosten soll. Sehen Sie auch für Europa einen Markt für ein solches Billigauto?

Wittig: Ich denke, dass es in Europa keinen nennenswerten Markt für Autos deutlich unter 8000 Euro gibt. Die Komfort- und Sicherheitsvorstellungen eines europäischen Kunden ermöglichen es nicht, in dieser Preisklasse ein Auto zu bauen.

Autogazette: Das Autojahr 2008 dürfte auch davon gekennzeichnet sein, dass Porsche die Mehrheit bei VW übernimmt. Welche Befürchtungen hegen Sie?

Wittig: Wieso sollte ich Befürchtungen hegen? Wir haben einen kompetenten Shareholder, den wir schon lange kennen. Darüber hinaus sind uns auch die dahinter stehenden Eigentümer seit langer Zeit bekannt.

Das Interview mit Detlef Wittig führte Frank Mertens

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