Nach dem Hybridantrieb macht Toyota auch bei der Brennstoffzelle den Vorreiter und bringt den Mirai als Serienmodell auf den Markt. Und was machen die deutschen Hersteller? Sie warten ab.
Von Frank Mertens
Eigentlich sollte man annehmen, dass die deutschen Hersteller aus den Erfahrungen mit dem Hybridantrieb gelernt haben. Doch wie damals, als Toyota diese Technologie mit Nachdruck auf den Markt brachte und mittlerweile zum Erfolg geführt hat, schauen die deutschen Autobauer auch bei der Brennstoffzelle lieber wieder aus der zweiten Reihe zu.
Dabei gilt gerade die Brennstoffzelle unter den alternativen Antriebstechnologien als der Hoffnungsträger. Daran lässt kaum ein Hersteller Zweifel aufkommen. Doch derzeit ist die Technik noch zu teuer, die Infrastruktur kaum vorhanden. Doch wie geht man in einem wettbewerbsintensiven Umfeld wie der Autoindustrie damit um? Wartet man ab oder geht man in die Offensive? Man wartet ab! Zumindest bei BMW, Audi, Mercedes und VW.
Asiaten gehen mit Brennstoffzelle voraus
Hier beansprucht man zwar gern die Technologieführerschaft für sich und wirbt wie Audi mit dem längst nicht mehr zutreffendem Markclaim "Vorsprung durch Technik". Doch bei der Brennstoffzelle überlässt man das Feld den Asiaten, allen voran Toyota. Die Japaner sind die Ersten, die mit der Serienproduktion beginnen und im vergangen Jahr den Toyota Mirai zunächst im Heimatland auf den Markt bringen, ehe er 2015 dann auch nach Europa und Amerika kommt.
Als Antwort auf den Vorstoß ließ Honda bereits wissen, dass man sein Wasserstoff-Auto FCV 2016 auf den Markt bringen werde. Und Hyundai hat als Antwort den ix35 Fuel Cell im Angebot, der entweder für 1150 Euro geleast beziehungsweise für rund 65.000 Euro gekauft werden kann, wie Hyundai-Deutschlandchef Markus Schrick gerade der Autogazette sagte. Während das Leasing-Angebot nur für Gewerbekunden galt, kann jeder, der das nötige Kleingeld hat, den ix35 käuflich erwerben.
Toyota mit Image-Vorteil
Der Autoexperte Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft an der Universität Nürtingen Geislingen empfindet „es als mutig, dass Toyota jetzt ein Brennstoffzellenfahrzeug wie den Mirai auf den Markt bringt, obwohl die Infrastruktur noch derart lückenhaft ist und auch die Klimabilanz für die Erzeugung von Wasserstoff so schlecht ist“. Für Diez wollte Toyota „bei der Brennstoffzelle wie bereits beim Hybrid First Mover sein - und hat damit wieder einmal einen Image-Vorteil“.
Und was machen die Deutschen? Sie zeigen Erprobungsfahrzeuge, wie zuletzt der Volkswagen-Konzern im November auf der Autoshow in Los Angeles. Hier stand nicht nur die US-Version des VW Passat Hy-Motion für Testfahrten zur Verfügung, sondern auf dem Messestand der Wolfsburger war auch der Golf Hy-Motion zu sehen und bei Audi stand der A7 h-tron.
Der Autobauer Mercedes, der erst im vergangenen Jahr den für 2014 angekündigten Serienstart seines ersten mit Wasserstoff angetriebenen Modells auf das Jahr 2017 verschoben hat, bot die Möglichkeit zu Testfahrten mit der B-Klasse F-Cell. Was die Deutschen da als Kontrapunkt zu Toyota zeigten, sollte in etwas so viel heißen wie: "Seht her, nicht nur die Japaner beherrschen die Technik, sondern auch wir."
