Assistenzysteme vermindern Einschlafrisiko

Viele schwere Unfälle sind auf Müdigkeit zurückzuführen. Damit Autofahrer die ersten Symptome nicht ignorieren, arbeiten die Hersteller an einer Vielzahl von Assistenzsystemen.

Von Thomas Geiger

Das hat sicher jeder Autofahrer selbst schon erlebt: Er kann noch so ausgeschlafen sein, irgendwann werden nachts die Lider schwer. Wer dann nicht rechtzeitig rechts ran fährt, geht ein hohes Risiko ein. Viele tödliche Unfälle sind auf Übermüdung zurückzuführen. Deshalb arbeitet die Automobilindustrie mit Hochdruck an Assistenzsystemen, die Fahrer warnen, wenn der gefährliche Sekundenschlaf droht.

Messung der Lidschläge

Bei der Messung der Müdigkeit wurde bislang vor allem auf den Lidschlag gesetzt. So hat zuletzt der Zulieferer Siemens VDO ein «Driver Attention System» angekündigt, das dem Fahrer nach Angaben von Pressesprecher Enno Pflug mit einer nahezu unsichtbar im Cockpit montierten Infrarot-Kamera in die Augen schaut. «Sie erkennt Zahl und Dauer der Lidschläge, analysiert die Blickrichtung und kann daraus auf den Grad der Müdigkeit schließen», erläutert Pflug und stellt eine zweistufige Warnung in Aussicht. In einem ersten Schritt werde der Blick des Fahrers mit der Vibration des Sitzes wieder auf das Verkehrsgeschehen gelenkt. Reagiert der Fahrer darauf nicht, ertöne zudem ein ansteigender Signalton, der ihn zu einer unmittelbaren Erholungspause auffordert.

Einen anderen Ansatz verfolgt Mercedes in Stuttgart: «Weil die Kamera etwa mit Brillen oder bestimmten Lichtverhältnissen Probleme hat und die Kosten in die Höhe treibt», wollen die Schwaben auf den «Augenblick» am liebsten ganz verzichten, sagt Entwickler Jörg Breuer. Statt dessen arbeiten sie an Algorithmen, mit denen aus den bereits im Fahrzeug verfügbaren Sensordaten auf die Aufmerksamkeit des Fahrers geschlossen werden kann.

Fahrerdaten prüfen

«Wir analysieren genau das Verhalten des Fahrers, wie er zum Beispiel mit den einzelnen Bedienelementen des Fahrzeugs im Laufe der Fahrt umgeht», erläutert Breuer. Wenn das, was laut Breuer bereits im Simulator und bei den ersten 100 Testfahrern geklappt hat, auch in der Vorserienerprobung funktioniert, könne Mercedes so ein System relativ zügig anbieten.

Wichtig bei Assistenzsystemen für Nachtfahrten ist der Alarmzeitpunkt: «Eigentlich muss die Elektronik den Fahrer schon warnen, bevor ihm die Lider schwer werden, so dass er noch rechtzeitig einen Parkplatz ansteuern kann», sagt Thomas Breitling, der bei Mercedes die Entwicklung der aktiven Sicherheit leitet. «Wenn die Augen erst einmal zugefallen sind, ist es für einen elektronischen »Weckruf« meist schon viel zu spät».

Während Mercedes den Fahrer nur warnen möchte, will VW seine Leistungsfähigkeit steigern und ihn länger wach halten. Dafür arbeitet der Hersteller laut Pressesprecher Hartmuth Hoffmann an einer so genannten Vigilanz-Leuchte im Dachhimmel. Sie strahlt in blauem Licht und verhindert so die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin, das den Fahrer müde mache.

Die Wirksamkeit dieses Ansatzes bestätigt Dieter Kunz, Chefarzt der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig Krankenhaus in Berlin. Der Schlafforscher sagt, dass die «innere Uhr» des Menschen mit der entsprechenden Beleuchtung tatsächlich verstellt werdennn: «Zwar geht das nicht dauerhaft, weil sich der Körper sonst dem neuen Rhythmus anpasst», warnt der Mediziner. «Doch kurzfristig kann man einen Autofahrer damit schon pushen.»

Night Panel bei Saab

Um die Übermüdung hinauszuzögern, helfen oft schon kleine Tricks der Entwickler. So hat etwa Saab aus dem Flugzeugbau das «Night-Panel» übernommen, sagt Pressesprecher Partrick Munsch in Rüsselsheim: «Auf Knopfdruck werden dort nur die wichtigen Anzeigen wie etwa der Tacho beleuchtet, alle anderen Skalen bleiben dunkel.» So konzentriere sich der Fahrer auf das Wesentliche und bleibe länger aufmerksam, erklärt Munsch.

Einer Studie des Sozialverbandes VDK in Berlin zufolge sind zwar vor allem Lkw- und Busfahrer vom Sekundenschlaf und daraus resultierenden Unfällen bei Nacht gefährdet. Aber auch private Fahrten können gefährlich werden, wenn man spät aus der Disco kommt, nachts unbedingt bis ans Urlaubsziel durchfahren möchte oder Alkohol im Spiel ist, ergänzt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigen-Organisation KÜS in Losheim am See (Saarland).

Egal wie gut die Elektronik den Fahrer künftig möglicherweise wach halten oder zur Vorsicht mahnen kann: «Das einzig wirkungsvolle Mittel gegen Übermüdung ist immer noch eine Pause, am besten mit einem kurzen Schläfchen von bis zu 20 Minuten», sagt KÜS-Sprecher Marmit. Danach sollte der Fahrer den Kreislauf wieder in Schwung bringen, und ein paar Schritte gehen, bevor er sich ans Steuer setzt. Wenig hilfreich sei es dagegen, sich mit Kaffee oder Energydrinks aufzuputschen: «Das hilft nur für kurze Zeit. Danach kommt die Müdigkeit umso heftiger zurück.» (dpa)

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