Geländewagen werden praktisch von selbst zur Ikone. Sie müssen nur lange genug gebaut werden. So wie der Toyota Land Cruiser. Das neueste Modell haben wir zum Alltagstest anrollen lassen.
Am Ende ist es eine Glaubensfrage. Wer den Toyota Land Cruiser als den besten Geländewagen der Welt ansieht, wird sich schließlich für ihn entscheiden, wenngleich mit ähnlich hohem Finanzaufwand auch ein Land Rover Defender, ein Jeep Wrangler oder eine G-Klasse von Mercedes in Frage kämen. Hierzulande hat der Land Cruiser, auf dessen Bordbuch nunmehr „LC 250“ steht, eine stabile Fan-Gemeinde, die vergangenes Jahr wohl im Hinblick auf den nahen Modellwechsel etwas zurückhaltender orderte. Rund 1500 Neuzulassungen waren es, 2022 sogar fast 1000 mehr.
Optisch orientiert sich der wuchtige Wagen (fast fünf Meter lang und nahezu zwei Meter hoch) an der Designsprache früherer Jahre. An die Stelle von Rundlichkeit und zarten Wölbungen sind Gradlinigkeit und klare Kanten getreten. Markant sind die trapezförmigen Radkästen, die einst seitlich angeschlagene Hecktür wurde durch eine elektrische Klappe ersetzt. Für die mächtige Motorhaube wünschte man sich Gasdruckfedern zum Öffnen, jedoch muss sie manuell hochgestemmt werden.
Bei der Leistung fährt die Konkurrenz davon
Gegenwärtig ist nur eine Motorisierung verfügbar. Es handelt sich um einen 2,8 Liter großen Vierzylinder-Diesel, der mit einer Achtgang-Automatik kombiniert ist. Im Laufe dieses Jahres soll noch eine Mildhybrid-Version nachgeschoben werden, wo ein 48-Volt-Elektromotor dabei hilft, den Verbrauch zu senken. Der Papierform nach ist der Selbstzünder nicht gerade ein Kraftprotz, denn 205 PS bedeuten faktisch, dass man mit gut einem Drittel weniger Leistung unterwegs ist, als die aufgezählten Wettbewerber. Der Grund: Bei dem Motor handelt es sich nicht um eine Neukonstruktion. In seiner Ur-Form kam er bereits 2015 zum Einsatz, damals mit 177 PS. Ihm noch mehr als 205 PS abzuverlangen, hätte einen immensen technischen Aufwand für die Abgasreinigung erfordert.
Immerhin liegen 500 Newtonmeter Drehmoment an, genug, um selbst ein rund 2,5 Tonnen schweres Fahrzeug zügig in Gang zu bringen. Wer mit einem Land Cruiser liebäugelt, ist in der Regel nicht an energischen Spurts, sondern an Zuverlässigkeit, Solidität und Offroad-Fähigkeiten interessiert. Beides kann der Klassiker in reichem Maße bieten, denn der bewährte Leiterrahmen-Aufbau ist nun mit einer Doppelquerlenker-Aufhängung vorn und einer verbesserten Vierlenker-Starrachse hinten verbunden. Die ehemals hydraulische Servolenkung wurde durch eine elektrische Lenkhilfe ersetzt, was die Beherrschbarkeit in unwegsamem Gelände erleichtert.
Ein Raum-Schiff für reichlich Ladung
Die geräumige Kabine kann mit bis zu drei Sitzreihen bestellt werden. In der fünfsitzigen Variante sind bei fensterhoher Beladung 742 Liter Kofferraum-Volumen verfügbar, bei nach vorn geklappter 2. Reihe und dachhoher Beladung sogar 2000 Liter. Lediglich die 86 Zentimeter hohe Ladekante kann die Freude über den vielen Platz etwas trüben. Für die Passagiere vorn ist zwischen den Türverkleidungen 1,57 Meter Platz, dahinter annähernd genauso viel. Dank 2,85 Metern Radstand ist es auch um die Kniefreiheit hinten gut bestellt. Wer seinen Land Cruiser als Zugfahrzeug einsetzen will, kann bis zu 3,5 Tonnen auf den Haken nehmen.
Bei der Cockpit-Gestaltung geht Zweckmäßigkeit vor Schönheit. Viele Funktionen werden über Knöpfe und Schalter aktiviert, das Mitten-Display gibt es in 9- oder 12,3-Zoll-Größe. In den Screens können diverse Informationen über Fahrmodi, die Aktivität der Allrad- und Gelände-Technik sowie der Fahrzeug-Umgebung abgerufen werden, so dass sicheres Fortkommen auch jenseits der Straße gewährleistet ist. Getriebe-Untersetzung und Bergabfahr-Hilfe sind ebenso selbstverständlich wie eine elektrische Differenzialsperre hinten.
Zur Navigation hilft das Smartphone
Es mag überraschen, dass ein auf Reise-Bequemlichkeit und Offroad-Qualitäten ausgerichtetes Fahrzeug für knapp 70.000 Euro (Comfort-Linie) nicht über ein eingebautes Navi und elektrisch verstellbaren Beifahrersitz verfügt, doch da Smartphones umstandslos mit dem Bordsystem verbunden werden können, klappt zumindest die Orientierung nach wenigen Handgriffen. Alufelgen, LED-Scheinwerfer, Dachreling, Klimaanlage, Tempomat inklusive „Crawl Control“ und Querverkehrswarner mit Bremsfunktion sowie 220V-Anschluss im Kofferraum sind jedoch serienmäßig enthalten.
Auch Radpositionen, Schrägfahrwinkel, aktivierte Differenzialsperren oder Verschränkung der Achsen können über ein Menü auf dem Zentral-Bildschirm anzeigt werden. Mehr als 21 Zentimeter Bodenfreiheit und die Möglichkeit der Entkopplung von Stabilisatoren für eine erhöhte Achsverschränkung (ab TEC-Ausstattung) erweitern den Aktionsradius zusätzlich. Dass Wasserläufe von bis zu 70 Zentimetern Tiefe problemlos durchquert werden können, dürfte im Zeitalter vermehrter Starkregen- und Überflutungs-Ereignisse für Beruhigung sorgen.
Mit seinen 80 Litern Tankinhalt ist der Land Cruiser für große Etappen in einsamen Landstrichen gut gerüstet. Auch wenn er technisch bedingt nicht zum Chef-Dynamiker taugt, konnte er in diesem Praxistest überraschende Punkte in der Eco-Wertung sammeln. Nach WLTP soll der kombinierte Verbrauch des großen Vierzylinders zwischen 10,3 und 10,7 Litern/100 km liegen. In unserem 14-Tage-Törn begnügte er sich laut Bordrechner mit 9,5 Litern. Mit einer Start-Stopp-Automatik – heute eigentlich Standard-Technik – hätten es wohl noch ein paar Zehntel weniger sein können.