Die Hersteller müssen ihren Flottenverbrauch bis 2021 auf 95 g/km reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, können die Autobauer nicht nur auf teure Plug-in-Hybride oder die Brennstoffzelle setzen. Es bedarf auch anderer Technologien.
Angesichts immer strengerer Grenzwerte kämpfen die Autohersteller bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes um jedes Gramm. Allein mit teurer Exoten-Technik wie der Brennstoffzelle oder dem Plug-in-Hybridantrieb wird der durchschnittliche Flottenverbrauch nicht so stark sinken wie nötig. Gut, dass es auch technische Innovationen mit mehr Massenmarktpotential gibt. Wir nennen fünf besonders erfolgversprechende Trends, die kurz vor Markteinführung stehen.
Segeln mit der elektronischen Kupplung:
Es klingt nach blauem Himmel, klarem Wasser und sauberer Luft: das „Segeln“ mit dem Auto. Und ein bisschen was ist da auch dran, denn der Verbrennungsmotor wird bei dieser Betriebsform kurzzeitig komplett ausgeschaltet. Das Auto rollt, solange es die Umstände zulassen ohne Antrieb, aber auch ganz ohne Emissionen. Damit die Reibung im Motor dieses saubere Gleiten nicht unnötig abbremst, wird dieser über die Kupplung kurzerhand von den frei laufenden Rädern getrennt. Das Problem: Bislang funktioniert das nur bei Automatikfahrzeugen.
Bei Autos mit Handschaltung müsste schon der Fahrer auf das Kupplungspedal treten und den Motor manuell ausschalten – was aus vielerlei Gründen nicht zu empfehlen ist. Die elektronische Kupplung umgeht das Problem dadurch, dass die starre mechanische Verbindung zur Kupplung selbst gekappt und durch elektrische Stellmotoren ersetzt wird. Sie können die Kupplung auch unabhängig vom direkten Befehl des menschlichen Fußes schließen und öffnen. Das passiert nicht nur beim Segeln, sondern etwa auch beim Halt an der Ampel.
„Messungen zeigen, dass unter realen Betriebsbedingungen ein Verbrauchsvorteil von 10 Prozent möglich ist“, rechnete Bosch-Geschäftsführer Rolf Bulander unlängst auf dem Wiener Motorensymposium vor, dem europaweit wichtigsten Branchentreffen zum Thema Fahrzeug-Antrieb. Weil das ein verlockender Wert ist und die Technik ohne großen Aufwand in allen Fahrzeug-Preis und –Größenklassen genutzt werden kann, könnte sie über kurz oder lang zum Standard bei Fahrzeugen mit Handschaltung werden. Erste Autos werden für 2017 erwartet.
Kühl und sparsam mit Wassereinspritzung:
Das sogenannte Downsizing funktioniert bislang am besten in der Theorie. In der Praxis enttäuscht der Realverbrauch der geschrumpften und mit Turbos versehenen Benzinmotoren jedoch häufig komplett. Das liegt vor allem an ihren schlechten Trinksitten bei schneller Fahrt: Dann nämlich werden die kleinen Triebwerke so ungemein heiß, dass die Motorsteuerung flüssiges Benzin zur Kühlung in die Zylinder spritzen muss. In Effizienz-Hinsicht ein Sündenfall. Einen ähnlich coolen Effekt ohne Mehrverbrauch verspricht nun die Wasser-Einspritzung. Die schon seit Jahrzehnten immer wieder diskutierte Technik dürfte 2017 endlich in Serie gehen.
Zunächst bei den Sportwagen BMW M3 und M4 – weil sie nämlich neben Verbrauchs- auch Leistungsvorteile bringt. Das eingespritzte Wasser – BMW gewinnt es aus Kondensation in der Klimaanlage – kühlt auch die Ansaugluft und steigert die Leistungsausbeute des Motors, verhindert Klopfen und schont den Katalysator.
Günstiger Hybrid mit 48V-Technik
Der klassische Hybridantrieb ohne Steckdosenanschluss für den Elektromotor konnte sich in Deutschland bislang nicht durchsetzen: Zu teuer ist die Technik in Relation zur möglichen Verbrauchssenkung. Doch ein günstiger Ersatz steht schon in den Startlöchern: der 48-Volt-Hybrid, eine Art abgespeckte Niederspannungs-Variante der aufwendigen Doppelmotorentechnik. Nötig dafür ist ein neuartiges Bordnetz mit 48 Volt Spannung, das parallel zum bekannten 12-Volt-Netz ins Auto eingezogen wird. Die höhere Spannung steigert die Effizienz leistungsstarker elektrischer Verbraucher - und vor allem auch die der Bremskraftrückgewinnung. Durch die vierfache Spannung des Bordnetzes erzielt man eine viermal höhere Rekuperationsrate als beim 12-Volt-Bordnetz.
