Erst kritisieren die Ministerpräsidenten der Autoländer die Verschärfung der Abgasnorm Euro 7, dann spricht sich Verkehrsminister Wissing dagegen aus. Kritik kommt von der Deutschen Umwelthilfe.
In einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz hatten sich die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen in der Vorwoche gegen die von der der EU-Kommission geplante Verschärfung der Abgasnorm Euro 7 gewandt. Sie beziehen sich in ihrem Schreiben auf den EU-Kommissionsvorschlag vom November des vergangenen Jahres, der eine Verschärfung von Abgasnormen für Pkw und Nutzfahrzeuge ab 2025 vorsieht.
Die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), Markus Söder (CSU) und Stephan Weil (SPD) hatten argumentiert, dass sich die Entwicklung der teurer Technik mit Blick auf das kommende Verbrenner-Aus im Jahr 2025 nicht lohne. Das wies die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am Montag als scheinheilig zurück. So hätten Abgasmessungen des Emissions-Kontroll-Instituts der DUH wiederholt gezeigt, dass Fahrzeuge bereits heute die von der EU vorgeschlagenen Stickoxid-Grenzwerte für die geplante Abgasnorm Euro 7 einhalten können. Dafür müsste indes vorhandene Technik richtig zur Anwendung kommen, argumentiert die Umwelthilfe.
Aus Würgegriff der Autoindustrie befreien
„Die Ministerpräsidenten der Autoländer müssen sich aus dem Würgegriff der Automobilindustrie befreien. Sie machen Lobbyarbeit für BMW, Mercedes und VW auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger, die unter den gesundheitsschädlichen Abgasen leiden“, sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. „Selbst wenn der Verbrenner-Ausstieg ab 2035 kommt, sind bis dahin noch rund 100 Millionen Pkw und zusätzliche Lkw auf Europas Straßen unterwegs – und zwar durchschnittlich für mindestens 15 weitere Jahre“, so Resch. „ Wenn es nach Kretschmann, Söder und Weil geht, müssen die Menschen in Deutschland also ein Vierteljahrhundert länger als nötig giftige Diesel-Abgase atmen.“ Die Umwelthilfe forderte Bundeskanzler Scholz auf, sich klar zur geplanten Euro-7-Verschärfung zu bekennen.
Nach Auffassung der Umwelthilfe seien die von der EU vorgeschlagenen Grenzwerte immer noch zu lasch; sie blieben sogar hinter den „Empfehlungen der kommissionseigenen Expertengruppe zurück – trotz geringer Zusatzkosten von rund 300 Euro pro Fahrzeug für eine Technologie, die bereits auf dem Markt ist und unkompliziert eingebaut werden kann“, so die Umwelthilfe weiter. Die DUH verweist darauf, dass in der EU jährlich 412.000 Menschen vorzeitig durch die Belastung der Atemluft mit Feinstaub und 136.000 durch die Belastung mit Stickstoffdioxid sterben würden. Als wesentliche Quelle dafür sieht die DUH den Straßenverkehr.
Rückendeckung von Wissing
Die Ministerpräsidenten kommen unterdessen Rückendeckung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Auch der FDP-Politiker lehnt eine zu scharfe Regulierung ab. Regulierung muss Mobilität fördern, nicht verhindern“, sagte Wissing am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Systematische Verknappung durch neue Regeln gefährde nicht nur den weiteren Hochlauf der E-Mobilität, sondern zunehmend auch Arbeitsplätze.
„Wenn Fahrzeuge immer teurer werden, ohne dass damit mehr Umweltschutz verbunden ist, wird Mobilität zum Luxusgut“, kritisierte der FDP-Politiker. „Wenn die Automobilindustrie warnt, dass die Regulierung Fahrzeuge unnötig verteuert und die Beschleunigung der E-Mobilität behindert, ist das sehr ernst zu nehmen“, sagte Wissing. (mit dpa)