Auch wenn die Deutschen kein Serienfahrzeug anzubieten haben, sieht Diez die deutschen Hersteller beim Thema Brennstoffzelle nicht als zweiten Sieger. Er kann deren abwartende Haltung aufgrund der hohen Kosten und fehlenden Infrastruktur verstehen. Für Diez ist der Umstand, dass man nicht zu den Ersten bei dieser Technologie gehört, für nicht wettbewerbsrelevant. Allerdings, so fügt Diez hinzu, hätte er unter Imagegesichtspunkten erwartet, „dass die deutschen Hersteller auch schon jetzt ihren Kunden ein Brennstoffzellenauto anbieten“.
Toyota mit Langfriststrategie
So gibt wieder einmal Toyota wie bereits beim Hybrid-Antrieb den Weg vor. Wer große Ziele hat, so ließ Toyota-Chef Takechi Uchiymada in LA wissen, müsse halt mit kleinen Schritten anfangen. Dabei verwies er auf das Hybridmodell Prius, bei dem es sieben Jahre gedauert habe, bis man die eine Million Fahrzeuge verkauft habe. Mittlerweile baue man jedes Jahr eine Million Hybridfahrzeuge. Deshalb schließt Toyota nun wie beim Prius auch beim Mirai eine Wette auf die Zukunft ab - und bringt dafür einen ebenso langen Atem mit.
„Toyota geht dieses Thema konsequent an. Wie bereits beim Hybrid zeigt man hier eine Langfriststrategie“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive an der FH Bergisch Gladbach. Deshalb sei die Konkurrenz auch gut beraten, Toyota Engagement in diesem Bereich sehr ernst zu nehmen.
Dass das Thema Infrastruktur ein Problem ist, wissen natürlich auch die Japaner. Deshalb haben sich die Japaner gerade mit dem Gasehersteller Air Liquide zusammen getan, um im ersten Schritt im Nordosten des USA zwölf Wasserstofftankstellen zu errichten. Air Liquide hatte erst unlängst bekannt gegeben, weitere Wasserstofftankstellen in Kalifornien errichten zu wollen.
Absatz von ein paar Hundert Fahrzeugen erwartet
Natürlich wird der Mirai nicht gleich ein Verkaufsschlager, ganz im Gegenteil. Darüber ist sich Uchiymeda bewusst. Zunächst erwartet man in den ersten Jahren nur einen Absatz von ein paar Hundert Fahrzeugen, ab 2020 sollen es dann aber schon Zehntausende sein. Bis dahin wird der Preis der Brennstoffzellen-Technologie auch gesunken sein. Denn in den USA liegt der Listenpreis bei 57.500 US Dollar, nach Abzug aller Subventionen bleiben aber dennoch 45.000 US Dollar übrig, umgerechnet also 36.000 Euro.
In Deutschland indes wird der Preis bei indiskutablen 78.540 Euro liegen. „Wenn ein Toyota Mirai in Deutschland über 78.000 Euro kosten soll, dann ist das nichts für Privatkunden, sondern nur für Firmen, die etwas für ihr Öko-Image tun wollen“, ist Diez überzeugt. Bei einem derartigen Preis muss man kein Prophet sein, um sich die Absatzahlen vorstellen zu können.
Für Bratzel steht dann auch fest, dass mit Toyota mit dem Mirai auch für einen Preis von über 78.000 Euro „derzeit kaum Geld verdienen kann“. Aber wie gesagt: es ist eine Wette auf die Zukunft, die Toyota hier eingeht und die man bei Audi und Co. derzeit noch gern aus der zweiten Reihe betrachtet.
