Haftung bei Ausfall von Fahrhilfen ungeklärt

Elektronische Helfer wie ABS oder ESP sollen Autofahrer vor Unfällen bewahren. Doch wer trägt die Verantwortung, wenn die Technik versagt? Juristen sind darüber noch uneins.

Von Heiko Haupt

Die Techniker in den Entwicklungszentren der Autohersteller leben derzeit in einer Art Paradies: Was immer sie sich ausdenken, wird tatsächlich umgesetzt, wenn es denn irgendwie machbar ist. Für den Autofahrer bedeutet das, dass er von viel hilfreicher Elektronik umgeben ist, die ihn vor Unfällen bewahren soll. Nicht geklärt ist jedoch die Frage, was auf Autofahrer zukommt, wenn die elektronischen Helfer einmal nicht das tun, was sie sollen.

ABS und ESP Selbstverständlichkeit

Dass ein ABS das Blockieren der Räder verhindert und ein ESP den Unfall in zu schnell durchfahrenen Kurven nahezu ausschließt, zählt fast schon zur Selbstverständlichkeit. Schließlich ist man technisch mittlerweile schon auf ganz anderen Ebene aktiv: Da wird dafür gesorgt, dass Hindernisse auf der Straße trotz tiefster Dunkelheit frühzeitig erkannt werden. Und es gibt Systeme, die für den richtigen Abstand zum Vordermann sorgen oder das Einparken erleichtern.

Doch diese Hilfe kann nur genossen werden, wenn die Technik einwandfrei funktioniert. Die Autohersteller nutzen in diesem Zusammenhang jede Gelegenheit, um zu betonen, dass solche Funktionen gleich mehrfach abgesichert sind und ein Fehlverhalten nahezu ausgeschlossen ist. Weil aber das Thema noch recht neu ist, hat bisher niemand eine umfassende Antwort darauf, wer die Verantwortung trägt, wenn die Elektronik im Auto versagt. «Es ist eine knifflige Frage, auf die es noch keine wirklich eindeutige Antwort gibt», meint ADAC-Sprecher Maximilian Mauerer in München.

«Die Frage wie weit es bei den Fahrassistenzsystemen zum Beispiel in Hinblick auf das Thema Produkthaftung geht, ist ein wunder Punkt», sagt auch Sven Rademacher vom Deutschen Verkehrs-Sicherheitsrat. Tatsächlich sieht es derzeit aber noch so aus, dass ein Autofahrer sich zwar über die vielen Möglichkeiten und Helfer im Auto freuen darf - wenn er sie benutzt, ist es aber wohl einzig und allein seine Verantwortung.

Verantwortung beim Fahrer

Das Nachtsichtsgerät in der S-Klasse Foto: Werk

Das gilt auch in Hinblick auf den Versicherungsschutz: «Die Fahrassistenzsystem entbinden nicht von der Verantwortung», erklärt Katrin Rüter de Escobar, Sprecherin des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin. Ein Tempomat zum Beispiel ist zwar kein wirklich neuartiges Bauteil - die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang ist jedoch ein Hinweis darauf, was beim Versagen elektronischer Fahrhilfen zu erwarten ist.

Auf ein entsprechendes Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm (Az.: 2 Ss OWi 200/06) weist Petra Schmucker, Juristin des Automobilclubs von Deutschland (AvD) in Frankfurt/Main, hin. In dem Fall hatte ein Autofahrer mit seinem Fahrzeug die zulässige Geschwindigkeit trotz eingestellten Tempomats überschritten. «Es stellte sich später heraus, dass der Tempomat defekt war», erklärt Petra Schmucker. Das Gericht kam zu dem Urteil, dass der Fahrer für die Einhaltung des Tempos verantwortlich ist, nicht die Technik.

Damit sind aber nicht alle offenen Fragen geklärt. «Es gibt zum einen die unterstützenden Systeme im Auto. Sie greifen nicht ein, sondern unterstützen den Fahrer nur», erklärt die Juristin. Für solche Systeme dürfte die Verantwortung weiter beim Fahrer liegen. Wie aber sieht es aus, wenn ein Fahrzeug nach der Idee der Technik vor einem Hindernis zum Beispiel auf eigene Faust den Fahrer beim Bremsen unterstützen soll - dies aber durch eine Elektronik-Fehler ins Gegenteil umgekehrt wird? «Es gibt da einige Dinge, die noch nicht ausdiskutiert sind», so Petra Schmucker.

Maximilian Maurer sieht noch viele weitere Fragen auf den Autofahrer und auch auf die Rechtsprechung zukommen. «Man denkt ja bereits darüber nach, dass Autos in der Zukunft elektronisch miteinander kommunizieren», beschreibt der ADAC-Sprecher die Ideen der Techniker. Das könnte dann so aussehen, dass die Elektronik an einer Kreuzung auch einmal abklärt, wer eigentlich die Vorfahrt hat. Der Fahrer soll so vor einem Fehlverhalten geschützt werden - wenn denn alles richtig funktioniert. Nicht beantwortet ist die Frage, wer die Verantwortung trägt, wenn hier ein Unfall geschieht, den der Fahrer durch eigenes Eingreifen nicht verhindern konnte.

Doch auch heute schon gilt, dass ein Autofahrer sich nicht auf die Assistenzsystem verlassen sollte. Man dürfe nicht das Gefühl haben, durch die Technik auf der sicheren Seite zu sein, warnt Sven Rademacher. Denn im Endeffekt trägt bisher eben immer noch der Mensch hinter dem Lenkrad die Verantwortung für alles, was auf der Straße geschieht. (dpa)

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