Der auf diese Art zusätzlich gewonnene Strom kann nicht nur für die Versorgung der Bordelektronik genutzt werden, sondern beispielsweise auch als Energiequelle für ein Hybridsystem. „Ein 48-Volt-Mild-Hybrid bringt beim Normverbrauch 15 bis 18 Prozent Kraftstoffersparnis“, erläutert Martin Lenz, Geschäftsleiter E-Mobilitätssysteme beim Zulieferer Delphi, „der klassische Hochvolt-Hybridantrieb kann zwar bis zu 25 Prozent Kraftstoff einsparen, aber zu viel höheren Kosten.“ Die Wuppertaler arbeiten wie nahezu die gesamte Zulieferer-Elite an der 48-Volt-Technik, die 2016 bereits ihren ersten Serienauftritt haben dürfte. Wettbewerber Bosch will auf der IAA bereits eine zweite Generation des 48-Volt-Hybriden vorstellen, der dann auch kurze Strecken rein elektrisch fahren kann. Auch Delphi-Mann Lenz sieht mittelfristig großes Potenzial für das neue Bordnetz. Denn es ermöglicht weitere Verbrauchssenkungen durch neue Hochstromverbraucher wie etwa elektrische Turbolader oder elektrische Klimaanlagen. Bislang müssen diese relativ ineffizient direkt vom Verbrennungsmotor betrieben werden.
Vorausschauend mit elektronischem Horizont
Die beste Spritspartechnik nutzt nichts, wenn nicht auch der Autofahrer effizient fährt. Ideal wäre es in dieser Hinsicht, würde der Computer das Steuer übernehmen. Ein erster Schritt in die Richtung zum automatisierten Fahren ist der sogenannte elektronische Horizont, eine Art Vorausschau-Funktion für Tempomat und Fahrerassistenzsysteme. In erster Linie soll es dabei um Sicherheit gehen, etwa wenn das Fahrzeug automatisch verzögert, weil das Navi eine gefährlich enge Kurve voraus meldet.
Das System kann aber nicht nur Unfälle verhindern, sondern auf gleicher Basis auch so vorausschauend und spritsparend fahren, dass unnötiges Gasgeben und Bremsen vermieden wird. Das funktioniert prinzipiell natürlich auch an Steigungen und Gefällen, mit roten Ampeln und grünen Wellen oder mit Staus und liegengebliebenen Fahrzeugen. Im Extremfall muss der Fahrer nur noch lenken; Gas und Bremse bedient das Auto selbst. Zulieferer Continental bietet die Technik bereits für Lkw an und schätzt, dass so seit 2012 rund 63 Millionen Liter Diesel gespart werden konnten. Das Pkw-Debüt wird noch für das laufende Jahr erwartet.
Neue Brennverfahren
Damit ein Motor Kraft abgeben kann, muss er erst mal kräftig arbeiten. Denn bevor die Verbrennung des Kraftstoffs die Kurbelwelle und damit die Räder in Rotation setzt, muss er zunächst einmal aktiv Luft ansaugen und verdichten. Vor allem japanische Hersteller wie Toyota und Nissan nehmen dem Motor bereits seit Jahren einen Teil der Arbeit ab und setzen auf ein leicht abgewandeltes Ottomotor-Brennverfahren, den sogenannten Miller-Zyklus. Dabei wird das Einlassventil, durch das die frische Luft in den Zylinder fließt, früher als gewohnt geschlossen.
Weil dadurch weniger Luft als eigentlich möglich im Brennraum ist, verhält sich der Motor so, als hätte er einen kleineren Hubraum. Im anschließenden Arbeitstakt hingegen kann er den vollen Hubraum ausnutzen. Das Problem dabei: Parallel zum Kraftstoffdurst lässt aber auch die Durchzugskraft nach. Die Miller-Triebwerke sind häufig träge und spaßarm – Charakteristika, die ihnen Audi künftig austreiben will. Die Ingolstädter kombinieren in der neuen Generation des Mittelklassemodells A4 eine spezielle Variante des Miller-Zyklus mit Turboaufladung. Der für kommendes Jahr erwartete 2,0-Liter-Turbobenziner soll bei einer Leistung von 140 kW/190 PS und einem Drehmoment von 320 Nm mit weniger als fünf Litern Kraftstoff auskommen. Nach der Premiere soll der Motor in zahlreichen Modellen der Marke zu haben sein. (SP-X)