«Abwrackprämie kommt Umwelt zugute»

Interview Bundesumweltminister Sigmar Gabriel

Für die beschleunigte Einführung von Elektrofahrzeugen ist ein Marktanreizprogramm erforderlich. Im Interview mit der Autogazette spricht Bundesumweltminister Sigmar Gabriel über die Elektromobilität und darüber, weshalb die Abwrackprämie auch der Umwelt zugute gekommen ist.

Für Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ist die Abwrackprämie auch der Umwelt zugute gekommen. «Nach dem Auslaufen der Prämie wird man eine Bilanz ziehen müssen, dazu gehört auch die Frage, was sie der Umwelt gebracht hat. Aber heute lässt sich schon sagen, dass der absolute Prämienbetrag die Tendenz zu Klein- und Kompaktwagen unterstützt, was der Umwelt zugute kommt», sagte der SPD-Politiker im Interview mit der Autogazette.

CO2-Emission gesunken

Wie Gabriel mit Verweis auf Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) sagte, sei «die durchschnittliche CO2-Emission von neu zugelassenen Pkw von 162 Gramm pro Kilometer im Dezember 2008 auf 154,5 Gramm pro Kilometer im April dieses Jahres» verringert worden. «Dieses Ergebnis ist laut Bundesamt auf die verstärkte Nachfrage nach Kleinwagen zurückzuführen.»

«Deutschland will Leitmarkt werden»

Autogazette: Herr Minister Gabriel, Deutschland will Leitmarkt im Bereich der Elektromobilität werden. Nehmen sich die dafür zur Verfügung gestellten 500 Millionen Euro im Vergleich zu den fünf Milliarden Euro für die Abwrackprämie nicht recht bescheiden aus?

Sigmar Gabriel: Da vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. Mit der Abwrackprämie stärken wir unmittelbar die Nachfrage in einem zentralen Bereich der deutschen Volkswirtschaft. Sie sollte möglichst kurzfristig den Absatz von Personenkraftwagen stabilisieren, um dem Nachfrageinbruch entgegenzuwirken. Die 500 Millionen Euro für die Elektromobilität sind dagegen Zuschüsse für Forschungsprojekte. Deutschland will Leitmarkt im Bereich Elektromobilität werden. Das Forschungsprogramm ist ein Anfang, mit dem zentrale Fragen im Innovationsfeld Elektromobilität bearbeitet werden sollen.

Autogazette: In den USA scheint man das Thema wichtiger zu nehmen und stellt dafür 2,4 Milliarden US-Dollar zur Verfügung?

Gabriel: Auch dieser Vergleich hinkt, denn ein reiner Zahlenvergleich von Finanzmitteln lässt die Zusammenhänge außer Acht. Die USA sind 27mal so groß wie Deutschland, haben knapp viermal so viele Einwohner. Vor allem lassen sich aber die deutsche und die amerikanische Automobilindustrie nicht gleichsetzen. Der amerikanische Markt wird von großen und schweren Fahrzeugen dominiert. Im Gegensatz zu den deutschen Herstellern ist dort ein deutlich größerer Kraftakt in Richtung «Auto der Zukunft» notwendig.

«Ein ambitioniertes Ziel gesetzt»

Autogazette: Bis 2020 sollen eine Million Elektroautos auf den deutschen Straßen unterwegs sein, doch auf der IAA ist kein einziges großserienreifes Fahrzeug zu sehen. Stimmt Sie das nicht nachdenklich?

Gabriel: Es stimmt, dass auf der IAA 2009 noch kaum großserienreifen Fahrzeuge präsentiert werden. Trotzdem wird auch hier dem Elektroauto so viel Aufmerksamkeit zuteil werden wie nie zuvor. Mit einer Million Elektrofahrzeugen im Jahr 2020 haben wir uns ein ambitioniertes Ziel gesetzt, das mit der Verabschiedung des Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität unterstreicht, welche Anstrengungen alle Akteure bis dahin unternehmen müssen.