Audi hat Thema auf der Rechnung
In Ingolstadt, wo man derzeit den Plug-in-Hybriden aufs Schild gehoben hat und nach dem A3 e-tron jedes Jahr ein neues Modell mit dieser Technologie auf den Markt bringen will, hält man die Brennstoffzelle für hochinteressant. „Natürlich haben wir das Thema auf der Rechnung. Doch wir gehen dabei unseren eigenen Weg, wie wir mit dem A7 h-tron zeigen. Das wir die Technik beherrschen, haben wir mit dem h-tron bewiesen, der in Los Angeles gefahren werden konnte.“
Man müsse aber nicht bei jeder Technologie der Erste sein. Bevor das Thema Brennstoffzelle mit Blick auf die Serienproduktion relevant wird, müsste nicht nur die Infrastruktur deutlich besser werden, sondern auch sichergestellt sein, dass Wasserstoff auch in ausreichendem Maße aus regenerativen Quellen erzeugt werden könne, so der Sprecher. „Aber das ist bislang nicht der Fall. Doch der Aspekt der Nachhaltigkeit ist für uns von großer Bedeutung.“
Keine Aussage zu möglicher Serienfertigung
Wann ist also mit einem Serienstart eines Brennstoffzellen-Audis zu rechnen? Festlegen will man sich da bei Audi nicht. Der Modulare Querbaukasten (MQB) des VW-Konzerns ermögliche aber den Bau eines Brennstoffzellenfahrzeugs. Das träfe auch auf den Modularen Längsbaukasten (MLB) zu, auf dem der nächste Q7 basiere. Wenn sich also die Rahmenbedingungen bei Infrastruktur und Klimabilanz ändern würden, könnte man ab diesen Zeitpunkt in plus-minus drei Jahren ein solches Fahrzeug auf den Markt bringen. Audi wartet hier also ebenso wie beim reinen Elektroauto ab, wie sich der Markt entwickelt. „Audi hat schlicht andere Prioritäten als die Brennstoffzelle. Hier setzt man auf die Elektrifizierung in Form des Plug-in-Hybriden“, so Bratzel.
Was macht die Konzernmutter in Wolfsburg? Was ist mit dem Passat Hy-Motion oder dem Golf Hy-Motion? Eine Entscheidung für einen Bau gäbe es derzeit noch nicht, sagt ein VW-Sprecher. Er verweist aber wie sein Audi-Kollege darauf, dass der MQB des Konzerns auf den Bau eines Brennstoffzellenfahrzeuges ausgerichtet sei. Zugleich sei die Brennstoffzelle natürlich eine hochinteressante Technologie, weshalb die VW-Mitarbeiter am Standort Isenbüttel zusammen mit den Kollegen aus der Forschung und Entwicklung in Wolfsburg intensiv an einer Weiterentwicklung der Brennstoffzelle arbeiten würden. Doch bis VW letztlich so weit ist, auch ein Brennstoffzellenfahrzeug auf den Markt zu bringen, wird es wohl auch hier mindestens drei Jahre dauern.
Hoffen auf bessere Infrastruktur
Bis dahin hoffen alle Hersteller, dass die Infrastruktur auch so ist, dass man flächendeckend Wasserstoff tanken kann. Es ist zwar toll, dass ein Brennstoffzellen-Fahrzeug in rund fünf Minuten betankt werden kann - ein reines Elektroauto braucht dafür an einer Haushaltssteckdose locker acht Stunden - doch was nützt es, wenn es keine Tankstellen gibt. Vor dem gleichen Problem stehen derzeit auch die Besitzer eines E-Autos. Sie beklagen eine unzureichende Ladeinfrastruktur.
Aber das soll hier wie dort anders werden. Nach Einschätzung von Experten bedarf es für ein flächendeckendes Netz in Deutschland 1000 Stationen. Derzeit ist man davon mit rund einem Dutzend Stationen noch meilenweit entfernt, doch die "Initiativen Clean Energy Partnership" und "H2Mobility" wollen mit Partnern aus der Industrie die Infrastruktur schaffen. Engagiert sind hier auch Daimler und der Gasehersteller Linde. Beide Konzern wollen gemeinsam 20 Wasserstofftankstellen errichten - und investieren dafür zusammen 20 Millionen Euro. Die erste diese Stationen hat gerade in Berlin an der Jaffeśtraße geöffnet.
