Die begehrte TÜV-Plakette am Heck des Fahrzeugs feiert Jubiläum. Von den Anfängen des „Kniescheiben-Termins“ begleitete die Hauptuntersuchung den technischen Wandel der Fahrzeuge im Gleichschritt mit.
Von Astrid Gorgas
Wer hat es nicht schon durchlebt? Der Prüftermin der Hauptuntersuchung rückt unaufhaltsam näher, bange stellt man sich die Frage, ob das Auto wohl anstandslos oder gar überhaupt noch durch den "TÜV" kommt. Unterschwellig verbindet man mit dem Schlagwort TÜV unweigerlich die zweijährlich fällige Kfz-Hauptuntersuchung nach Paragraf 29 der StVZO. Der Respekt vor diesem Prüftermin ist in Wahrheit der Sorge um den eigenen Geldbeutel geschuldet, denn verweigert der Prüfer die begehrte Plakette, drohen meist erhebliche Werkstatt-Kosten.
100 Jahre TÜV
Das Kürzel "TÜV" steht aber für eine Organisation, die sich mitnichten nur auf die Prüfung von Kraftfahrzeugen beschränkt: den "Technischen Überwachungsverein". Und diesen Verein gibt es schon länger, als man glaubt: 2010 feiert die Organisation ihr 100-jähriges Bestehen. Vor zehn Dekaden begann alles mit "DÜV". Das hatte nichts mit sächsischer Aussprache zu tun, sondern war das Kürzel für die "Dampfkessel-Überwachungs- und Revisionsvereine", die sich damals formierten und als Selbsthilfeorganisation die Dampfkesselbetreiber prüften. Nachdem ihr Einsatz bei der Unfallverhütung im Bereich der sich schnell weiterentwickelnden Dampfkessel-Technologie große Erfolge zeitigte, wurden sie später vom Staat auch mit anderen Sicherheitsprüfungen betraut, beispielsweise mit der Führerscheinprüfung und der Kfz-Untersuchung.
Diese Abteilung zur "Prüfung von Fahrzeugen und deren Führern" begründete als erster der Stuttgarter Dampfkessel-Revisionsverein am 15. Oktober 1910. Das stellt somit die Geburtsstunde der regelmäßigen Fahrzeugprüfung in Süddeutschland dar. Doch es dauerte noch 20 Jahre bis per Dekret des Reichswirtschaftsministeriums aus dem "DÜV" 1938 der "TÜV" wurde. Im selben Jahr wurden die Vorschriften des Paragrafen 29 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) eingeführt, die StVZO selbst war schon 1937 in Kraft getreten.
Einladungen 1960 abgeschafft
In Bayern müssen Autos seit 1948 und seit 1951 auch bundesweit regelmäßig vorgeführt werden, anfangs noch per Einladung durch die Zulassungsstelle. Angesichts einer stetig wachsenden Zahl an Kraftfahrzeugen wurde 1960 jedoch aus Personalmangel die Einladung zur HU abgeschafft. Seitdem musste sich jeder Fahrzeughalter selbst um die Vorführung kümmern. Zum leichteren Ablesen des Termins wurde am 1. Januar 1961 die Prüfplakette eingeführt. So konnte aber auch die Polizei leicht kontrollieren, wie es um die Gewissenhaftigkeit des Halters steht.
Der 50ste Geburtstag der begehrten Plakette steht nun zum Jahreswechsel vor der Tür. Die Zeiten waren hart für die Sachverständigen, gab es damals doch weder Gruben noch Hebebühnen. Sie mussten ständig in die Knie gehen, um das Auto auf Herz und Nieren zu prüfen. Deshalb wurde der Besuch bei der HU im Volk auch gerne "Kniescheiben-Termin" genannt. Der größte Teil der Beanstandungen war auf Rost zurückzuführen, gefolgt von der Bremsanlage.
Konkurrenz belebt das Geschäft
Die erste Revolution der Untersuchungstechnik war die Einführung der Bremsenprüfstände in den 60er Jahren. Endlich mussten die Bremsproben nicht mehr auf öffentlichen Straßen erfolgen, und die Verzögerungskraft an den Rädern konnte einzeln festgestellt werden. Ab 1985 war zudem die Abgassonderuntersuchung (ASU) vorgeschrieben. 1989 trat die Liberalisierung der Fahrzeugüberwachung in Kraft, neben TÜV und Dekra durften nun weitere Organisationen die Prüfung vollziehen. Und Konkurrenz belebt das Geschäft. Beim TÜV Bayern setzt man als Erster auf mehr Transparenz und es kommt das erste Prüfstraßensystem zum Einsatz. Seit 1999 wird strenger auf die Gültigkeit der Plakette geachtet und Überziehungen geahndet. Das Fahrzeug muss genau in dem Monat zur HU, der auf der Plakette steht. Früher durfte man vier Monate überziehen.
Bei dem regelmäßigen Auto-Check werden seit 2006 auch die Fahrerassistenzsysteme geprüft. Und seit 2010 ist die Abgasuntersuchung fester Bestandteil der Hauptuntersuchung. Es gibt nur noch einen Termin und eine Plakette auf dem hinteren Kennzeichen. Der TÜV-Süd kann dieses Jahr auf 100 Jahre technische Überwachung zurückblicken und am 1. Januar den fünfzigsten Geburtstag der TÜV-Plakette feiern. Die Voraussetzung ihrer Erlangung ist nach wie vor die bestandene HU, sie soll sicherstellen, dass kein Fahrzeug mit gravierenden Sicherheitsmängeln auf bundesdeutschen Straßen unterwegs ist. Mittlerweile gibt es ähnliche Untersuchungen und vergleichbare Regelungen in der gesamten EU, aber auch in den USA und anderen Staaten. (mid)