«Marktanreizprogramm weiter verfolgen»

Autogazette: Mit einem Marktanreizsystem will die Regierung den Kauf von 100.000 Fahrzeugen stützen. Welche Summe muss gezahlt werden, damit Autofahrer sich für die neue Technologie entscheiden, die zum Start nicht unter 30.000 Euro zu haben sein dürften?

Gabriel: Die absehbaren Fortschritte in Forschung und Entwicklung lassen auch die Batterie- und somit die Fahrzeugkosten weiter sinken. Wer eine beschleunigte Markteinführung von Elektrofahrzeugen will, wird aber zu einem bestimmten Zeitpunkt über einen Marktanreiz entscheiden müssen. Im Entwicklungsplan Elektromobilität hat die Bundesregierung daher beschlossen, ein Marktanreizprogramm weiter zu verfolgen.

Autogazette: Ist es zur Marktdurchdringung der E-Mobilität nicht ein Fehler, Kaufanreize auf 100.000 Fahrzeuge zu beschränken?

Gabriel: Das sehe ich nicht so, denn es handelt sich hierbei um eine Anschubfinanzierung. Dass Elektroautos die Zukunft der Industrie sein können, ist auch den Herstellern bewusst. Um diese Technik für den Massenmarkt fit zu machen, müssen alle Beteiligten, die Industrie, die Politik und die Energiewirtschaft, an einem Strang ziehen.

«Abwrackprämie kommt Umwelt zugute»

Autogazette: Sie sagen, dass Elektroautos die Städte sauberer machen würden. Verkennen Sie dabei nicht, dass die großen Energieversorger zur Stromproduktion bislang eben nicht auf regenerative Energien setzen, sondern insbesondere auf Kohle?

Gabriel: Genau deshalb war mir von Anfang an die Koppelung von Elektromobilität und erneuerbaren Energien so wichtig. Denn erst durch den Einsatz von erneuerbaren Energien sind Elektrofahrzeuge im Hinblick auf CO2 und Schadstoffe praktisch Null-Emissionsfahrzeuge. Und diese Kopplung hat die Bundesregierung nun im nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität festgeschrieben.

Autogazette: Hätte für den Klimaschutz nicht weit mehr erreicht werden können, wenn die Abwrackprämie mit klaren Umweltkriterien versehen worden wäre?

Gabriel: Wie gesagt, mit der Abwrackprämie fördern wir den Verkauf von Neu- und Jahreswagen, um den Nachfrageeinbruch in der Automobilindustrie rasch zu überwinden. Da das Instrument die gesamte Branche erreichen soll, müssen Fahrzeuge die derzeit verbindliche Abgasstufe Euro 4 als Mindestvoraussetzung einhalten. Nach dem Auslaufen der Prämie wird man eine Bilanz ziehen müssen, dazu gehört auch die Frage, was sie der Umwelt gebracht hat. Aber heute lässt sich schon sagen, dass der absolute Prämienbetrag die Tendenz zu Klein- und Kompaktwagen unterstützt, was der Umwelt zugute kommt. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat im Mai mitgeteilt, dass sich die durchschnittliche CO2-Emission von neu zugelassenen Pkw von 162 g/km im Dezember 2008 auf 154,5 g/km im April dieses Jahres verringert hat. Dieses Ergebnis ist laut Bundesamt auf die verstärkte Nachfrage nach Kleinwagen zurückzuführen.

Run auf E-Autos erst 2020«

Autogazette: Was sagen Sie zum Vorwurf Ihres Amtsvorgängers Jürgen Trittin, der sagte, dass man mit den fünf Milliarden Euro für die Abwrackprämie den Markt für E-Autos platt gemacht habe?

Gabriel:Irrtum. Jürgen Trittin übersieht vor lauter Euphorie über die Vorteile der Elektromobilität, dass Batteriehersteller, Autoindustrie und Energieversorger noch einige Jahre brauchen, bis alle Komponenten technisch ausgereift und bezahlbar für den Massenmarkt sind. Mit einem allgemeinen Run auf das Elektroauto rechnen Experten erst nach 2020. Bis dahin ist der sich weiterentwickelnde Markt auch für die Neuwagenkäufer des Jahres 2009 wieder interessant.

Das Interview mit Sigmar Gabriel führte Frank Mertens

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