Vor fünf Jahren stieg Toyota aus der Formel 1 aus. Das für die Königsklasse des Motorsports aufgebaute Zentrum in Köln musste sich neu aufstellen und wandelte sich in einen begehrten Dienstleister nicht nur bei der Motoren- und Fahrwerkserprobung um.
Von Thomas Flehmer
Das Ende bedeute den Neuanfang. Als Toyota 2009 der Formel 1 den Rücken kehrte blieb das Entwicklungszentrum in Köln-Frechen übrig. Einen Verkauf der Toyota GmbH (TMG) samt dem 30.000 Quadratmeter großen Areal sah der weltgrößte Hersteller indes nicht als sinnvoll an. "Es begann eine neue Zeit", sagt Sebastian Janssen, der seit drei Jahren an der Spitze von TMG steht, "wir mussten uns mehrere Standbeine zulegen. Aus ehemals einem Projekt laufen nun bis zu 60 Projekte parallel." Darunter auch Tests für Zuliefererbetriebe, die den Flugzeughersteller Airbus beliefern. Die Hälfte der durchgeführten Prüfungen kommt aber weiterhin dem Motorsport zugute.
Zahlreiche Formel 1-Teams zu Gast bei TMG
Dabei spielt der eigene Rückzug aus der Königsklasse des Motorsports, bei dem die Mitarbeiterzahl bei TMG von 800 auf 250 reduziert wurde, eine große Rolle. Da Toyota selbst keine eigenen Bestrebungen für eine Rückkehr hegt, sind nun fast alle aktuellen Formel 1-Teams zu Gast in Köln, um auf den fünf verschiedenen Fahrwerks- oder den sieben Motorprüfständen konfigurieren die Teams ihre Fahrzeuge.
Angst, dass Toyota die Ergebnisse für eigene Zwecke nutzen wird, besteht durch den Rückzug nicht. Trotzdem betont Janssen, dass "Vertraulichkeit die oberste Prämisse"sei. Und das nicht nur bei den Formel 1-Rennställen.
Virtuelle Runden über den Nürburgring
Diese können auf dem Vertikal-dynamischen Vollfahrwerk-Prüfstand besonders die Stoßdämpfer der Fahrzeuge prüfen. "Wir simulieren bei den Tests alle schlimmsten Fälle, die bisher auf den Rennkursen vorgekommen sind“, sagt Marco Gehlen, Gruppenleiter der Fahrzeug- und Komponententests.
So ruckelte während Gehlens Ausführungen ein aufgebockter GT86 über die Nordschleife des Nürburgrings und vermittelte akustisch die Unebenheiten er legendären Rennstrecke, bei der die Karussel-Passage deutlich herausgehört werden konnte. Aber auch die Formel 1-Boliden werden auf die virtuellen Runden der Rennstrecken der Welt geschickt, die von einem anderen Dienstleister gescannt wurden. Toyota hat dann die Daten des Scans erworben und stellt sie dann den Teams zur Verfügung. "Rund eine Woche buchen die Formel 1-Teams die Prüfstände bei Toyota", so Gehlen weiter.
Und auch die beiden Windkanäle stehen zur Verfügung, die Janssen als "State oft he Art" bezeichnet, "unsere Ergebnisse im Windkanal korrelieren gut mit den Ergebnissen der jeweiligen Fahrzeuge auf der Rennstrecke."
Toyotas hohe Ziele für Le Mans
Aber auch die Konzern-eigenen Motorsport-Interessen werden hier verfolgt. Mit dem Hybrid-Boliden wollen die Japaner in diesem Jahr das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewinnen, seit 2011 wird ein 1,6 großer Motor für den Rallyesport entwickelt. Ob das Aggregat gar für eine Rückkehr Toyotas zur WRC gebaut wird, kann Janssen indes noch nicht sagen.
"Die Testfahrten mit dem neuen Motor laufen derzeit. Aber noch wurde von höchster Stelle kein Startknopf gedrückt." Wie lange es dauert, bis die Ingenieure nach dem Drücken des Startknopfs brauchen würden, um ein konkurrenzfähiges Fahrzeug zu entwickeln, kann Janssen zeitlich nicht einordnen. Von der Motorenseite her aber scheint das Kölner Werk für ein Comeback gerüstet zu sein.
Günstiger Kundenrennsport mit Toyota GT86
Einen Neuanfang gab es bereits beim Kundensport auf Basis des GT86. Hier habe Toyota reelle Chancen, die Emotionalität der Marke hautnah zu betonen. So freut sich Janssen, dass für die neue Saison fünf neue Teams hinzugekommen sind. Denn trotz aller Begeisterung für den Sport muss TMG auch Ergebnisse liefern. "Wir sind als Profit-Center ausgelegt und sollten mindestens eine schwarze Null schreiben." Pro Team kann der Manager für eine Saison um die 150.000 Euro beim Zahlungseingang verbuchen, was nicht viel für eine Saison Rennsport ist. "Wir sind preislich in einer anderen Ecke als zum Beispiel Porsche unterwegs."
Preissparend wirkt sich das Technologiezentrum natürlich auch bei den eigenen Serienmodellen aus. So kommen laut Gehlen auch ausgewählte Serienfahrzeuge vor dem Marktstart auf die Prüfstände. Und auch so manches Modell der Mitbewerber landet im Testlabor, um die Stärken und Schwächen der Konkurrenz zu erkennen und daraus zu lernen.
Guter Technologie-Transfer zu Mutter Toyota
Viel wichtiger aber ist natürlich das Vorantreiben der Technik der eigenen Fahrzeuge. Auch hier fließen die Erfahrungen aus dem Motorsport mit ein und die Ergebnisse werden nach Japan geschickt. "Es besteht ein guter Transfer bei der Motorenentwicklung mit unserem Mutter-Unternehmen", so Janssen, "damit helfen wir, die Marke strategisch zu emotionalisieren." Und umgekehrt bedeutete gerade der Transfer zur Mutter für die einhundertprozentige Toyota-Tochter nach dem Ende der Formel 1-Zeit ein Neuanfang.