Das ist ein lobenswertes Engagement, aber eigentlich wollten die beiden Partner hier schon weiter sein. Denn dieses Engagement wurden bereits im Juni 2011 nach dem Ende der Welttour von Mercedes B-Klassen mit Brennstoffzelle verkündet. Damals hieß es, dass die erste Wasserstofftankstelle bereits 2012 ihren Betrieb aufnehmen sollte - jetzt ist es zwei Jahre später der Fall. Aber mit Terminen ist es immer so eine Sache - das weiß auch Daimler. Hier hatte man den Marktstart des ersten Brennstoffzellenfahrzeug für 2014 angekündigt, diese Ziel jedoch kassiert. Nun will man in Kooperation mit Ford und Renault-Nissan "ab 2017 wettbewerbsfähige Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle auf den Markt bringen".
Daimlers zögerliche Haltung
Die Haltung Daimlers kann Diez nicht nachvollziehen. „Wenn man etwas ankündigt, dann muss man es auch bringen. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum Mercedes hier so zögerlich ist.“ Schließlich seien die Stuttgarter bei der Technologie aus seiner Sicht am weitesten. „Deshalb verwundert es mich, dass man seinen Kunden beispielsweise eine Mercedes B-Klasse F-Cell nicht längst anbietet.“ Die B-Klasse, so sagt auch Bratzel, sei fahrbereit, doch leider hätte Daimler entschieden, sie noch nicht auf den Markt zu bringen.
Doch was ist mit BMW? Die Münchner hatten bereits vor Jahren versucht, ein Vorreiter bei dieser Technologie zu werden. Viele können sich noch gut an die BMW 7er-Versuchsfahrzeuge erinnern, bei dem der Wasserstoff-Tank auf der "Hutablage" montiert war. Es ist ruhig geworden, sehr ruhig.
Die Münchner konzentrieren sich lieber auf ihre neue Submarke BMW i – und lassen wissen, dass sich bisher bereits 13.000 BMW i3 verkauft hätten. Und bei der Brennstoffzelle? Hier verweist ein Sprecher auf die Kooperation mit Toyota. Also wird es auch bei den Münchner bald ein Brennstoffzellenfahrzeug geben? Nein, wird es nicht. „Das Thema ist für uns natürlich wichtig, genießt aber derzeit nicht die höchste Priorität“, teilte ein Sprecher mit. Natürlich habe man zur Kenntnis genommen, dass VW und auch Audi in Los Angeles Fahrzeuge mit Brennstoffzellenfahrzeuge gezeigt habe.
„Doch was bringt es, wenn man dort Autos vorstellt, die vorerst nicht kommen?“ Bevor man ein Brennstoffzellenfahrzeug auf den Markt bringt, muss auch die Infrastruktur dafür da sein. „Sonst macht es keinen Sinn.“ Natürlich gibt es dieses „Henne-Ei-Problem“, stellt auch Bratzel fest. Doch statt es nur zu kritisieren, sollte man selbst dafür sorgen, dass es besser wird, sagt der Wissenschaftler in Richtung der Hersteller, die nur Kritik an der fehlenden Infrastruktur üben statt proaktiv tätig zu werden.
Wer sich beim Antrieb der Zukunft bei den heimischen Herstellern umschaut, der muss feststellen, dass die Zukunft in Deutschland mal wieder etwas auf sich warten lässt. Doch wer wohlwollend ist, der kann sich der Meinung von Audi anschließen. "Wir müssen nicht immer die Ersten sein", heißt es dort. Dass kann man so sehen. „Doch die deutschen Autobauer müssen aufpassen, hier nicht zu spät auf den Zug aufzuspringen“, so Diez. Man kann es aber auch anders sehen: Wer zu spät kommt, den bestraft der Wettbewerber – und der kommt mal wieder aus Asien.